Was kommt nach Kardinal Müller?

Erwarten uns dunkle oder goldene Tage? Kardinal George Pell ist vorerst abgereist, Kardinal Gerhard Müller bleibt ohne Amtsverlängerung mit Schwert und Feuereifer in der Arena zurück und Kardinal Joachim Meisner, der sein Kölner Amt 1989 unter Beugung des Wahlrechts antrat, ist unerwartet verstorben. Weiterlesen

Kardinal Marx überschätzt seine Rolle

Ein Gespenst geht um in Europa –
das Gespenst des Kirchenzerfalls.

Eigentlich sollte mich nach einer Skandalfolge von über 60 Jahren in meiner Kirche nichts mehr überraschen, doch das hätte ich nicht für möglich gehalten. Kardinal Marx, der sprachfreudige, optimistisch agierende Machertyp des deutschen Katholizismus, bietet dem Papst seinen Rücktritt an und steht für eine Schuld ein, in die er weniger verstrickt ist als viele seiner Kollegen. Zwar kommt sein Eingeständnis erst elf Jahre, nachdem in Sachen sexueller Gewalt die Alarmglocken anschlugen, doch es kommt in einem unerwarteten Augenblick; Überraschung gelungen. Weiterlesen

Widerspruch ja, aber wogegen? Die römische Instruktion fordert eine „pastorale Umkehr der Pfarreien“

Unerwartet hat die römische Instruktion zur „pastoralen Bekehrung“ (29.06.2020) viele Bischöfe und die Reformkräfte im Widerspruch vereint. Diese römische Pfarrei-Instruktion hat zu einer breiten Protestwelle geführt. Dass Reformgruppen ihren Widerspruch einlegten, war zu erwarten. Neu war, dass sich 14 von den 27 deutschen Diözesanbischöfen dem Widerspruch anschlossen. Weiterlesen

Anima Christi – Einem Gebetstext auf der Spur

Erinnerung

Dieses Gebet spielte viele Jahre meines Lebens eine wichtige Rolle. Als Kinder beteten wir es im Gottesdienst nach der Kommunion, noch immer klingen die hellen und klaren Stimmen in meinen Ohren. Wegen seiner bilderreichen Sprache liebte ich das Gebet, es handelte von einem Leib zum Anfassen, von Blut, Wasser und Wunden, aber auch von der Todesstunde, die mich damals nicht schreckte, sondern neugierig machte. Wenigstens einmal hätte ich sie gerne zum Ausprobieren erlebt. Es lautet: Weiterlesen

Die Religionen und die Krankheit des Fundamentalismus – Im Gespräch mit Hermann Häring

Interview mit der SRF Sendung Perspektiven vom 17.12.2017

Vgl.: https://www.srf.ch/sendungen/perspektiven/die-religionen-und-die-krankheit-des-fundamentalismus

Im Namen der Religion geschieht weltweit Schreckliches. Und damit sind jetzt nicht nur Terroranschläge von Islamisten gemeint, selbst Buddhisten verfolgen in Myanmar Muslime mit großer Brutalität. Religionen wollen für Liebe und Barmherzigkeit stehen. Doch was nützen solche Ansprüche, wenn sich religiöse Menschen nicht daran halten? Diese Frage stellt sich der Theologe und Friedensforscher Hermann Häring. Häring war 25 Jahre lang Theologieprofessor in den Niederlanden. Seit seiner Emeritierung lebt er in Tübingen und arbeitet beim Projekt Weltethos und bei der Herbert Haag-Stiftung. Für ihn gilt das von Hans Küng geprägte Wort: „Kein Frieden auf Erden ohne Frieden unter den Religionen.“ Hans-Jörg Schultz hat sich mit Hermann Häring unterhalten. Weiterlesen

Der Ex-Papst kartet nach – Welche Rechnung will er begleichen?

Höfische Sitten im Schattenvatikan, die komplizierter nicht sein könnten. Ein Ex-Papst nimmt „in liebenswürdiger Weise“ die Einladung zur Diskussion eines offiziellen Vatikanischen Papiers auf, das sich im Dez. 2015 zum Verhältnis von Christentum und Judentum zu äußern geruhte. Weiterlesen

Der Stellvertreterkrieg von Kardinal Woelki

„Bischöfe wollen Kommunionempfang für protestantische Ehepartner“, so titelte die KNA am 22.02.2018 etwas zu forsch, denn so eindeutig war der Wille der Bischofskonferenz nicht. Die Beschlussvorlage, schon vor einem Jahr kontrovers besprochen und seitdem „auf einem guten Weg“ (Kardinal Marx), löste erneut eine intensive Debatte aus, fand aber auch jetzt keine einmütige Zustimmung und wurde wegen angemahnter Änderungswünsche noch immer nicht veröffentlicht. Zudem wies Marx beschwichtigend darauf hin, es handle sich um kein dogmatisches, sondern (nur?) um eine „pastorale Handreichung“. Das alles machte keinen sehr entschlossenen Eindruck. Weiterlesen

„Sie werden mich nicht verstehen“ – Bischof Kohlgraf hat sein Thema noch nicht gefunden.

Er ist freundlich und offen, lächelt ausgeglichen und was er in den letzten Jahren geschrieben hat, lässt viele hoffen. Musterzitate aus seinen letzten Büchern sind im Umlauf. Kirchliches Amt bedeute Beziehungsarbeit, Kommunikation und Hinhören, Diakonie sei ein Lebensvollzug der Kirche und es gelte, andere Leute nie für dümmer oder unmoralischer zu halten als sich selbst. Das sind Programmpunkte, die man gerne hört. Weiterlesen

Warum wurden Sodom und Gomorrha vernichtet?

Abschied von einem gängigen Klischee

Warum wurden Sodom und Gomorrha vernichtet? Die Antwort vieler Christen und anderer Menschen ist eindeutig: Sodom und Gomorrha waren von Gott verfluchte Nester der Homosexualität, wenn nicht gar des Sex mit Tieren. Doch die Schrift verweist dieses Gerücht in das Reich der Phantasie. Weiterlesen

Das Familiengeheimnis der römischen Kirche

Es rumort in Rom. Mitte November 2016 schrieben vier Kardinäle an den Papst einen offenen Brief. Sie stellten ihm vier Fragen zu seinem Schreiben Amoris laetitia. Das war ein außerordentlicher Schritt. Das Echo, das dieses Quartett bei Kritikern und Verteidigern auslöste, hallt immer noch nach. Der Papst reagierte irritiert. Am 23.12.2016 sprach Franziskus von „bösartigen Widerständen“ und davon, dass die Reformverweigerung oft „im Schafspelz“ daherkommt. Weiterlesen

Zur Ambivalenz des Papstbriefes Amoris laetitia

Eine andere Sprache – ein anderes Gespräch

In den ersten Tagen nach Erscheinen des päpstlichen Schreibens Amoris laetitia haben die Medien meist sehr freundlich reagiert. Dafür gab es gute Gründe, denn verglichen zum rigiden Moralismus und schulmeisterlichen Ton früherer kirchenamtlicher Dokumente wirkt dieser Text wie ein verständnisvoller und empathischer Windhauch, der dem früheren Rigorismus abschwört und weitere Öffnungen verheißt. Weiterlesen

Wer setzt sich durch? – Der Papst im Clinch mit den Hardlinern

Zum Nachsynodalen Apostolischen Schreiben AMORIS LAETITIA

Wer die Enzyklika LAUDATO SI‘ gelesen hat, ist über Ansatz und Stil nicht überrascht. Papst Franziskus bemüht sich um eine anschauliche und eindeutige Sprache. Er erdet seine Themen pastoral und konkretisiert sie in vielfältigen Situationen. Es will unbefangen, „kirchentreu, ehrlich, realistisch und kreativ“ ans Werk gehen (Nr. 2). Zugleich macht er schon zu Beginn des Schreibens klar, „dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen“ (Nr. 3). So präsentiert er sich als ein Mann nicht der päpstlichen Doktrin, sondern der pastoralen Praxis. In vielen der 325 Nummern (9 Kapitel und 188 Seiten) erweckt er den Eindruck, als wolle er auch keinen einzigen Aspekt der Thematik auslassen; das wirkt bisweilen ermüdend. Doch ähnlich wie bei LAUDATO SI‘ fordert er die Leser dazu auf, das Schreiben „nicht hastig ganz durchzulesen“. Weiterlesen

Jorge Bergoglio – Pontifikat und Reformen nach zwei Jahren

Ein theologischer Blick aus Deutschland

Nach Meinung vieler gehört zu den positiven Aspekten von Bergoglios Wahl zum Papst die Tatsache, dass mit der eurozentrischen Dynastie im Vatikan gebrochen wurde. Aus deutscher Sicht analysiert Hermann Häring in einem E-Mail-Interview für IHU On-Line, wie Franziskus eingeschätzt wird, welche Herausforderungen und Fortschritte seine Wahl bedeutet. Was unmittelbar überrascht, ist die positive Reaktion des deutschen Volkes. Häring erklärt: „Nach dem ersten Schock, den der Rücktritt von Benedikt XVI. ausgelöst hatte, spielen nationale Gefühle (Abschied von einem deutschen Papst) nur eine geringe Rolle. Unabhängig von der Position einzelner Bischöfe verhält sich die Deutsche Bischofskonferenz (noch) auffällig neutral. Von aktivem Enthusiasmus ist wenig zu spüren. Deshalb fordern katholische Reformgruppen die deutschen Bischöfe mit wachsender Intensität dazu auf, sich eindeutig mit den Reformzielen des Papstes zu solidarisieren und gegen die neuesten kurialen Widerstände Stellung zu nehmen.“
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In der Angstfalle

Der Vorwurf des Fundamentalismus ist schnell gemacht. Aber welche Religion ist frei davon?

„Die Zeit ist aus den Fugen.“ Seit dem 7. Januar, dem Tag der Pariser Attentate, denke ich immer an diese Zeile aus dem „Hamlet“ von Shakespeare. Bis dahin registrierte ich, letztlich gefasst, die Schreckensberichte aus dem Irak, aus Syrien, Afghanistan oder Pakistan. Die New Yorker Anschläge von 9/11, zweifellos ein Höhepunkt terroristischer Gewalt, schienen ein singuläres Ereignis zu sein. Morde in Madrid (2004) und London (2005), selbst die Grausamkeiten in Nigeria nahm ich in der Hoffnung hin, dass sich solche Taten nicht wiederholen. Doch Paris hat uns nun näher an politische Abgründe geführt. Weiterlesen

Mineralwasser statt Prosecco- Synode der enttäuschten Hoffnungen

Zur Familiensynode vom 4. bis 19. Oktober 2014 in Rom

„Ehe und Familie“, wen sollte dieses Thema nicht interessieren! Die Katholikenbefragung und die Kardinalskonflikte im Vorfeld sorgten für hohe Erwartungen. Zudem war die Inszenierung des Treffens der freundlichen Herren in papstweiß, purpur- und zinnoberrot perfekt. So herrschte zu Beginn der vatikanischen Familiensynode bei der Presse, den geladenen Gästen und selbst bei vielen Teilnehmern eine euphorische Stimmung. Der neue Papst unterstützte – durchaus ehrlich gemeint ‑ mit Handschlag und Schokoladenkeksen glänzend diese Atmosphäre. Von einer historischen Stunde berichteten nach einer Woche die Medien, gegen Ende von Enttäuschung. Der Theologin Ute Eberl aus Berlin, als Gast zum Treffen geladen, war, wie sie sagte, erst nach Prosecco zumute, gegen Ende ließ ihre Stimmung nur noch Mineralwasser zu. Weiterlesen

Gefangen in der Dauerkrise

Die Kritik des belgischen Bischofs Johan Bonny an der kirchlichen Haltung zu Ehe und Familie ist richtig. Doch sie bleibt auf halbem Weg stehen

Viele reformwillige Katholiken begrüßen die detaillierte und unerschrockene Kritik des Antwerpener Bischofs Johan Bonny an den römisch-katholischen Positionen zu Ehe, Familie und Sexualität (Publik-Forum 17/2014). Am meisten scheint ihn zu beschäftigen, dass die Bischöfe der Weltkirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil alle Kraft zur gegenseitigen Kommunikation verloren haben. Damals, so Bonny, hätten sie alle noch zusammengearbeitet und mit hohem Konsens ihre Dokumente verabschiedet. Dann sei es ‑ wenigstens in Sachen Ehe- und Sexuallehre ‑ bergab gegangen. Weiterlesen

Heiligsprechungen im Hundertmaß

Das Guinessbuch der Rekorde lässt grüßen

Wer hat die meisten Heiligen kreiert? Unter Insidern galt die Antwort als unbestritten. Johannes Paul II. hat nicht nur eine Inflation der Selig- und Heiligsprechungen ausgelöst, sondern er darf dafür auch ins Guinessbuch der Rekorde. Mit 1338 Selig- und 482 Heiligsprechungen, also mit insgesamt 1820 Kanonisierungen hat er einen einsamen Rekord erzielt. Weiterlesen

Papst Franziskus – ein neuer Franz von Assisi?

Am 13. März 2013 war die Überraschung perfekt: Ein argentinischer Jesuit, Jorge Maria Bergoglio, wurde Papst und wählte den Namen Franziskus. Für Insider steckten in dieser Nachricht gleich drei Sensationen: ein Argentinier wurde Bischof von Rom, ein Jesuit Papst. Dazu nahm er sich die Freiheit, sich Franziskus zu nennen. Weiterlesen

Ein Akt der Selbstverherrlichung

Zur Heiligsprechung zweier Päpste

Wieder einmal wird Rom einen Besucher- und Medien-Hype erleben. Polen, Italiener und alle anderen Papstbegeisterten werden jubeln und glücklich sein. Warum? Gemeinsam werden zwei Päpste heiliggesprochen, die gegensätzlicher kaum sein könnten. So werden die Fans von beiden den Petersplatz füllen und gemeinsam jubeln. Aber wie selten prallen die inneren Widersprüche dieses Festtags so massiv aufeinander. Zwei Päpste, die gegensätzlicher kaum sein könnten, werden heiliggesprochen und man kann sich überlegen, ob man Gegensätze versöhnen will oder ob Johannes XXIII. nur als Alibi für Johannes Paul II. benutzt werden soll. Weiterlesen

Blattgold statt Sandalen

Der Streit um Tebartz-van Elst artet zum Glaubenskrieg um die Vorgängerbischöfe aus

Nicht nur im Bistum Limburg, auch in Rom ist die Diskussion um Tebartz-van Elst neu aufgebrochen. In und um Limburg entfalten schlichtere Gemüter einen Shitstorm mit dessen unappetitlichem Vokabular; die Angegriffenen versuchen, dies nicht ernst zu nehmen. Weiterlesen

Freude des Evangeliums – Freude am Evangelium

Zum Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium

Freude des Evangeliums (evangelii gaudium) lauten die Anfangsworte der programmatischen Reformschrift, die Papst Franziskus am 26.11.2013 veröffentlichte. In ihr wirbt der Papst für einen missionarischen Gestaltwandel der Kirche und die Umgestaltung der Seelsorge. Er denkt an eine Neuausrichtung, die keinen Aufschub duldet und die alle Strukturebenen umfasst: Basisgemeinden und Pfarreien, Teilkirchen und das Bischofsamt (eingebunden in Mitspracheregelungen und innerkirchliche Dialoge), gestärkte Bischofskonferenzen mit authentischer Lehrautorität. Einbezogen wird selbst eine „Neuausrichtung des Papsttums“, dessen Vorrangstellung (technisch als Primat definiert) sich neuen Situationen öffnet. Weiterlesen

Ein autistisches System

2. September 2013

Lieber Mitstreiter,
Ihnen herzlichen Dank für Ihre Zeilen und die Übermittlung des Briefes von Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst an die Mitglieder seiner Diözese vom 31. August 2013. Wie viele Reformwillige unserer Kirche verfolgte ich die Affäre in den vergangenen Monaten mit wachsender Empörung. In den vergangenen Tagen habe ich u.a. den ausführlichen, präzis recherchierten Artikel von Volker Zastrow (FAZ vom 4. August) durchgearbeitet. Und nun noch das Interview, das am 30. August vom Domradio mit dem Bischof geführt wurde; unglaublich! Weiterlesen

Von Benedikt XVI. zum ersten Franziskus

„Nun ist es wieder interessant, katholisch zu sein.“

Dieses Wort von Erzbischof Zollitsch lässt vielsagende Rückschlüsse zu. Auf den ersten Blick ist die Stagnation der Ära Benedikt überwunden. Dem bekennenden Europäer folgt ein Lateinamerikaner nach. Ein Jesuit, der das Papstamt gar nicht annehmen dürfte, lässt sich wählen und nimmt (seit 1131 Jahren zum ersten Mal) einen Namen an, den zuvor noch kein Papst getragen hat. Den hochoffiziellen Augenblick seiner Akklamation entzaubert er mit dem Alltagsgruß „Guten Abend“, und den hoheitlichen Segensgestus kehrt er um, indem er die Volksmenge um ihren Segen bittet. Zu den Umhängen von Hermelin, Samt und Brokat soll er bemerkt haben: „Der Karneval ist vorbei.“ Weiterlesen

REDE VON KARDINAL KASPER VERDIENT DIE ROTE KARTE

Auf einem Studientag während der Früjhahrskonferenz der deutschen Bischöfe im Februar 2013 plädierte Kardinal Kasper für ein neues Diakonenamt für Frauen, doch sollte dieses mit keiner Funktion am Altar verbunden sein. Die „sakramentale Struktur“ der Kirce müsse den Männern vorbehalten bleiben. Er konnte damit nicht überzeugen.

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Stoppt die Papstwahl

Für eine zweijährige Frist zu Besinnung und Reform

Innerhalb und außerhalb der Kirchen führt die angekündigte Papstwahl zu einer Welle von Wünschen, Reformerwartungen und Vorschlägen zur Person des neuen Papstes. Das zeigt, dass die Menschen von dieser Institution noch viel erwarten. Zugleich aber wird der neue Papst mit übermenschlichen, geradezu messianischen Hoffnungen überladen. Das ist irreal und widerspricht einem schriftgemäßen Petrus-Dienst. Ich fordere deshalb, dass die Papstwahl, die unter den aktuellen Bedingungen zu keinem legitimen Ergebnis führen kann, für zwei Jahre aufgeschoben wird. Weiterlesen

Pluralisierte Weltkirche und ein souveräner Papst

Diagnosen und Visionen am Beginn eines neuen Pontifikats

Herr Professor Häring, Sie sagen, das kirchliche Wahrheitsverständnis ist der eigentliche Knackpunkt, wenn man mit der Kirchenreform weiterkommen will, und es hilft nicht, für die Frauenordination und für dieses und jenes einzutreten. Weiterlesen

Kirchenamtliche Allergien – Ökumenischer Aufbruch beendet

Von der Inkonsequenz zur Selbstblockade

 

Kein Geringerer als Kardinal Kasper spricht neuerdings von gelähmter Ökumene, fügt aber beschwichtigend hinzu, dies gehöre zum normalen Auf und Ab. Ich habe da meine Zweifel. Viel eher sollten wir uns an die konziliaren Geburtsfehler katholischer Ökumene erinnern. In der Nacharbeit wurden sie nie behoben, jetzt führen sie zum Kollaps.

Ökumene ist ja keine konziliare Erfindung. Seit 1947 gibt es den Weltrat der Kirchen und katholischerseits war gute Vorarbeit geleistet. Das Konzil nutzt diesen Tatbestand, erhebt die Ökumene zum Kirchenprogramm und gibt hilfreiche Anweisungen. Die noch verbleibenden Widerstände, so meinten wir, ließen sich mit Studien und Gesprächen regeln. Wir wollten uns durch die Minenfelder robben, um sie in geduldiger Räumarbeit wieder begehbar zu machen. Irgendwann, so die Illusion, würden dann Grundentscheidungen fallen: Lösungen zur Anerkennung und Gastfreundschaft mit dem Ziel einer versöhnten Verschiedenheit.

Doch Kommissionen wurden mit systemkonformen Personen besetzt und kritische Geister hat man an den Rand gedrängt. Jetzt begann eine Dauerblockade, die bisherige Berührungsängste in kirchenamtliche Allergien verwandelte. DOMINUS IESUS (2000) lässt sich als Offenbarungseid dieser ernüchternden Entwicklung lesen.

Dem Konzil ist diese katastrophale Entwicklung nur indirekt anzulasten. Zweifellos initiierte das Ökumenismusdekret einen machtvollen Versöhnungsprozess, doch blieb es bei der selbstgefälligen Option, nur[!] durch die katholische Kirche könne man voll zum Heil gelangen (Nr. 3). An Dogmen und Petrusprimat wurde nicht gerüttelt. Die nachkonziliaren Kirchenleitungen hätten diese offene Flanke bereinigen und sich dem Kern der Differenzen stellen müssen. Denn zurecht bestand die Reformation auf einer verschärften Priorität der Schrift, der Relativität des katholischen Heils- und der Unhaltbarkeit des römischen Führungsmonopols. Zudem war ein neuer Denk- und Sprachtypus entstanden, der – wie bei der Rechtfertigungsfrage versucht – mit den althergebrachten Positionen nicht einfach abzugleichen ist.

Kardinal Kasper, lange Ökumenechef in Rom, spricht von einer „gelähmten“ Ökumene, flößt aber selbst den gelähmten Gliedern keine neue Bewegung ein. Sein letztes Buch zeigt das Dilemma einer sich liberal gebenden Ökumenestrategie. Sie zementiert nur die römischen Ansprüche, indem sie sich unkritisch auf das Konzil beruft und damit für lange Zeit alle Fortschritte blockiert.

Trotz dieser katastrophalen Situation wächst Ökumene auch im katholischen Raum, dies gegen die entschiedene Order von Bischöfen und Papst. Man mag über diese Lösung unglücklich sein, sie als Ungehorsam oder Revolution verurteilen. In jedem Fall muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Bei unbefangenem Blick ließ sich ja voraussehen, was jetzt geschieht, wie also die Konzilstexte durch das Handeln und den Glauben einer Kirche von unten her weitergeschrieben werden. Andere aufrechte Lösungen gibt es nicht.

Mythos Konzil?

Oder: Wie der verträumte Blick zurück Reformen verhindert

Der Eindruck, den das 2. Vatikanische Konzil in der römisch-katholischen Kirche hinterließ, war gewaltig; noch heute scheint er ungebrochen zu sein. Doch bis heute wird gestritten über die Botschaft der 16 Dokumente, die diese Megaversammlung der römisch-katholischen Kirche in nur drei Jahren verabschiedete; die Glaubensgemeinschaft ist polarisierter denn je. Was sind die Gründe für diese fatale Entwicklung? Von Anfang an war klar, dass dieses Konzil härteste innere Konflikte zu überstehen hatte, und immer wieder stellte sich die Frage: Wurde es wirklich vom Geist geleitet oder blieb es von der Kurie geknebelt? Wer so kontrastfreudig fragt, provoziert natürlich eine differenzierte Antwort, die etwa in der Mitte liegt. Weiterlesen

Theologe über die Religionen und ihr Verhältnis zur Gewalt

Hermann Häring im Gespräch mit Philipp Gessler

In dem Moment, in dem Religionen politische Macht gewinnen, kann ein Primat der Gewaltlosigkeit oftmals nicht aufrechterhalten werden, sagt der emeritierte Theologieprofessor Hermann Häring. Dies zeige sich beispielsweise bei den Vertreibungen von Muslimen durch Buddhisten in Birma. Weiterlesen

Überweltlich

Der Papst fordert eine entweltlichte Kirche

Was für ein Thema und welch eine Gelegenheit! Da spricht der Repräsentant einer weltweit vernetzten Glaubengemeinschaft zur wichtigsten Frage, die Christen heute bewegt: Wie sollen wir uns in einer hochkomplizierten, orientierungslos gewordenen Welt verhalten? Was haben Christen in diesem mörderischen Chaos zu sagen? Wie koordinieren wir in dieser Weltsituation Glauben und Handeln, Aktion und Spiritualität, Weltgestaltung und hoffendes Gebet? Das innere Gleichgewicht vieler Kirchen droht an dieser Frage zu zerbrechen. Weiterlesen

Vom Mühlstein um den Hals

Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche

Wer einem Kind Böses antut, ist mit einem Mühlstein um den Hals im Meer zu versenken (Mt 18,6). In diesem Jesuswort verbirgt sich höchste Dramatik um Leben und Tod. Gilt es noch oder sollen wir es als apokalyptische Übertreibung relativieren? Immerhin, viele Missbrauchserfahrungen enden im Suizid. Warum also nicht diejenigen mit dem Tod konfrontieren, die solchen Tod in Kauf nehmen? Weiterlesen

„Benedikt versteht die Moderne nicht“

Tübinger Theologe kritisiert Kirchenoberhaupt

Vor fünf Jahren titelte die „ Bild“-Zeitung „ Wir sind Papst“. Wo steht die katholische Kirche heute?

HERMANN HÄRING:
Die Euphorie ist weg. Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise, die sich langsam aufbaute. Papst Benedikt ist in einige Fettnäpfchen getreten: Weiterlesen

Brief an die Iren: Not erkannt, Ausweg verfehlt

Bestandssicherung neuer Visionen

1. Ein eindringlicher Brief

Der Papst hat der irischen Kirche einen eindringlichen Hirtenbrief geschrieben. Anders als in einer Enzyklika wendet er sich an die Kirche nur eines Landes und anders als in den großen Lehrschreiben geht es hier um kein umfassendes Lehrthema, sondern um einen Skandal. Zwar schwelt er schon seit Jahren, aber jetzt ist er in unerwarteter Härte explodiert. So ist die päpstliche Sorge in jedem Abschnitt zu spüren: Das Übermaß der Verbrechen, Missbrauch und sadistische Exzesse haben auch ihn erschüttert. Er sieht die irische Kirche in einer tiefen Krise und die Kirchen anderer Länder schließt er wohl ein. Weiterlesen

Korpsgeist und Körper

Sexueller Missbraucht im Schutz der katholischen Kirche. Erklärungsversuch eines Theologen

Die Canisiusschule in Berlin ist wegen Missbrauchs von Abhängigen ins Gerede gekommen. Und viele fragen sich: Warum ausgerechnet diese Schule? Sie ist als katholische Eliteinstitution bekannt und angesehen. Sie wird geleitet von anerkannten Männern des katholischen Eliteordens schlechthin. Das Debakel passiert ausgerechnet in einer Phase, da sich die katholische Kirche in Berlin auch auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet ein gutes Renommee aufbaut. 20 % der Schüler sind zudem evangelisch und die Jesuiten gelten auch unter Benedikt XVI. n Weiterlesen

Edward Schillebeeckx – in Memoriam

Am Abend des 23.12.2009 ist Edward Schillebeeckx OP in Nijmegen verstorben. E. Schillebeeckx, geboren am 12. November 1914 in Antwerpen, seit 1934 Mitglied des Dominikanerordens und einer der einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts, 1957-1982 Theologieprofessor an der theologischen Fakultät Nijmegen, hat eine der interessantesten Epochen der katholischen Kirche miterlebt, mitgestaltet und miterlitten. Weiterlesen

Kirche in der Welt – Wider die Privatisierung der Religion

In den vergangenen Tagen erreichten uns gehäuft Meldungen über eine seltsam missionarische Initiative von Atheisten. Nach dem Vorbild von London sollen jetzt auch in deutschen Städten Busse mit dem Slogan fahren: „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott.“ Die Reaktionen sind heftig; die meisten Stadtwerke lehnen die Initiative ab. Viele überzeugt Glaubende hingegen erklären, sie hätten damit keine Probleme. Weiterlesen

Intelligenz und biblischer Glaube

 

Es ist ein tief eingewurzeltes Vorurteil: Zu viel Intellekt tue dem Glauben nicht gut. Vor allem Kirchenführer halten es am Leben. Nicht nur die Intellektuellen einer Gesellschaft gelten als gefährlich, weil sie „Unruhe stiften, kritiksüchtig und mit nichts zufrieden sind“. Auch kritische Theologen haben keine guten Karten. Sie sind, wie man oft hört, unkirchlich oder viel zu liberal. Weiterlesen

Was ist die Alternative? – Zur Ökumene fällt Rom schon lange nichts mehr ein

Der 29. Juni 2007, noch keine zwei Jahre her, ist einer der schwärzesten Tage für die Ökumene. Oder hat sich die Finsternis vom August 2000 (Dominus Iesus) nur wiederholt? Erinnern wir uns: Damals stellte Joseph Ratzinger in einem großen Rundumschlag fest, dass keine Religion an die christliche, keine christliche Kirche an die katholische, keine Hochachtung gegenüber Jesus an den altkirchlichen Glauben an dessen Gottheit herankommt. Weiterlesen

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit“

Paulus und das Weltethos

1. Können die Gedanken des Paulus zur Grundlegung einer Weltethik beitragen? Warum ist dies der Fall?

Das Projekt Weltethos ist im strengen Sinne kein religiöses, sondern ein säkulares Projekt, denn es richtet sich an alle Kulturen, an alle Völker und an alle Menschen guten Willens. Doch von Anfang an spielen die Weltreligionen in diesem Projekt eine hervorragende Rolle Weiterlesen

Ihm gebührt hoher persönlicher Respekt – seine Botschaft verdient aber Widerspruch

Das ausgezeichnete Öffentlichkeitsmanagement des Vatikan machte auch den Tod von Johannes Paul II. (2. April 2005) zu einem weltweit beachteten Medienereignis. So wurde nach seinem Tod genau dies als eine der großen Fragen an ihn thematisiert: Bis in den Tod hinein ließ er seine Person und sein Werk mit hohem Aufwand inszenieren.

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