Nicht heilig, sondern katholisch II

II. Nabelschau einer Konfession

„Vatikan bremst Bischöfe aus“, titelte die deutsche Presse. Einen Tag vor Beginn der Frühjahrskonferenz der deutschen Bischöfe in Augsburg (18.02.2024), sorgte ein Brief aus Rom für eine unerwartete Blockade. Zur Konstituierung des Synodalen Ausschusses, über den sich der “Synodale Weg“ im vergangenen Jahr geeinigt hatte, wurde kein Beschluss gefasst. Dieser Ausschuss hätte in aller Form eine erste verbindliche Kooperation von Bischöfen und Nichtbischöfen zu Reformfragen der Kirche in Kraft gesetzt. Diese römische Aktion führte unter Reformwilligen zu Entsetzen und Empörung, zu Recht. Doch dieser Eingriff konnte die Insider nicht wirklich überraschen, denn diese Blockade (man kann sie auch Ohrfeige nennen) folgte perfekt den Vorstellungen der exzellenten und eminenten Hardliner mit Wohnsitzen vor allem im Vatikan, ferner in Deutschland, schließlich auch in anderen Ländern bzw. Kontinenten. Allerdings haben sie keinerlei Unrechtsbewusstsein, wie ich hier zeigen möchte. Im Gegenteil, sie verteidigen schlicht die kirchliche „Staatsraison“, die sich seit den Gregorianischen „Reformen“ im 11. Jdt., wenn nicht gar seit den byzantinischen Kaisern kontinuierlich entwickelt und das römisch-katholische Denken bis in die letzten theologischen, pastoralen und juristischen Verästelungen durchdrungen hat und bis heute durchdringt. Weiterlesen

Katholischer Antisemitismus Verantwortung und Reaktionen

„Wir erleben eine Zeitenwende und das bedeutet, dass die Welt danach nicht mehr dieselbe ist wie die Welt davor.“ Diese Worte des Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022 klingen nach und es fällt auf, wie oft sie seitdem zitiert wurden. Was manche damals für ein pathetisches Politikerwort hielten, andere aus historischen oder weltanschaulichen Gründen heftig kritisierten, das hat sich inzwischen allzu sehr bewahrheitet und es kann ruhig offen bleiben, ob wir diese Ansage nicht schon früher hätten hören sollen. Denn wie sich inzwischen zeigt, ist noch mehr aus den Fugen geraten. Weiterlesen

Psychiater Lütz behandelt die Falschen. Wie ein Nachruf im Verteidigungsdruck implodiert

Beginn Februar 2023 veröffentlichte die NZZ einen Gastbeitrag des Psychiaters und Theologen Manfred Lütz über Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.. Bei manchen Verehrerinnen und Verehrern des Verstorbenen löste der Text Begeisterung aus, doch andere ließ er ratlos zurück. Zwar versuchte er einen Lobpreis, doch wider Willen demontierte er seinen Helden. Was hat Lütz von seiner Überfigur zu berichten? Weiterlesen

Das verhängnisvolle Vatikanum 2 – Ein Nachruf

Das 2. Vatikanische Konzil wurde im Oktober 1962, also vor 60 Jahren eröffnet, dauerte 3 Jahre und gilt als wichtigster Einschnitt in der jüngsten Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Es greife gesellschaftliche Tendenzen der Erneuerung auf, öffne den Blick auf andere Religionen und erkenne zum ersten Mal das Grundrecht der Religionsfreiheit an, könne sogar als Vorläufer der gegenwärtigen Bestrebungen für eine Synodale Kirche gelten. So beurteilt in einem Interview der Jesuit Andreas Battlog dieses Ereignis. Weiterlesen

Eine Kultur des Narzissmus. Was wir aus dem Missbrauchsgutachten lernen

Am 20. Januar 2022 legte die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein lange erwartetes und vielbeachtetes Gutachten vor. Auf 1893 Seiten zieht es eine „Bilanz des Schreckens“, in der Hunderte von Missbrauchsverbrechen und deren konsequente Vertuschung seit 1945 zur Sprache kommen; zur Debatte stehen Vorgänge im Erzbistum München-Freising sowie die Einordnung dieser Unheilsgeschichte in das System katholische Kirche. Besondere Brisanz erhält es durch die Ausführungen zum Versagen der Kardinal-Erzbischöfe Joseph Ratzinger, Friedrich Wetter und Reinhard Marx. Weiterlesen

Kardinal Marx überschätzt seine Rolle

Ein Gespenst geht um in Europa –
das Gespenst des Kirchenzerfalls.

Eigentlich sollte mich nach einer Skandalfolge von über 60 Jahren in meiner Kirche nichts mehr überraschen, doch das hätte ich nicht für möglich gehalten. Kardinal Marx, der sprachfreudige, optimistisch agierende Machertyp des deutschen Katholizismus, bietet dem Papst seinen Rücktritt an und steht für eine Schuld ein, in die er weniger verstrickt ist als viele seiner Kollegen. Zwar kommt sein Eingeständnis erst elf Jahre, nachdem in Sachen sexueller Gewalt die Alarmglocken anschlugen, doch es kommt in einem unerwarteten Augenblick; Überraschung gelungen. Weiterlesen

Bravo, Herr Bischof! Zu den Drohworten aus Passau

Erinnerung verpflichtet

Endlich hat ein „Kirchenfürst“ wieder den Mut, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Unverblümt will er uns zeigen, wo gemäß seiner Überzeugung die Grenzlinien reformerischer Provokation verlaufen und wo sie überschritten werden. Ist das ein neuer Ton? Im Jahr 2021 kann er schon überraschen, schließlich sind die Hierarchen in der Defensive. Wie gut, dass wenigstens einer aus der Deckung kommt. Weiterlesen

Verdrängte Blockaden der katholischen Kirche

Was die katholische Kirche noch immer verdrängt

I. HANS KÜNGS ERBE

Am 6. April 2021, heute also vor einer Woche ist Hans Küng verstorben. War er  Kirchenkritiker? Großer Theologe? Streitbarer Geist? Rastloser Sucher? Alle diese Etiketten greifen zu kurz. Hans Küng war ein Multitalent und glänzender Kommunikator, in der Gregoriana mit einem universalen Wissenskanon ausgebildet. Allerdings war ihm klar: Sämtliche Wissenssysteme waren im Umbruch, auch deren theologische Durchdringung war neu zu leisten. Mit ungeheurer Energie und einer glühenden Leidenschaft wollte er die neuen Grenzen ausloten. Weiterlesen

Zum Tod eines großen Theologen

Hans Küng und seine Kirche

Der Tod eines Menschen ändert den Blick auf ihn. Es ist, als ob ein See erstarrt, keine Wellen mehr aufwirft, nie mehr über die Ufer tritt, keine Überraschungen mehr bietet. Jetzt kann man endgültig sagen, wer dieser Mensch war und was er für die Nachwelt bedeutet. Trotz schwerer Krankheit ist Hans Küng in den vergangenen Jahren nur langsam verstummt. Noch kein Jahr ist es her, dass der letzte Band seiner Sämtlichen Werke unter dem Titel Begegnungen erschien. Nichts anderes könnte dieses überreiche, spannungsvolle und mit Konflikten überladene Leben besser charakterisieren. Weiterlesen

Ist Gott wirklich Mensch geworden?

Theologische Nach(t)gedanken zum Weihnachtsfest

Seit Jahrhunderten wird Weihnachten in unserem Kulturraum als ein reiches und vieldimensionales Fest erfahren. Sie wirkte als eine enorm fruchtbare Geburtsstätte von Sitte und Brauchtum. Kein anderer Tag hat im Christentum so viel Volksnähe erreicht und so bewegende Emotionen geprägt. Das spricht für das Fest, setzt es aber auch zahllosen Verfremdungen, Missverständnissen und Banalisierungen aus. Weiterlesen

25 Jahre Erklärung des Weltparlaments der Religionen Was hat sie bewirkt – wie ist sie fortzuschreiben im Blick auf Europa?

Es mag sich zynisch anhören: Bis zum Jahr 1989 herrscht in den weltpolitischen Verhältnissen der nördlichen Halbkugel noch Ordnung. Westmächte und Ostblock waren eindeutige Zuweisungen; der Kalte Krieg sorgte innerhalb der beiden Machtsphären für Disziplin. Doch in den 1980er Jahren beginnt die Sowjetunion zu zerfallen. Im März 1985 erreicht Michail Gorbatschow den Gipfel der Macht, mit Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umbau) leitet er das Ende des Kalten Krieges ein, was ihm letztlich seine eigene Macht kostet. Weiterlesen

Durchbruch oder trotzige Selbstbeschwörung? – Der Synodale Weg hat sich noch nicht gefunden

Als erster warf Kardinal Marx das Zauberwort in die Debatte und machte damit Eindruck: In Deutschland sollte sich die römisch-katholische Kirche auf einen „Synodalen Weg“ [SW] begeben und damit das durch Missbrauch und Vertuschung verlorene Vertrauen der römisch-katholischen Kirche zurückgewinnen. Die meisten Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken schlossen sich dem Vorschlag an und bald wurden erste Schritte gesetzt. Man erarbeitete eine Satzung, bestimmte die Mitglieder der verschiedenen Gremien und einigte sich auf vier Kernthemen: kirchliche Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Frau in der Kirche. „Wir müssen reden!“, sagte man sich. Wer wollte das bestreiten? Weiterlesen

„Warum ich katholisch bleibe“ Zum Missio-Entzug von Hans Küng vor 40 Jahren

15. Dezember 1979: Johannes Paul II., im Kirchenkampf schon bestens erprobt, lässt seine Glaubenskongregation erklären, Hans Küng könne weder als katholischer Theologe gelten, noch als solcher lehren. Zwar konnte er die Folgen dieses Schrittes nicht absehen, doch Gründe dafür konnte er unschwer finden: Küngs Unfehlbarkeitskritik verachte das kirchliche Lehramt und in Christsein leugne er die Wesensgleichheit Christi mit dem Vater sowie die Jungfrauschaft Mariens, ferner irre er beim gültigen Vollzug der Eucharistie. Weiterlesen