Katholischer Antisemitismus Verantwortung und Reaktionen

„Wir erleben eine Zeitenwende und das bedeutet, dass die Welt danach nicht mehr dieselbe ist wie die Welt davor.“ Diese Worte des Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022 klingen nach und es fällt auf, wie oft sie seitdem zitiert wurden. Was manche damals für ein pathetisches Politikerwort hielten, andere aus historischen oder weltanschaulichen Gründen heftig kritisierten, das hat sich inzwischen allzu sehr bewahrheitet und es kann ruhig offen bleiben, ob wir diese Ansage nicht schon früher hätten hören sollen. Denn wie sich inzwischen zeigt, ist noch mehr aus den Fugen geraten. Weiterlesen

Stark wie der Tod? Wie die Kirchen Ostern feiern

Den kirchlichen Verlustängsten zum Trotz bleiben die jährlichen Osterfeste am Leben, auch in unserer säkularisierten Gesellschaft. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie zu einem reichhaltigen Nährboden für zahllose kirchliche und säkulare, kollektive und private Bräuche, vom Osterfeuer und Gang zum Friedhof über den Osterspaziergang und den Osterurlaub, der Suche von Eiern und Schokoladehasen bis hin zu Osterbesuchen und dem Osternest bei Oma und Opa, die mit Geschenken nicht geizen. Seit einigen Jahren belebt die Kommerz die Sache nach Kräften. Weiterlesen

Orientierungsloser Orientierungstext. Ein Zwischenruf zum Synodalen Weg

Wem gehört diese Kirche?
Ist es die Kirche der Kardinäle und Bischöfe?
Nein, sie gehört uns Menschen!
Und es wird Zeit, dass wir sie in Besitz nehmen!
(Maria Mesrian und Lisa Kötter, in: Entmachtet diese Kirche, 2022)

Die Initiatoren des Synodalen Wegs (SW) haben sich viel vorgenommen. Voller Mut steckten sie die Hoffnungen so hoch, wie tief in Deutschland die römisch-katholische Kirche gesunken ist. Das Projekt soll der katholischen Kirche eine neue Zukunft eröffnen, indem es die Fragen aufarbeitet, die sich aus den Missbrauchsskandalen ergeben.

Im Dezember 2019 begann die offizielle Arbeit, nach zwei Jahren sollte sie vollendet sein. Doch die Pandemie verzögerte den Fortgang. Das hat die Arbeit nicht erleichtert und den Eindruck des Stillstands verstärkt, denn noch immer folgt eine Schreckensmeldung nach der anderen. Jedes Gutachten, jeder spektakuläre, angebotene oder vollzogene Rück- und Austritt, jedes bischöfliche Fehlverhalten, jeder dramatische Hilferuf und jeder Suizid löst neue Schockwellen aus. Dabei sprach Kardinal Marx im vergangenen April noch leichtfüßig von „Rezepten“, die einen Ausweg bringen sollen. Diese Wortwahl zeigt, dass man immer noch in Kategorien von verzeihlichem Fehlverhalten denkt. Wann endlich werden die Verbrechen ernstgenommen und die Reformschritte konkret? Weiterlesen

Die Häresie von der heiligen Macht. Wie sich die katholische Kirche neu erfinden muss

Am 1. April 2022 verbreitete Wir sind Kirche folgende Eilmeldung: „Wie wir aus speziellen Quellen erfuhren, hat Kardinal Reinhard Marx, München-Freising, sich soeben entschlossen, seinem Ruf als Reformbischof durch deutliche Taten gerecht zu werden. Angesichts der personellen Engpässe will er die Potentiale all seiner pastoralen Mitarbeiter*innen zugunsten der Gemeinden nun nutzen. Es ist ab sofort allen in der Pastoral Mitarbeitenden erlaubt, zu taufen, Eheschließungen zu assistieren, in Eucharistiefeiern zu predigen, zu beerdigen und in besonderen Fällen, die Krankensalbung zu erteilen. Um eventuell notwendige kirchenrechtliche Änderungen wird er sich dann nachträglich in Rom bemühen.“ Es war ein Aprilscherz mit doppelt entlarvender Wirkung. Zum einen wurde genannt, was selbst gemäß strenger kirchlicher Dogmatik möglich wäre. Zum andern verschwieg selbst Wir sind Kirche die noch entscheidenderen Mängel, dass nämlich zahllose ordinierte Priester unter uns leben, denen aus Gründen der Prüderie und Misogynie die Ausübung ihres Amtes verboten ist und dass zahllose kompetente Frauen unter uns leben, die in dieses Amt berufen werden könnten. Weiterlesen

Zum Überfall der Ukraine durch Putins Militär

Wladimir Putin hat in ruchloser Weise einen Krieg gegen die Ukraine eröffnet. Zahllose Länder stellen sich auf die Seite des überfallenen Landes, doch ausgerechnet Kyrill I., der Patriarch von Moskau, spricht von den Feinden Russlands und den „Mächten des Bösen“. Damit demütigt er ein Land, das in gewaltloser Weise seinen eigenen Weg wählen möchte. Weiterlesen

Verantwortung übernehmen – Verantwortung zeigen. Die Rolle der Religionen

Ich bin hier, um Alarm zu schlagen: Die Welt muss aufwachen. Wir stehen am Rande des Abgrunds und bewegen uns in die falsche Richtung. Unsere Welt war noch nie in größerer Gefahr und noch nie gespaltener. Wir stehen vor der größten Krisenkaskade unserer Lebenszeit. Weiterlesen

Eine Enzyklika über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft

Der bisweilen karg wirkende, aber stets freundlich gesonnene Papst Franziskus hat Sinn für Symbolik. Zum einen erkor er sich Ahmad Al-Tayyeb, den Großimam der Ashar-Moschee in Kairo und Rektor der dortigen Universität, zum offiziellen Gesprächspartner und verlieh seinem Schreiben damit einen interreligiösen Akzent. Zum anderen fuhr er von Rom eigens in das 200 km entfernte Assisi, um am Todestag am Grab seines Namenspatrons seine neue Enzyklika zu unterzeichnen. Schließlich verweist zum zweiten Mal der italienische Titel auf den Poverello. Weiterlesen

Wie gehen wir mit Verschwörungstheorien um? Zur Angstmache vor einer drohenden Weltregierung

Zu Recht hat das Manifest „Die Wahrheit wird euch freimachen“ in Kirche und Gesellschaft zu einer breiten moralischen Empörung geführt. Die Reihe seiner Verdächtigungen ist absurd, die Angst vor einer Weltregierung unbegründet, das kirchliche Anspruchsdenken überheblich, der Aufruf zum Widerstand gefährlich und dazu angetan, die Menschen noch mehr zu verunsichern, als sie es in der gegenwärtigen Krise ohnehin schon sind. Eine christlich motivierte Reaktion sollte sich jedoch mit den Endzeitvorstellungen beschäftigen, die in vielen Menschen noch tief verankert sind, von Kirchen, christlichen Gemeinden und Theologie aber seit lange vernachlässigt werden. Wir brauchen eine jesuanisch inspirierte und für die Gegenwart erneuerte Erzählung über das Ziel von Menschheit und Welt. So gesehen ist eine Auseinandersetzung mit diesem Manifest selbst nicht der Mühe wert. Es braucht aber eine weiterführende Antwort. Weiterlesen

Die Religionen und die Krankheit des Fundamentalismus – Im Gespräch mit Hermann Häring

Interview mit der SRF Sendung Perspektiven vom 17.12.2017

Vgl.: https://www.srf.ch/sendungen/perspektiven/die-religionen-und-die-krankheit-des-fundamentalismus

Im Namen der Religion geschieht weltweit Schreckliches. Und damit sind jetzt nicht nur Terroranschläge von Islamisten gemeint, selbst Buddhisten verfolgen in Myanmar Muslime mit großer Brutalität. Religionen wollen für Liebe und Barmherzigkeit stehen. Doch was nützen solche Ansprüche, wenn sich religiöse Menschen nicht daran halten? Diese Frage stellt sich der Theologe und Friedensforscher Hermann Häring. Häring war 25 Jahre lang Theologieprofessor in den Niederlanden. Seit seiner Emeritierung lebt er in Tübingen und arbeitet beim Projekt Weltethos und bei der Herbert Haag-Stiftung. Für ihn gilt das von Hans Küng geprägte Wort: „Kein Frieden auf Erden ohne Frieden unter den Religionen.“ Hans-Jörg Schultz hat sich mit Hermann Häring unterhalten. Weiterlesen

Zuerst Mensch! – Konsequenzen für den gesellschaftlichen Dialog – Thesen von Hermann Häring und Walter Lange

I.       Grundlegende Beobachtungen

1. »Die Welt aus den Fugen.« Mit diesem Shakespeareschen Buchtitel traf Pe­ter Scholl-Latour im Jahre 2012 den Nerv eines aufkommenden Zeitgefühls, das sich inzwischen voll ausgebildet hat.

2. Unsere Gesellschaft steht in einem gesellschaftlichen und kulturellen Um­bruch, der seinesgleichen sucht und uns ratlos macht. Weiterlesen

Religion und Politik – Quellen von Gewalt? Eine Gewissenserforschung

Einleitung

Weltweit hat sich die politische Großwetterlage verdüstert. Führende Politiker folgen offener denn je egoistisch-machtpolitischen Programmen. Für den Präsidenten der USA gilt „America first“, der Präsident der Türkei steckt Kritiker nach Belieben ins Gefängnis und Russland bricht ohne Wimpernzucken Menschen- und Völkerrecht. Die polnische, von den Brüdern Kaczyński gegründete PiS (Partei für „Recht und Gerechtigkeit“) führt ein autoritär aggressives Regime und die ungarische Fidesz („Ungarischer Bürgerbund“) propagiert unter Viktor Orbán einen „illiberalen“ Staat und agiert gegen muslimische Immigranten, die unter Todesgefahr aus Syrien flüchten. Matteo Salvini von der Lega Nord, seit 1. Juni 2018 Innenminister Italiens, lässt die italienischen Häfen für im Mittelmeer Gerettete schließen. Die Androhung und Ausübung von Gewalt hat in diesen Staaten ein Ausmaß erreicht, wie wir es seit 1990 nicht mehr für möglich hielten. Weiterlesen

Missbrauch der Macht – DNA der Kirche? Eine aktuelle Standortbestimmung

Ein Beitrag zur schweren Krise der römisch-katholischen Kirche. Wie tief steckt sie in der Falle? Warum fällt ihr eine innere Erneuerung so schwer? Viele Faktoren wirken zusammen und es ist nahezu unmöglich, den Beginn des unheilvollen Fadens aufzuspüren. Weiterlesen

Weihnachten 2017 – Eine Nachbetrachtung

Es liegt mal wieder hinter uns, das Fest aller Feste. Kinderaugen haben gestrahlt, die Kirchen waren voll, das vertraute Klischee von der seligen Weihnachtszeit zog Jung und Alt in seinen Bann. Keine Frage, auch ich habe mit meinen Angehörigen, unseren Enkeln zumal, schöne Stunden erlebt. Doch mir entgingen auch die gehetzten Mütter und Väter nicht, die sich zuvor durch die Kaufhäuser drängten, auf den Rechnern ihre Bestellungen durchtakteten und nervös auf die letzte Paketsendung warteten. Weiterlesen

Glaube zwischen Schrecken und Faszination

Zur Rolle von Leidenschaft und Gewalt in den Religionen

I. Gewalt im Vormarsch

Auf unserer Welt, in den politischen Auseinandersetzungen und kulturellen Entwicklungen, selbst im religiösen Denken ist Gewalt im Vormarsch. Vorbei sind die Hoffnungen, die uns beim Zusammenbruch der kommunistischen Systeme begleitet haben. Wir dachten, jetzt sei die Ära der Konflikte endlich zu Ende gegangen. Weiterlesen

Theologe über die Religionen und ihr Verhältnis zur Gewalt

Hermann Häring im Gespräch mit Philipp Gessler

In dem Moment, in dem Religionen politische Macht gewinnen, kann ein Primat der Gewaltlosigkeit oftmals nicht aufrechterhalten werden, sagt der emeritierte Theologieprofessor Hermann Häring. Dies zeige sich beispielsweise bei den Vertreibungen von Muslimen durch Buddhisten in Birma. Weiterlesen

Die Zwei Gesichter der Religionen

(C) H. Echelmeyer

Im vergangenen Jahrhundert hat man die ethischen und politischen Einflüsse der Religionen auf ihre Kulturen massiv unterschätzt. Seit 2001 gelten die Religionen als unerschöpfliche Quellen von Hass, Fanatismus und kriegerischer Gewalt. Die Zeit der Religionskriege ist zwar vorbei, aber bei vielen Krisenherden der Weltpolitik hängt es nicht zuletzt von religiösen Faktoren ab, wie sie verschärft oder befriedet werden können. Weiterlesen

Leidenschaft zwischen Schrecken und Faszination

Die Dynamik des Heiligen in den Religionen

Einleitung: „Das ist mir heilig“

Seit einigen Monaten veröffentlicht die Wochenzeitung DIE ZEIT wöchentlich einen kleinen Beitrag unter der Rubrik: „Das ist mir heilig“. Autorinnen und Autoren jedweder Couleur kommen zu Wort, darunter viele, die sich nicht religiös nennen. Umso erstaunlicher ist es zu lesen, was diesen Männern und Frauen wirklich heilig ist. Weiterlesen

Die Christen – ganz frei? Zur Meinungsfreiheit in der Kirche

Im Westen charakterisieren wir Christen uns gerne als Kinder der Freiheit und setzen uns so von einem unterdrückenden Islam ab. Doch so einfach ist das nicht. Ein Blick in die eigene Geschichte lässt uns bescheidener werden. Weiterlesen