Nicht heilig, sondern katholisch I

Gefällt dem Geist, was uns gefällt?

„Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen“ (Apg 15,28). Dieser Schlüsselsatz stammt aus dem Jahr 48, als die ersten jüdisch-christlichen Gemeinden ihre ersten Inkulturationswehen durchstanden. Im Oktober 2023 wurde er beim Treffen der römischen Weltsynode neu entdeckt und von begeisterten Bischöfen häufig zitiert. Sie taten es wohl zu selbstgewiss und zu eindringlich, als ob aktuelle Synode vom Heiligen Geist garantiert, von der Kirchengemeinschaft schon akzeptiert sei und die Bedeutung des ersten Apostelkonzils erreichen könnte. Weiterlesen

Katholischer Antisemitismus Verantwortung und Reaktionen

„Wir erleben eine Zeitenwende und das bedeutet, dass die Welt danach nicht mehr dieselbe ist wie die Welt davor.“ Diese Worte des Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022 klingen nach und es fällt auf, wie oft sie seitdem zitiert wurden. Was manche damals für ein pathetisches Politikerwort hielten, andere aus historischen oder weltanschaulichen Gründen heftig kritisierten, das hat sich inzwischen allzu sehr bewahrheitet und es kann ruhig offen bleiben, ob wir diese Ansage nicht schon früher hätten hören sollen. Denn wie sich inzwischen zeigt, ist noch mehr aus den Fugen geraten. Weiterlesen

Der Preis der christlichen Freiheit Was eine neue gesellschaftliche Relevanz kostet

Die Meldung hat die Bischöfe erschüttert, als ob man sie nicht vorhergesehen hätte. Im Jahr 2022 verzeichnete die römisch-katholische Kirche mehr als 530.000 Austritte und alles steht dafür, dass dieser Trend sich 2023 fortsetzen wird. Offensichtlich hatte man an ein Wunder geglaubt, denn gemäß bekanntem Hierarchenjargon zeigt sich Kardinal Marx über diese Information „zutiefst bewegt“: „Was kann ich tun?“, fragt er sich, „was ist meine Aufgabe? Was ist unsere Aufgabe, unser gemeinsames Wirken?“ Diese Reaktion des neben dem Kölner Kollegen ranghöchsten Katholiken scheint mir phantasie- und orientierungslos. Weiterlesen

Machtorientierte Theologie – Zum Problem der offiziellen Trinitätslehre

Unter dem Titel „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“ veröffentlichte Publik-Forum (10/2023) meine Reaktion auf die Beiträge, die Joachim Negel zur christlichen Lehre vom dreifaltigen Gott geschrieben hatte. Diese Beiträge, meine Antwort sowie eine Replik von Joachim Negel sind in www.publik-forum.de dokumentiert. Angesichts der gravierenden Missverständnisse, die Negel meiner Antwort entgegenbringt, soll eine nochmalige Antwort meinen eigenen Standpunkt genauer klären. Die entscheidenden Inhalte sind auch ohne Kenntnis der vorhergehenden Debatte verständlich.

Sechs Tage nach meiner Geburt wurde ich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft und ich habe versucht, mein Leben nach diesem biblischen Dreiklang zu gestalten. Dass Kollege Negel mir vorhält, ich verabschiede mich vom „innersten Kern des neutestamentlichen Glaubensbekenntnisses“ und ich beerdige eine „bald 2000-jährige, überaus reiche Denk- und Frömmigkeitstradition“, das halte ich, gelinde gesagt, für übergriffig. Doch auch vom Kirchenvolk scheint er keine gute Meinung zu haben. So klagt er, Worte wie Gnade, Erlösung oder Menschwerdung Gottes würden kaum mehr verstanden; nach den Gründen dieses Sprachverlustes fragt er nicht. Hans Küng, der ein Leben lang den irrationalen Lehrstrategien von Bischöfen und Päpsten widerstand, bezichtigt er kaltblütig eines Rationalismus, der (oh Schreck!) auch mich in den Abgrund gezogen hat. Seit etwa 10 Jahren dachte ich, wir hätten die Zeiten der Glaubensbelehrer überstanden. Vielleicht ließ sich Negel vom Titel meines Beitrags irreführen. Wirklich gelesen und verstanden hat er ihn wohl nicht. Weiterlesen

Stark wie der Tod? Wie die Kirchen Ostern feiern

Den kirchlichen Verlustängsten zum Trotz bleiben die jährlichen Osterfeste am Leben, auch in unserer säkularisierten Gesellschaft. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie zu einem reichhaltigen Nährboden für zahllose kirchliche und säkulare, kollektive und private Bräuche, vom Osterfeuer und Gang zum Friedhof über den Osterspaziergang und den Osterurlaub, der Suche von Eiern und Schokoladehasen bis hin zu Osterbesuchen und dem Osternest bei Oma und Opa, die mit Geschenken nicht geizen. Seit einigen Jahren belebt die Kommerz die Sache nach Kräften. Weiterlesen

Zum zwiespältigen Ergebnis des Synodalen Wegs

„Ein Friedhof ist kein Lunapark“
(E. Kästner)

Zu wenig Mut – zu viel Loyalität

 Am Ende der letzten Synodalversammlung (März 2023) haben sie geklatscht und Fahnen geschwenkt, einander umarmt und Tränen gewischt. Sind sie aus Erleichterung oder aus Enttäuschung geflossen? Nach dem Debakel mit dem Grundlagentext „Leben in gelingenden Beziehungen“ (Sept. 2022) wurden die später behandelten Texte angenommen. Kamen die Bischöfe danach zur Besinnung oder hat ihr Warnschuss zur Zähmung des laikalen Übermuts genügt? Weiterlesen

Thesen zur Überwindung des Erbsündendogmas

Die einen nennen die Erbsünde eine Lachnummer, die anderen verharmlosen sie zum „kollektiven Unheilszusammenhang“, in dem wir doch alle leben (Joachim Negel in Publik-Forum 16/2022). Das ist unbestritten und es gibt genügend Grund, sich aus christlicher Perspektive intensiv damit zu beschäftigen. Doch es wird endlich auch Zeit, die destruktiven und traumatisierenden Anteile des Erbsündendogmas zu entdecken und entschieden zurückzuweisen. Nur so lässt sich die aktuelle Kirchenkrise nachhaltig überwinden. Weiterlesen

Hat die Institution Kirche im 21. Jahrhundert ausgedient?

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: In unserem Kulturkreis stecken die christlichen Kirchen in einer tiefen Krise. Viele Buchtitel bezeugen es, die ich hier wahllos aufreihe: Geht Gott verloren? (F. Ringler), Ehe alles zu spät ist (E. Teufel), Missbrauchte Kirche (W.F. Rothe), Entmachtet diese Kirche – und gebt sie den Menschen zurück (M. Mesrian, L. Kötter), Weiterlesen

Das verhängnisvolle Vatikanum 2 – Ein Nachruf

Das 2. Vatikanische Konzil wurde im Oktober 1962, also vor 60 Jahren eröffnet, dauerte 3 Jahre und gilt als wichtigster Einschnitt in der jüngsten Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Es greife gesellschaftliche Tendenzen der Erneuerung auf, öffne den Blick auf andere Religionen und erkenne zum ersten Mal das Grundrecht der Religionsfreiheit an, könne sogar als Vorläufer der gegenwärtigen Bestrebungen für eine Synodale Kirche gelten. So beurteilt in einem Interview der Jesuit Andreas Battlog dieses Ereignis. Weiterlesen

Die Reformziele des Synodalen Wegs sind steigerungsfähig

Seit drei Jahren bemüht sich der Synodale Weg [SW] darum, die aktuelle Krise der katholischen Kirche in geduldiger Konsensbildung zu überwinden. Viele TeilnehmerInnen haben diese zeit- und kräfteraubende Arbeit aus freien Stücken auf sich genommen und dafür ist ihnen zu danken. Doch inzwischen werden sie von deutschen, römischen und ausländischen Purpurträgern mit engstirnigen Argumenten massiv kritisiert. Weiterlesen

Wider das destruktive Menschenbild der römisch-katholischen Kirche. Warum eine neue Sexualmoral nicht ausreicht

„Leben in gelingenden Beziehungen“, diesen sympathischen Titel gab Forum IV des Synodalen Weges (SW) seinem Basistext zu Fragen der Sexualität (in zweiter Lesung verfügbar). Zu Beginn geht er kurz auf die skandalösen Anlässe ein, die zum SW führten, dann bemüht er sich möglichst kontextfrei um eine prinzipielle, theologisch und anthropologisch verantwortete Stellungnahme. Die klassischen römisch-katholischen Diskussionspunkte werden zurückhaltend besprochen. Es geht um das neutestamentliche Eheverständnis, die genitale Fixierung der kirchlichen Sexualfragen, aber auch um die positiven und gesamtmenschlichen Seiten der Sexualität, die verschiedenen Geschlechtsidentitäten, auch über Sinn und Grenzen des katholischen Eheverständnisses sowie um die leidige Frage nach der künstlichen Geburtenregelung. So ist dem Forum ein weit gespannter und zeitgemäßer Entwurf gelungen. Weiterlesen

Spiritualität und Lebensstil einer christlichen Gemeinde

Noch immer bilden unsere Kirch- oder Pfarrgemeinden die elementarste und primäre Form christlich-kirchlicher Gemeinschaften. Damit stehen sie in Kontinuität zur Urform christlichen Zusammenseins überhaupt. Ohne andere christliche Gemeinschaften auszuschließen (wie Klöster, Orden, Kongregationen, alters- oder berufsbezogene Gemeinschaften und andere soziale oder religiöse Vereinigungen), hat man sich immer vor Ort, im Rahmen von Stadt- und Landgemeinden getroffen. In Bedeutung und Funktion sind sie vergleichbar mit den im Neuen Testament genannten Gemeinden, der „Kirche“ von Jerusalem, Korinth, Galatien, Thessalonich, Philippi oder Kolossä). Auch heute sind die weitaus meisten ChristInnen Mitglieder einer Kirchgemeinde. Alle menschlichen Lebenssituationen sind in diesen Gemeinschaften präsent.

In unserem Kulturkreis (auf den sich dieser Text beschränkt) stehen die christlichen Kirch- oder Pfarrgemeinden unter besonderem Druck. Ähnlich wie die gesamte Gesellschaft durchlaufen sie einen unerhörten kulturellen Umbruch. Er stellt selbst die geistigen Grundlagen der Spätantike in Frage, ohne die sich die europäische Kultur bislang nicht denken ließ. Deshalb geraten sogar die klassischen Bekenntnisformeln in Diskussion, weil sie durchweg von hellenistischen Vorstellungen geprägt sind, heute nicht mehr verstanden werden und in unserer Gegenwart irrtümliche Signale aussenden. Weiterlesen

Rom enthüllt sein autoritäres Gesicht

Der Heilige Stuhl hat geschrieben. Rein technisch ist das natürlich nicht möglich, denn von schreibenden Stühlen weiß nicht einmal die Märchenwelt. Doch wer kennt sich in der atavistischen Rhetorik der vatikanischen Diplomaten- und Behördensprache schon aus? Weiterlesen

Gebt sie den Menschen zurück

Dieses schlanke und handliche Buch hat es in sich. Geschrieben wurde es von der Theologin und Journalistin Maria Mesrian aus Köln sowie der Künstlerin Lisa Kötter aus Münster, zwei bekannten Vorkämpferinnen für Maria 2.0. Sie sind jeweils verheiratet, haben mehrere Kinder und wohnen in urkatholischen Städten. Sie sind also in Kirchenfragen unangreifbar und wissen, wovon sie reden. Sie präsentieren nicht einfach ein weiteres kirchenkritisches Buch, sondern formulieren Erfahrungen und Perspektiven aus, die zahllosen Enttäuschten aus dem Herzen sprechen: Ihr habt uns die Kirche weggenommen, gebt sie uns bitte zurück. Sie wenden sich gegen eine Kirchenmacht, die zu einer selbstverliebten Selbstläuferin geworden ist und den Menschen die „Grundnahrungsmittel ihres Lebens“ genommen hat. Die inneren Verdrehungen der real existierenden Kirche zeigen sie an Hand der Kernbegriffe Liebe, Gemeinschaft, Freiheit und Gerechtigkeit. Kirchliche Aussagen und Praktiken werden entlarvt, etwa der herablassende Ton eines Bischofs, gemäß dem sich eine barmherzige Kirche „erniedrigt“ oder das Spiel mit der Angst vor der ewigen Verdammnis. Überzeugt hat mich die aufmerksame und anschauliche Sprache, die sich angenehm vom technischen Fachjargon vieler Veröffentlichungen zur Kirchenreform unterscheidet. Wohltuend ist der Reichtum an sprechenden Beispielen und überraschenden Bildern. Sie alle orientieren sich – überzeugend und von innen heraus ‑ an der „Spur, die unser Bruder Jesus fürsorglich für uns alle gelegt hat“.

Maria Mesrian & Lisa Kötter, Entmachtet diese Kirche und gebt sie den Menschen zurück, bene! Verlag 2022, ISBN 978-3-96340-228-9

Testfall für den Synodalen Weg: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche.

Die viel beachtete und weitgehend bejahte Auffassung, beide Kirchentümer seien einig in der Rechtfertigungslehre, … scheint ein Strohfeuer gewesen zu sein, das mit dem feinen, aber permanenten Strahl kirchlichen Weihwassers zum Verlöschen gebracht wird.
E. Jüngel, Die Kirche als Sakrament?, ZThK 80 (1983), 432.

Ein innerchristliches Gespräch?

Bei einer genaueren Analyse erschließt sich die Krise der römisch-katholischen Kirche als ein Schwelbrand von mehreren, gravierenden Unkulturen und Missständen, die ineinander verwoben sind. Alle wissen das, doch auch in Reformkreisen wird die Frage nach ihrem gemeinsamen tieferen Grund tunlichst vermieden. Man wagt sie nicht zu stellen, denn sie könnte irritierende, tief eingefleischte Verirrungen in kirchlicher Lehre, Theologie und Disziplin offenlegen. Die Tradition verborgener Missbrauchsverbrechen und einer respektlosen (geistigen und körperlichen) Übergriffigkeit gegenüber Frauen, die hartnäckige Vertuschung bzw. Verharmlosung dieser Untaten durch Kirchenleitungen, die gesetzlich verbürgte Frauendiskriminierung durch Ordinationsverbot wie überhaupt das gestörte Verhältnis zur Sexualität in der offiziellen Moral, schließlich die grassierenden Zerwürfnisse in kirchlichen Gemeinden und Organisationen, – wie kommt das alles zusammen? Weiterlesen

Orientierungsloser Orientierungstext. Ein Zwischenruf zum Synodalen Weg

Wem gehört diese Kirche?
Ist es die Kirche der Kardinäle und Bischöfe?
Nein, sie gehört uns Menschen!
Und es wird Zeit, dass wir sie in Besitz nehmen!
(Maria Mesrian und Lisa Kötter, in: Entmachtet diese Kirche, 2022)

Die Initiatoren des Synodalen Wegs (SW) haben sich viel vorgenommen. Voller Mut steckten sie die Hoffnungen so hoch, wie tief in Deutschland die römisch-katholische Kirche gesunken ist. Das Projekt soll der katholischen Kirche eine neue Zukunft eröffnen, indem es die Fragen aufarbeitet, die sich aus den Missbrauchsskandalen ergeben.

Im Dezember 2019 begann die offizielle Arbeit, nach zwei Jahren sollte sie vollendet sein. Doch die Pandemie verzögerte den Fortgang. Das hat die Arbeit nicht erleichtert und den Eindruck des Stillstands verstärkt, denn noch immer folgt eine Schreckensmeldung nach der anderen. Jedes Gutachten, jeder spektakuläre, angebotene oder vollzogene Rück- und Austritt, jedes bischöfliche Fehlverhalten, jeder dramatische Hilferuf und jeder Suizid löst neue Schockwellen aus. Dabei sprach Kardinal Marx im vergangenen April noch leichtfüßig von „Rezepten“, die einen Ausweg bringen sollen. Diese Wortwahl zeigt, dass man immer noch in Kategorien von verzeihlichem Fehlverhalten denkt. Wann endlich werden die Verbrechen ernstgenommen und die Reformschritte konkret? Weiterlesen

Die Häresie von der heiligen Macht. Wie sich die katholische Kirche neu erfinden muss

Am 1. April 2022 verbreitete Wir sind Kirche folgende Eilmeldung: „Wie wir aus speziellen Quellen erfuhren, hat Kardinal Reinhard Marx, München-Freising, sich soeben entschlossen, seinem Ruf als Reformbischof durch deutliche Taten gerecht zu werden. Angesichts der personellen Engpässe will er die Potentiale all seiner pastoralen Mitarbeiter*innen zugunsten der Gemeinden nun nutzen. Es ist ab sofort allen in der Pastoral Mitarbeitenden erlaubt, zu taufen, Eheschließungen zu assistieren, in Eucharistiefeiern zu predigen, zu beerdigen und in besonderen Fällen, die Krankensalbung zu erteilen. Um eventuell notwendige kirchenrechtliche Änderungen wird er sich dann nachträglich in Rom bemühen.“ Es war ein Aprilscherz mit doppelt entlarvender Wirkung. Zum einen wurde genannt, was selbst gemäß strenger kirchlicher Dogmatik möglich wäre. Zum andern verschwieg selbst Wir sind Kirche die noch entscheidenderen Mängel, dass nämlich zahllose ordinierte Priester unter uns leben, denen aus Gründen der Prüderie und Misogynie die Ausübung ihres Amtes verboten ist und dass zahllose kompetente Frauen unter uns leben, die in dieses Amt berufen werden könnten. Weiterlesen

Ist uns Gott verloren gegangen, welches Leben teilen wir?

In diesen Stunden geht der Katholikentag 2022 zu Ende. Er war wie immer bunt und vielfältig, obwohl er weniger Menschen zusammenführte als erwartet. Er hat versucht, ein wunderbares Motto zu entfalten: Leben teilen. In mancher Veranstaltung mag das gelungen sein, doch an mehr als an einer Stelle war darüber zu klagen, dass auf unserer Erde das Leben eben nicht immer geteilt, sondern geneidet, klein gehalten, abgewürgt und vernichtet wird, in und außerhalb der Kirchen. Weiterlesen

Trauma – Konstruktionsprinzip einer zeitgemäßen Theologie. Zu einem bahnbrechenden Buch von Michael Pflaum

Als systematischer Theologe beschäftige ich mich intensiv mit Kirchenbildern und Kirchenreform; dabei gehe ich gerne theologiegeschichtlichen, hermeneutischen und ideologiekritischen Fragen nach. Seit 2010 ist das kein langweiliges Geschäft mehr, denn im deutschen Katholizismus wurden unversehens die unsäglichen Verbrechen von Missbrauch und deren Vertuschung auf breiter Front präsent, während die Bischöfe und Insider schon seit 1995, spätestens 2001/02 über den weltweiten Sumpf der Skandale informiert waren. Weiterlesen

Als Bischof noch zu halten?

Am 16.02.2022 erschien in der Südwestpresse ein Interview mit Dr. Gebhard Fürst, dem Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Von sich und seiner Diözese zeigte er ein sympathisches Gesicht. Auf ihre Liberalität und Offenheit war sie schon immer stolz und das will sie auch weiterhin bleiben, doch ein solcher Stolz gebiert auch illiberale und selbstgerechte Züge. Doch der Reihe nach. Weiterlesen

Was uns Benedikts Verteidigungsbrief lehrt

Am 8. Februar 2022 hat Joseph Ratzinger auf die Einlassungen des Münchener Gutachtens vom 20. Januar 2022 zweifach geantwortet: Er präsentierte eine juristische Verteidigungsschrift, die von vier Sachkundigen erstellt wurde, sowie einen persönlich gehaltenen Brief. Weiterlesen

Ein Gespenst geht um in der Kirche, das Gespenst ihres geistigen Bankrotts

Und wenn du dich fragst: Warum hat mich das alles getroffen?, so wisse: Wegen deiner großen Schuld
(Jer 13,22)

Mit seiner Präsentation am 20.01.2022 in München hat das jüngste Missbrauchsgutachten von Westpfahl-Silker-Wastl (WSW)[1] Geschichte geschrieben; sofort begann eine bislang unbekannte Austrittswelle. Vier Tage später gestand Joseph Ratzinger seine Falschaussage mit neuen Ausflüchten ein, nach einer Woche übernahm Kardinal Marx die moralische Verantwortung für die Gräuel, die in München-Freising seit 1945 insgesamt 497 dokumentierte Opfer erdulden mussten, die hohe Dunkelziffer nicht eingerechnet. Die hartnäckigen Leugnungen und Relativierungen von Verbrechen, deren Vertuschung und die Vereitelung von Konsequenzen wurden endgültig entlarvt. Weiterlesen

Eine Kultur des Narzissmus. Was wir aus dem Missbrauchsgutachten lernen

Am 20. Januar 2022 legte die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein lange erwartetes und vielbeachtetes Gutachten vor. Auf 1893 Seiten zieht es eine „Bilanz des Schreckens“, in der Hunderte von Missbrauchsverbrechen und deren konsequente Vertuschung seit 1945 zur Sprache kommen; zur Debatte stehen Vorgänge im Erzbistum München-Freising sowie die Einordnung dieser Unheilsgeschichte in das System katholische Kirche. Besondere Brisanz erhält es durch die Ausführungen zum Versagen der Kardinal-Erzbischöfe Joseph Ratzinger, Friedrich Wetter und Reinhard Marx. Weiterlesen

Ein zeitgemäßer Glaubensentwurf. Zu einem Buch von Frithjof Ringler

Unsere Kultur erfährt einen Umbruch, der keinen Stein mehr auf dem andern lässt. Mit ihm lösen sich unsere Gottesbilder auf, zumindest verlieren sie ihre Tiefenwirkung und orientierende Kraft. So erleben die Kirchen nicht nur eine äußere Erosion mit wachsenden Austrittszahlen, sondern auch einen inneren Zerfall. Ihr mentaler Zusammenhalt wird labil, denn der traditionelle Gottesglaube verflüchtigt sich, ihre Formensprache zerfällt und mit ihr ein umfassendes Wissensgebäude, das über Jahrhunderte lang Wahrheit garantiert und für Hoffnung gesorgt hat. Weiterlesen

Sprache der Kirche auf dem Prüfstand Instrument der Kontrolle oder Schlüssel zum Leben?

Ich freue mich sehr und betrachte es als eine große Ehre, dass Ihr mich zum 25./26. Geburtstag von Wir sind Kirche eingeladen und dieses Referat als „Festvortrag“ angekündigt habt. Uns alle verbindet eine große Leidenschaft für unsere Kirche, die sich römisch-katholisch nennt. Eine ökumenisch christliche wäre uns lieber, aber in der vorgegebenen Identität haben wir sie irgendwann liebgewonnen, auch wenn wir sie nicht mehr – wie mancher Römer noch immer meint ‑ als die einzig wahre, gar als die alleinseligmachende betrachten und manche sich schon mit Scheidungsgedanken von ihr getragen haben. Weiterlesen

Was macht die Corona-Pandemie mit uns, der Gesellschaft und der Kirche?

 

Einleitung:

  • Bislang liefert die Corona-Krise keine speziellen Einsichten, die es ohne Corona nicht gäbe. Als Katalysator hat sie aber bestehende Versäumnisse, Spannungen und Brüche offenkundig gemacht und verschärft. Hinzu kommt, dass sie zugleich mit anderen Krisenerfahrungen (Klimakrise, Wetterkatastrophen, politische Krisen) die Öffentlichkeit und das private Leben nachdrücklich und weltweit bestimmt. Deshalb können wir dieser Konfrontation nicht ausweichen.
  • Auch sind keine spezifischen Glaubenskrisen oder theologischen Erkenntnisse erkennbar. Die Folgen der Corona-Epidemie zeigen aber: Unsere Sinnfragen bzw. religiösen Herausforderungen sind ungelöster und akuter denn je. Sie betreffen nicht nur das religiöse Leben, sondern auch den profanen Alltag nahezu aller Menschen. Religiöse und säkulare Probleme überkreuzen sich.

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Vertrauensvorschuss oder Selbstbetrug? – Zum Buch DIE TÄUSCHUNG von Norbert Lüdecke

Es ist ein außergewöhnliches Buch. Außergewöhnlich sind sein Rigorismus und intellektueller Scharfsinn, außergewöhnlich die Präzision seiner historischen Recherchen, außergewöhnlich auch seine sprachliche Virtuosität, obwohl sich manche Begriffe überdrehen und zu selbstgefälligen Kunstprodukten stilisieren. Wir bewegen uns im Raum der römisch-katholischen Kirche Deutschlands, deren beispiellose Krise der Erklärungen bedarf. Lüdeckes These über die Unaufrichtigkeit bischöflicher Erneuerungsversprechen ist so überzeugend wie für die Bischöfe vernichtend: Weiterlesen

1900 Jahre wie ein Tag – Eindrücke zu Kardinal Müllers katholischen Projektionen

Müllers Buch Was ist katholisch? müsste für alle Reformwilligen ein Weckruf sein. Es sticht nicht nur durch die Arroganz seiner Theorien heraus, vielmehr ist sein autoritäres Kirchenbild auch seit 150 Jahren bei den Kircheneliten zu Hause. Die Impulse des 2. Vatikanischen Konzils (1662-65) haben sich nur wie ein abwaschbarer Firnis darübergelegt. Weiterlesen

Kardinal Marx überschätzt seine Rolle

Ein Gespenst geht um in Europa –
das Gespenst des Kirchenzerfalls.

Eigentlich sollte mich nach einer Skandalfolge von über 60 Jahren in meiner Kirche nichts mehr überraschen, doch das hätte ich nicht für möglich gehalten. Kardinal Marx, der sprachfreudige, optimistisch agierende Machertyp des deutschen Katholizismus, bietet dem Papst seinen Rücktritt an und steht für eine Schuld ein, in die er weniger verstrickt ist als viele seiner Kollegen. Zwar kommt sein Eingeständnis erst elf Jahre, nachdem in Sachen sexueller Gewalt die Alarmglocken anschlugen, doch es kommt in einem unerwarteten Augenblick; Überraschung gelungen. Weiterlesen

Gemeinsam glauben – Sieben Porträts von unabhängigen Kirchen

Theo van de Kerkhof

Gemeinsam glauben
Sieben Porträts von unabhängigen Kirchen

 Einleitung

Schon seit den 1960er Jahren haben sich manche katholische Gemeinschaften für eine freie, von den offiziellen Kirchenstrukturen unabhängige Stellung entschieden. In den vergangenen Jahren hat sich ihre Anzahl auffällig stark vermehrt. Im Auftrag der Marienburg-Vereinigung ging Theo van de Kerkhof diesem Phänomen nach. Er beschreibt die „neue Gemeinsamkeit”, die diese Gemeinschaften an der Basis der katholischen Kirche verbindet. Sieben Porträts von „Kirchen mit freiem Status“. Weiterlesen

Menschen aus Fleisch und Blut

 

Da wir Menschen aus Fleisch und Blut sind,
hat auch er Fleisch und Blut angenommen
(vgl. Hebr. 2.14)

Was Sexismus, Rassismus und andere Menschen-Phobien verbindet

Nein, Bischof Oster ist kein Rassist. Die Versöhnung mit Frau Prof. Dr. Rahner ging allzu geräuschlos vonstatten. Ich habe ihn für seine Offenheit gelobt und tue es noch immer. Denn je mehr er die Auseinandersetzung anheizte, umso entlarvender trat die Denkart der bischöflichen, neuscholastisch geeichten Dogmatik zutage. So erzwang er eine offene Debatte darüber, was Rassismus ausmacht und wie er mit dem Ordinationsverbot für Frauen zusammenhängt, was ich mit guten Gründen dem Sexismus zurechne. Was sind ihre entscheidenden Komponenten und was macht sie so destruktiv? Weiterlesen

Bravo, Herr Bischof! Zu den Drohworten aus Passau

Erinnerung verpflichtet

Endlich hat ein „Kirchenfürst“ wieder den Mut, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Unverblümt will er uns zeigen, wo gemäß seiner Überzeugung die Grenzlinien reformerischer Provokation verlaufen und wo sie überschritten werden. Ist das ein neuer Ton? Im Jahr 2021 kann er schon überraschen, schließlich sind die Hierarchen in der Defensive. Wie gut, dass wenigstens einer aus der Deckung kommt. Weiterlesen

Verdrängte Blockaden der katholischen Kirche

Was die katholische Kirche noch immer verdrängt

I. HANS KÜNGS ERBE

Am 6. April 2021, heute also vor einer Woche ist Hans Küng verstorben. War er  Kirchenkritiker? Großer Theologe? Streitbarer Geist? Rastloser Sucher? Alle diese Etiketten greifen zu kurz. Hans Küng war ein Multitalent und glänzender Kommunikator, in der Gregoriana mit einem universalen Wissenskanon ausgebildet. Allerdings war ihm klar: Sämtliche Wissenssysteme waren im Umbruch, auch deren theologische Durchdringung war neu zu leisten. Mit ungeheurer Energie und einer glühenden Leidenschaft wollte er die neuen Grenzen ausloten. Weiterlesen

Zum Tod eines großen Theologen

Hans Küng und seine Kirche

Der Tod eines Menschen ändert den Blick auf ihn. Es ist, als ob ein See erstarrt, keine Wellen mehr aufwirft, nie mehr über die Ufer tritt, keine Überraschungen mehr bietet. Jetzt kann man endgültig sagen, wer dieser Mensch war und was er für die Nachwelt bedeutet. Trotz schwerer Krankheit ist Hans Küng in den vergangenen Jahren nur langsam verstummt. Noch kein Jahr ist es her, dass der letzte Band seiner Sämtlichen Werke unter dem Titel Begegnungen erschien. Nichts anderes könnte dieses überreiche, spannungsvolle und mit Konflikten überladene Leben besser charakterisieren. Weiterlesen

Die Nebel einer unmoralischen Amtsführung

Am 23.03.2021 lud Kardinal Woelki zu einer Pressekonferenz ein. G. Doliwa kommentierte sie und griff 35mal auf das Wörtchen „irgendwie“ zurück. Das war ein entlarvendes Stilmittel, denn alles, was Woelki erklärte, blieb „irgendwie“ unklar. Dabei sollte das neue Gutachten von Gercke-Wollschläger (GW) doch Zweifel ausräumen, Vorwürfe widerlegen und die Rücktrittsforderungen entkräften. Doch Woelkis Selbstverteidigung wirkte merkwürdig verwaschen und ungenau. Weiterlesen

Ist Gott wirklich Mensch geworden?

Theologische Nach(t)gedanken zum Weihnachtsfest

Seit Jahrhunderten wird Weihnachten in unserem Kulturraum als ein reiches und vieldimensionales Fest erfahren. Sie wirkte als eine enorm fruchtbare Geburtsstätte von Sitte und Brauchtum. Kein anderer Tag hat im Christentum so viel Volksnähe erreicht und so bewegende Emotionen geprägt. Das spricht für das Fest, setzt es aber auch zahllosen Verfremdungen, Missverständnissen und Banalisierungen aus. Weiterlesen

Mündige Gemeinden – das Gebot der Stunde

Allmählich werde ich müde, die vielen Dokumente zu kommentieren, die uns mit schöner Regelmäßigkeit aus unseren bischöflichen Schreibstuben und aus Rom erreichen. Meist beginnen sie ermutigend und verständnisvoll, enden aber ergebnislos oder stabilisieren ein verknöchertes System. Bestätigt werden dann Pflichtzölibat und ein misogynes Ordinationsverbot (15.01.2020), man verbietet Nicht-Priester als Gemeindeleiter (29.06.2020) oder verweigert den Verzweifelten die Sakramente, die freiwillig in den Tod gehen (14.07.2020). Weiterlesen

Eine unappetitliche Geschichte Zum Konflikt eines afrikanischen Priesters mit deutschen katholischen Behörden.

Woche um Woche häufen sich in der katholischen Kirche Berichte über sexuelle Verfehlungen und Vertuschungen. Täter sind Priester, Bischöfe und Kardinäle, eingeschlossen die beiden letzten Päpste. Dabei schockieren auch die Schandtaten höchster Repräsentanten nicht mehr, angefangen vom Wiener Kardinal Groër (1995 zurückgetreten) bis hin zu seinem Kardinalskollegen in Washington McCarrick (2019 laisiert). Was uns aktuell in Atem hält, ist die Unfähigkeit von deutschen Bischöfen, offen zu ihren Verfehlungen zu stehen, ihr Versagen zuzugeben und gegebenenfalls ihren Rücktritt anzubieten, was sie dies in vergleichbaren Fällen von Politikern selbstverständlich erwarten würden. Vor wenigen Tagen ließ der Kölner Kardinal Woelki ein ihm unangenehmes Gutachten in seinen Büros verschwinden. Daniel Deckers sprach von einem „ruchlosen Kardinal“, der Jesuit B. Hagenkord im Blick auf den jüngsten Skandalreport über McCarrick von einer „Kleriker-unter-sich-Haltung“; Wir sind Kirche schließlich prangerte neben der sexuellen auch die geistliche Gewalt an, die offensichtlich immer noch zum Alltag bischöflicher Behörden und von vielen Ordensleitungen gehört; Doris Reisinger hat sie ausführlich analysiert. Weiterlesen

Eine Enzyklika über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft

Der bisweilen karg wirkende, aber stets freundlich gesonnene Papst Franziskus hat Sinn für Symbolik. Zum einen erkor er sich Ahmad Al-Tayyeb, den Großimam der Ashar-Moschee in Kairo und Rektor der dortigen Universität, zum offiziellen Gesprächspartner und verlieh seinem Schreiben damit einen interreligiösen Akzent. Zum anderen fuhr er von Rom eigens in das 200 km entfernte Assisi, um am Todestag am Grab seines Namenspatrons seine neue Enzyklika zu unterzeichnen. Schließlich verweist zum zweiten Mal der italienische Titel auf den Poverello. Weiterlesen

Aufruf zur Eigenverantwortung der Gemeinden

I. Entschiedenes Handeln

1. Es rumort in der römisch-katholischen Kirche. Sie hat sich in einen irreparablen Umbruch mit schweren Verlusten manövriert, die die Krise der Reformation weit übersteigen. Die hierarchische Elite samt offizieller Lehre, eine beunruhigte Theologie, das vielbeschworene Gottesvolk sowie die wachsende Masse von Ausgetretenen driften wie tektonische Platten auseinander. Ein Erdbeben jagt das andere. Sie alle hinterlassen einen dramatischen Verfall an Glaubwürdigkeit, und dies in einem Augenblick, da die Botschaft Jesu weltweit angesehener und aktueller ist denn je. Alle Kontinente sind betroffen, auch wenn das Epizentrum in Europa liegt. Weiterlesen

Die Angst vor den Relativierern – Zur Ratzingerbiographie von Peter Seewald

„Auch mir ist vor Kurzem der zweite Herzschrittmacher eingepflanzt worden; möge der Herr selber die Schritte des Herzens besser lenken, als es eine Maschine kann.“ (S. 759).

Vielleicht war es nur ungeschickt gewählt, denn vom so schreibfreudigen emeritierten Papst hätte man sicher ein besseres Zitat finden können. Vielleicht aber fand er es sehr treffend, Peter Seewald, Ratzinger-Verehrer von Beruf, der mit seinen 1150 Seiten ein Mammut-Werk vorlegt. Aber keine Angst, man hat es bemerkenswert schnell gelesen. Weiterlesen

Ein Buch über den vergessenen Gott. Kenntnisreich, einladend, auf der Höhe der Zeit

Norbert Scholl, Gott, der die das große Unbekannte. Staunens-Wertes und Frag-Würdiges, Grünewald 2020, 192 Seiten.
Schon die unkonventionellen Titel und Untertitel wecken die Neugier auf dieses Buch und niemand wird enttäuscht. Weiterlesen

Ein Laokoon, der weiterkämpft

Wer kennt den Laokoon nicht, der in den Vatikanischen Museen mit den hochgefährlichen Schlangen ringt? Politi erinnert mich daran, wenn er in hoher Dramatik den Kampf schildert, den Papst Franziskus gegen die vielen Gegner führt, die sich in der Kurie und in weltweiten Bischofskreisen gegen ihn verschworen haben. Eine überschaubare Gruppe von Wortführern lässt nichts unversucht, ihn als ruchlosen Machiavellisten zu isolieren oder als Häretiker zu diskreditieren. Weiterlesen

„Da gilt weder Mann noch Frau“ – Zum Ausschluss der Frauen aus den kirchlichen Kernfunktionen

Bei seinem Reformvorhaben lässt sich der Synodale Weg (SW) von vier Kernfragen leiten lassen. Er debattiert über Art und Verteilung kirchlicher Macht, die angemessene Lebensform der Priester, ein Leben in gelingenden Beziehungen sowie über FRAUEN IN DIENSTEN UND ÄMTERN IN DER KIRCHE. Es ist gut, dass das letzte, beinahe vergessene Thema noch hinzugefügt wurde, denn es signalisiert kein bloßes Zusatzproblem. Es verleiblicht sich prominent in der Machtfrage, prägt das Grundverständnis der priesterlichen Existenz massiv mit und unterwirft die Frage gelingender Beziehungen einem unverzichtbaren Wirklichkeitstest. Schließlich kulminiert es aktuell in der viele bewegenden Frage: Warum, in Gottes Namen, soll den Frauen der Zugang zu den zentralen kirchlichen Ämtern nicht nur verboten, sondern auch prinzipiell unmöglich sein? Weiterlesen

Was ist Klerikalismus?

Der Kampfbegriff „Klerikalismus“ wurde im 19. Jahrhundert im Streit um das Verhältnis von Staat und Kirche geprägt. Er zielte auf die öffentlichen Macht- und Rechtsansprüche kirchlicher Institutionen, die von den Klerikern vorgetragen wurden. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff auf innerkirchliche Verhältnisse ausgeweitet. In diesem Fall zielt er auf die kritisierte Vorherrschaft von Klerikern gegenüber den Nichtklerikern, die im Kirchenrecht noch immer „Laien“ genannt werden. Weiterlesen

Visionen im Widerspruch – Die falschen Folgerungen aus einem guten Ansatz

Selten prallten Anerkennung und Enttäuschung in einem päpstlichen Dokument so eng aufeinander wie in diesem Brief, der die Amazonas-Synode vom Oktober 2019 endgültig abschließt. Er entfaltet eine soziale, kulturelle und ökologische Invasion und zieht daraus Konsequenzen für eine amazonische Kirche. Dort aber kommen ein Priester- und ein Frauenbild zur Geltung, die den vorhergehenden Idealen Hohn sprechen. In Deutschland reagieren engagierte Katholikinnen unterschiedlich: Sie kämpfen unverdrossen weiter, gehen erst recht ihren eigenen Weg oder verlassen die römisch-katholische Kirche. Weiterlesen

Macht über die Seelen – Kernkompetenz und Kernproblem des Katholizismus

Die aktuelle Krise der römisch-katholischen Kirche (im folgenden oft „Kirche“ genannt) ist eng verkoppelt mit ihrem inneren und äußeren Machtzerfall, der seit einigen Jahrzehnten vor allem im westeuropäischen Kulturraum offenkundig wird, und er trifft diese Kirche besonders, weil in ihr schon seit der Spätantike ein ausgeprägtes und prominentes Machtdenken herrscht. Weiterlesen

Durchbruch oder trotzige Selbstbeschwörung? – Der Synodale Weg hat sich noch nicht gefunden

Als erster warf Kardinal Marx das Zauberwort in die Debatte und machte damit Eindruck: In Deutschland sollte sich die römisch-katholische Kirche auf einen „Synodalen Weg“ [SW] begeben und damit das durch Missbrauch und Vertuschung verlorene Vertrauen der römisch-katholischen Kirche zurückgewinnen. Die meisten Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken schlossen sich dem Vorschlag an und bald wurden erste Schritte gesetzt. Man erarbeitete eine Satzung, bestimmte die Mitglieder der verschiedenen Gremien und einigte sich auf vier Kernthemen: kirchliche Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Frau in der Kirche. „Wir müssen reden!“, sagte man sich. Wer wollte das bestreiten? Weiterlesen

Pflichtzölibat und Priestertum – Ein Rettungsversuch aus den Vatikanischen Gärten

Am 15. Januar 2020 erreichte uns aus den Vatikanischen Gärten ein Text zur Aufrechterhaltung des Pflichtzölibats und er sorgte für reichliche Diskussion. Geschrieben wurde er vom schweigenden und gehorsamen Mönch, der sich dort niederließ, um für die Kirche zu beten und „beim Kreuz Christi“ zu bleiben. Die römisch-katholische Welt, zu sehr noch auf alte Autoritäten fixiert, war erregt. Sie fürchtete einen Aufstand der Reaktionäre, der unter ex-päpstlicher Führung zu einer Kirchenspaltung führen könnte. Weiterlesen

„Warum ich katholisch bleibe“ Zum Missio-Entzug von Hans Küng vor 40 Jahren

15. Dezember 1979: Johannes Paul II., im Kirchenkampf schon bestens erprobt, lässt seine Glaubenskongregation erklären, Hans Küng könne weder als katholischer Theologe gelten, noch als solcher lehren. Zwar konnte er die Folgen dieses Schrittes nicht absehen, doch Gründe dafür konnte er unschwer finden: Küngs Unfehlbarkeitskritik verachte das kirchliche Lehramt und in Christsein leugne er die Wesensgleichheit Christi mit dem Vater sowie die Jungfrauschaft Mariens, ferner irre er beim gültigen Vollzug der Eucharistie. Weiterlesen

Ein Aufruf gegen Macher und erleuchtete Gruppen – Der Papst und seine Ghostwriter

Wird sich die römisch-katholische Kirche in Deutschland bewegen? Ihre Bischofskonferenz leitet zusammen mit dem ZdK einen „verbindlichen synodalen Weg“ ein. Dessen Gestaltung ist noch offen und ungeklärt die Frage, welchen Einfluss dabei „das Volk“ überhaupt nehmen kann, denn gemäß Kirchenrecht behalten die Bischöfe das alleinige Beschlussrecht. Statt diese Frage zu klären, bereiten die Bischöfe vorsorglich schon vier Themenkreise zu klerikaler Macht, Sexualmoral, priesterlicher Lebensform und zur Stellung der Frau vor. Klar scheint zu sein, dass man das Fiasko des „Gesprächsprozesses“ (2010-2015) nicht wiederholen will und Maria 2.0 den Druck massiv erhöht hat. Weiterlesen

„Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein!“ Christoph Röhl leistet anstrengende Aufklärung

Auch sechs Jahre nach seinem Rücktritt spaltet Papst Benedikt noch Deutschlands Gemüter. Für die einen ist er ein herausragender Theologe und Bayerns größter Sohn, für andere wurde er zum reaktionären Versager auf dem Papstthron, der an seinem korrupten System zerbrach. Christoph Röhl, britisch-englischer Dokumentarfilmer und mehrfacher Filmpreisträger wurde in Deutschland bekannt durch seine Arbeiten zum Missbrauch in der Odenwaldschule („Und wir sind nicht die Einzigen“) und zum Rücktritt von Kaiser Wilhelm II. („Kaisersturz“). Er hat sich der vielleicht komplexesten Figur des jüngsten deutschen Katholizismus angenommen und mehr als vier Jahre an seinem Portrait gearbeitet. Die Mühe hat sich gelohnt. Weiterlesen