Gebt sie den Menschen zurück

Dieses schlanke und handliche Buch hat es in sich. Geschrieben wurde es von der Theologin und Journalistin Maria Mesrian aus Köln sowie der Künstlerin Lisa Kötter aus Münster, zwei bekannten Vorkämpferinnen für Maria 2.0. Sie sind jeweils verheiratet, haben mehrere Kinder und wohnen in urkatholischen Städten. Sie sind also in Kirchenfragen unangreifbar und wissen, wovon sie reden. Sie präsentieren nicht einfach ein weiteres kirchenkritisches Buch, sondern formulieren Erfahrungen und Perspektiven aus, die zahllosen Enttäuschten aus dem Herzen sprechen: Ihr habt uns die Kirche weggenommen, gebt sie uns bitte zurück. Sie wenden sich gegen eine Kirchenmacht, die zu einer selbstverliebten Selbstläuferin geworden ist und den Menschen die „Grundnahrungsmittel ihres Lebens“ genommen hat. Die inneren Verdrehungen der real existierenden Kirche zeigen sie an Hand der Kernbegriffe Liebe, Gemeinschaft, Freiheit und Gerechtigkeit. Kirchliche Aussagen und Praktiken werden entlarvt, etwa der herablassende Ton eines Bischofs, gemäß dem sich eine barmherzige Kirche „erniedrigt“ oder das Spiel mit der Angst vor der ewigen Verdammnis. Überzeugt hat mich die aufmerksame und anschauliche Sprache, die sich angenehm vom technischen Fachjargon vieler Veröffentlichungen zur Kirchenreform unterscheidet. Wohltuend ist der Reichtum an sprechenden Beispielen und überraschenden Bildern. Sie alle orientieren sich – überzeugend und von innen heraus ‑ an der „Spur, die unser Bruder Jesus fürsorglich für uns alle gelegt hat“.

Maria Mesrian & Lisa Kötter, Entmachtet diese Kirche und gebt sie den Menschen zurück, bene! Verlag 2022, ISBN 978-3-96340-228-9

Missbrauch im System – Missbrauch als System? Ein reflektierter Erfahrungsbericht über Zustände in der Römisch-katholischen Kirche

Den Namen wird man sich merken müssen. Wolfgang Rothe ist katholischer Priester. Ab 1987 studierte er an verschiedenen Fakultäten katholische Theologie und suchte Verbindungen mit entschlossen konservativen Kreisen. 1995/96 ließ er sich in St. Pölten zum Diakon und Priester ordinieren. Damals war er Schützling des berüchtigten St. Pöltener Bischofs (1991-2004) Kurt Krenn. Nach seiner Kirchenrechtspromotion an der römischen Opus-Dei-Universität Santa Croce (2002) wurde er Krenns Sekretär, der ihm voll vertraute, später guter Kenner des ebenso reaktionären Bischofs Klaus Küng, der in St. Pölten Bischof Krenn nachfolgte. Als Subregens wurde er 2003 im Priesterseminar unmittelbarer Zeuge des Skandals um kinderpornographische Fotos. Unvermeidlich war in der Folgezeit seine nachhaltige Konfrontation mit Klaus Küng, die letztendlich zum unheilbaren Bruch führte.

Die Besprechung ist zu finden unter:
https://www.feinschwarz.net/missbrauch-im-system-missbrauch-als-system-ein-reflektierter-erfahrungsbericht-ueber-zustaende-in-der-roemisch-katholischen-kirche/

 

 

Ein zeitgemäßer Glaubensentwurf. Zu einem Buch von Frithjof Ringler

Unsere Kultur erfährt einen Umbruch, der keinen Stein mehr auf dem andern lässt. Mit ihm lösen sich unsere Gottesbilder auf, zumindest verlieren sie ihre Tiefenwirkung und orientierende Kraft. So erleben die Kirchen nicht nur eine äußere Erosion mit wachsenden Austrittszahlen, sondern auch einen inneren Zerfall. Ihr mentaler Zusammenhalt wird labil, denn der traditionelle Gottesglaube verflüchtigt sich, ihre Formensprache zerfällt und mit ihr ein umfassendes Wissensgebäude, das über Jahrhunderte lang Wahrheit garantiert und für Hoffnung gesorgt hat. Weiterlesen

Vertrauensvorschuss oder Selbstbetrug? – Zum Buch DIE TÄUSCHUNG von Norbert Lüdecke

Es ist ein außergewöhnliches Buch. Außergewöhnlich sind sein Rigorismus und intellektueller Scharfsinn, außergewöhnlich die Präzision seiner historischen Recherchen, außergewöhnlich auch seine sprachliche Virtuosität, obwohl sich manche Begriffe überdrehen und zu selbstgefälligen Kunstprodukten stilisieren. Wir bewegen uns im Raum der römisch-katholischen Kirche Deutschlands, deren beispiellose Krise der Erklärungen bedarf. Lüdeckes These über die Unaufrichtigkeit bischöflicher Erneuerungsversprechen ist so überzeugend wie für die Bischöfe vernichtend: Weiterlesen

1900 Jahre wie ein Tag – Eindrücke zu Kardinal Müllers katholischen Projektionen

Müllers Buch Was ist katholisch? müsste für alle Reformwilligen ein Weckruf sein. Es sticht nicht nur durch die Arroganz seiner Theorien heraus, vielmehr ist sein autoritäres Kirchenbild auch seit 150 Jahren bei den Kircheneliten zu Hause. Die Impulse des 2. Vatikanischen Konzils (1662-65) haben sich nur wie ein abwaschbarer Firnis darübergelegt. Weiterlesen

Eine Enzyklika über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft

Der bisweilen karg wirkende, aber stets freundlich gesonnene Papst Franziskus hat Sinn für Symbolik. Zum einen erkor er sich Ahmad Al-Tayyeb, den Großimam der Ashar-Moschee in Kairo und Rektor der dortigen Universität, zum offiziellen Gesprächspartner und verlieh seinem Schreiben damit einen interreligiösen Akzent. Zum anderen fuhr er von Rom eigens in das 200 km entfernte Assisi, um am Todestag am Grab seines Namenspatrons seine neue Enzyklika zu unterzeichnen. Schließlich verweist zum zweiten Mal der italienische Titel auf den Poverello. Weiterlesen

Die Angst vor den Relativierern – Zur Ratzingerbiographie von Peter Seewald

„Auch mir ist vor Kurzem der zweite Herzschrittmacher eingepflanzt worden; möge der Herr selber die Schritte des Herzens besser lenken, als es eine Maschine kann.“ (S. 759).

Vielleicht war es nur ungeschickt gewählt, denn vom so schreibfreudigen emeritierten Papst hätte man sicher ein besseres Zitat finden können. Vielleicht aber fand er es sehr treffend, Peter Seewald, Ratzinger-Verehrer von Beruf, der mit seinen 1150 Seiten ein Mammut-Werk vorlegt. Aber keine Angst, man hat es bemerkenswert schnell gelesen. Weiterlesen

Die Kurzmeditation des Alltags wird zum Gewinn

Besprechung von:

Günther Doliwa, Hätte aber die Liebe nicht ‑ Zeichen der Zeit ‑ Anders unterwegs sein, DO‑Verlag, Ostern 2020, 276 Seiten, ISBN 978-3-939258-26-1

Das ist ein erfrischendes Buch, genauer: eine wild erfrischende Mischung von ziemlich vielfältigen, immer überraschenden Texten. Günther Doliwa ist ein Meister kleiner Textformen und nachdenklicher Gedichte, aufmunternd und quer-orientiert, fromm und weltverliebt zugleich. Nicht dass ihn oft Fragen von Glauben und Lebenssinn beschäftigen, ist sein besonderes Merkmal, sondern dass er sie nicht in einer muffigen Vergangenheit, vielmehr in der Welt, in menschlichen Abgründen oder mitreißenden Zukunftsphantasien findet: „Christen müssten Zeitung lesen“ (103). Weiterlesen

Ein Buch über den vergessenen Gott. Kenntnisreich, einladend, auf der Höhe der Zeit

Norbert Scholl, Gott, der die das große Unbekannte. Staunens-Wertes und Frag-Würdiges, Grünewald 2020, 192 Seiten.
Schon die unkonventionellen Titel und Untertitel wecken die Neugier auf dieses Buch und niemand wird enttäuscht. Weiterlesen

Ein Laokoon, der weiterkämpft

Wer kennt den Laokoon nicht, der in den Vatikanischen Museen mit den hochgefährlichen Schlangen ringt? Politi erinnert mich daran, wenn er in hoher Dramatik den Kampf schildert, den Papst Franziskus gegen die vielen Gegner führt, die sich in der Kurie und in weltweiten Bischofskreisen gegen ihn verschworen haben. Eine überschaubare Gruppe von Wortführern lässt nichts unversucht, ihn als ruchlosen Machiavellisten zu isolieren oder als Häretiker zu diskreditieren. Weiterlesen

Ein Aufruf gegen Macher und erleuchtete Gruppen – Der Papst und seine Ghostwriter

Wird sich die römisch-katholische Kirche in Deutschland bewegen? Ihre Bischofskonferenz leitet zusammen mit dem ZdK einen „verbindlichen synodalen Weg“ ein. Dessen Gestaltung ist noch offen und ungeklärt die Frage, welchen Einfluss dabei „das Volk“ überhaupt nehmen kann, denn gemäß Kirchenrecht behalten die Bischöfe das alleinige Beschlussrecht. Statt diese Frage zu klären, bereiten die Bischöfe vorsorglich schon vier Themenkreise zu klerikaler Macht, Sexualmoral, priesterlicher Lebensform und zur Stellung der Frau vor. Klar scheint zu sein, dass man das Fiasko des „Gesprächsprozesses“ (2010-2015) nicht wiederholen will und Maria 2.0 den Druck massiv erhöht hat. Weiterlesen

„Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein!“ Christoph Röhl leistet anstrengende Aufklärung

Auch sechs Jahre nach seinem Rücktritt spaltet Papst Benedikt noch Deutschlands Gemüter. Für die einen ist er ein herausragender Theologe und Bayerns größter Sohn, für andere wurde er zum reaktionären Versager auf dem Papstthron, der an seinem korrupten System zerbrach. Christoph Röhl, britisch-englischer Dokumentarfilmer und mehrfacher Filmpreisträger wurde in Deutschland bekannt durch seine Arbeiten zum Missbrauch in der Odenwaldschule („Und wir sind nicht die Einzigen“) und zum Rücktritt von Kaiser Wilhelm II. („Kaisersturz“). Er hat sich der vielleicht komplexesten Figur des jüngsten deutschen Katholizismus angenommen und mehr als vier Jahre an seinem Portrait gearbeitet. Die Mühe hat sich gelohnt. Weiterlesen

Vom Licht, das die Seele überflutet

Nach dem großen Erfolg der ersten Auflage (2017) hat R. Ropers seine Porträtsammlung um über 20 Darstellungen erweitert. Neben Mystikern spricht der neue Titel auch von den „Weisen“ unserer Zeit. Gerade die neuen Profile zeigen, wie wenig sich Mystik in außerordentlichen Erfahrungen erschöpft. Weiterlesen

„Wir schweigen nicht länger“, Rückblick einer Zeitzeugin

Wahrscheinlich lebt jede vitale religiöse Gemeinschaft aus archaischen Erinnerungen. Das gilt auch für die römisch-katholische Kirche und es scheint so, als hätten sie in den vergangenen 50 Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Zu diesen Archaismen gehören die untergeordnete Stellung von Frauen und ihr Zugangsverbot zu den „geweihten“ Ämtern von Diakonat, Priestertum und Bischofswürde. Weiterlesen

Zwei Romane von Wolf Bruske

Im Jahr 2018 hat Wolf Bruske zwei interessante Romane zur Frage der Homosexualität veröffentlicht. Bruske war 1984-2009 Pastor zunächst der evangelisch-methodistischen Gemeinde, dann verschiedener baptistischer Gemeinden. Nach langen Jahren des Verdrängens seiner Homosexualität stürzte er 2008 in einen tiefen Burnout. Als Folge hatte er sein Comin-out und bekennt sich heute offen dazu, schwul zu sein. Wolf Bruske lebt heute als Freier Theologe und Buchautor am Bodensee. Weiterlesen

Wirklich weiter denken!

Zum Papstbuch von Jürgen Erbacher Weiter denken. Franziskus als Papst und Politiker

Vielfältige Erneuerung

Papst Franziskus ist eine der faszinierendsten Figuren der Gegenwart, auch dann, wenn man ihn mit den großen gesellschaftlichen Veränderungen in Wirtschaft und Politik konfrontiert. Er versetzt Grenzmarken nach innen, weil er sich persönliche Eitelkeiten und belanglose Nebeninteressen verbietet. Weiterlesen

Was Gott gefiel und was man daraus machen könnte

Zum Schreiben der Glaubenskongregation vom 02.03.2018

Aus mehreren Gründen macht mich das Schreiben Placuit Deo hilflos. Und es enttäuscht. Formal fällt es in den kurialen Hofstil zurück, den Papst Franziskus schon hinter sich gelassen hatte. Weiterlesen

Von Engeln, Schlangen und einer herausfordernden Botschaft

Renate Schoof geht in ihrem umfassend bebilderten Buch der reichen Welt von Bildern und Symbolen nach, von denen die christliche Religion begleitet wird und die ihrerseits aus archaischen Quellen leben. Dieses Buch ist ein wirksames Gegengift gegen alle fundamentalistischen Besserwisser, die heute Urständ feiern. Weiterlesen

Leonardo Boff, Tugenden für eine bessere Welt

Unter den Stichworten (1) Gastfreundschaft, (2) Zusammenleben, Respekt und Toleranz, sowie (3) Tischgemeinschaft und ein Leben in Frieden legte legte der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff im Jahr 2009 eine umfassende Monografie zu einem ökologischen und friedfertigen Umgang mit der Erde vor. Das Buch hat große Beachtung gefunden. Weiterlesen

„Großer Baum und winziges Senfkorn“ – Neuere Bücher zu Benedikt XVI.

Die Literatur über Joseph Ratzinger, den Theologen, Kardinal und jetzigen Papst, ist immens. Sie reicht von populistischen Lobpreisungen über opulente Bildbände bis zu theologischen Auseinandersetzungen. Ausgewählt seien hier sechs Publikationen, die einen wissenschaftlich theologischen Rang beanspruchen und eine umfassende Vision über Ratzingers Theologie und Wirken entwickeln. Weiterlesen

Das Böse – Kehrseite der Frage nach dem Heil

Der als scharfsinnig bekannte Züricher Religionsphilosoph und Theologe Ingo u. Dalferth, legte im Jahr 2008 eine Hermeneutik des Bösen vor, die die gängige Bearbeitungen dieser komplexen Thematik an historischer Kenntnis und präziser Interpretation um ein Weites überbietet. Als Grundlagenwert sollte diese Monographie  in jeder philosophsichen und theologischen Bibliothek stehen. Weiterlesen

Auch Himmelsstürmer können irren

Unter Gläubigen hat das Buch des bekannten englischen Evolutionsbiologen Aufsehen erregt und für Unruhe gesorgt. Angekündigt wurde es als „furiose Streitschrift wider die Religion“. In Wirklichkeit kämpft es gegen ein primitives Gottesbild, das jeder augeklärte Christ hinter sich gelassen hat. Dies lässt sich im Vergleich mit Hans Küngs „Der Anfang aller Dinge“ zeigen. Weiterlesen