Das verhängnisvolle Vatikanum 2 – Ein Nachruf

Das 2. Vatikanische Konzil wurde im Oktober 1962, also vor 60 Jahren eröffnet, dauerte 3 Jahre und gilt als wichtigster Einschnitt in der jüngsten Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Es greife gesellschaftliche Tendenzen der Erneuerung auf, öffne den Blick auf andere Religionen und erkenne zum ersten Mal das Grundrecht der Religionsfreiheit an, könne sogar als Vorläufer der gegenwärtigen Bestrebungen für eine Synodale Kirche gelten. So beurteilt in einem Interview der Jesuit Andreas Battlog dieses Ereignis. Er rühmt sich, nur wenige Tage älter zu sein als dieses Konzil, und hat gerade ein Buch darüber veröffentlicht (Aus dem Konzil geboren). Mit seinen lobenden Worten stimmt er ein in das vereinfachende Konzilslob, an dem schon seit Jahrzenten gestrickt wird. Differenzierte, wissenschaftlich erarbeitete Gesamtdarstellungen mit wissenschaftlichem Forschungsanspruch gibt es nur wenige.[1] Wesentlich neue Aspekte sind kaum zu erwarten, denn kompetente Zeitzeugen sind verstorben oder hochbetagt. Ansonsten folgt man den vorgebahnten, katholisch loyalen Stimmen der Vergangenheit. Natürlich musste ein Konzil vom Heiligen Geist geführt sein.

Polarisierung

Doch ist die Wirklichkeit, zumal die Wirkung dieses Konzils, komplexer, denn die Folgen fallen in unterschiedliche, meist kontrovers behandelte Areale auseinander. Zur Debatte stehen:
– Diskussionen um eine volksnahe Liturgie, deren Fronten weitgehend geklärt, aber noch immer nicht ausgestanden sind, man denke nur an die Piusbruderschaft.
Kirchenbilder und Ökumene, die in einem zähen Positionenstreit erstarrt sind und zu Symbolhaltern kirchlicher Flügelkämpfe wurden und bis in die unselige Auseinandersetzung um die Erneuerung in Deutschland hineinreichen,
– die aufgewertete Stellung des Bischofsamts, das dem Kirchenvolk mehr denn je entrückt ist, weil die Bischöfe seit dem Konzil ihre neue Vorrangstellung nach Kräften ausgebaut und instrumentalisiert haben, jetzt auch ausdrücklich an der göttlichen Unfehlbarkeit teilnehmen dürfen,
– neue Impulse in der Offenbarungslehre, die seit dem Konzil mehr Fragen offenlassen, als sie zu klären vermögen, weil sich die Konstitution über die Göttliche Offenbarung alles andere als klar auszudrücken wusste,
– die Hinwendung der Kirche zur Welt in einer Konstitution, deren guter Wille und Reichtum an Anregungen unumstritten ist, die aber kaum in die kirchliche Identität eingebunden wurde,
– das Interesse an politisch, feministisch sowie kulturell orientierten emanzipatorischen Theologien, die man auf dem Konzil eher angedeutet als besprochen hat.

Das ärgerliche Grundproblem: Keines dieser Fragekomplexe führte zu einem Konsens, stattdessen wurden neue Gräben aufgerissen und durch den trotzigen Konservatismus der beiden letzten Päpste unendlich verschärft. Heute berufen sich alle Parteien und Gegenparteien in allen genannten Fragen auf das Konzil. Das Konzil bietet aber keine klare Orientierung, sondern spiegelt Gegensätze wider. So entwickelte es sich eher zum Brandbeschleuniger als zum Erneuerer. Insbesondere konnte es den Traditionalismus der Vorzeit nicht stoppen, denn das geplante aggiornamento ist gerade nicht geglückt. Konservative, gar reaktionäre Gruppen behielten die Kirchenleitung in der Hand und setzten ihre Überzeugungen kompromisslos, mit autoritären Maßnahmen durch. Paul VI. gab mit seiner skandalösen „Pillenenzyklika“ (1968) die entscheidende Linie vor. Als der Katholikentag von 1968 daraufhin mit Empörung reagierte, flunkerte man, statt die Vorwürfe ernst zu nehmen, von wildgewordenen Revoluzzern und Josef Ratzinger berief sich auf den Gekreuzigten, als ob Jesus die Pille verboten hätte. Eine 45-jährige Eiszeit bahnte sich an. Erst Papst Franziskus öffnet 2013 die Fenster nur vorsichtig aus Angst, die verrosteten Aufhängungen zu beschädigen. Doch inzwischen hat dieses Konzil seine richtungsweisende Funktion verloren; aus dem Gedächtnis der jüngeren Kirchenmitglieder ist es verschwunden.

Nostalgie

Dieses ausgehöhlte Gedächtnis zeigt sich schon in der erneut ausgestrahlten Fernsehdokumentation des Bayerischen Rundfunks (Schleifung der Bastionen, 2011) sowie in den Spots, die in den vergangenen Tagen gesendet wurden. Sie folgen dem plakativ-oberflächlichen Trend, der sich schon lange etabliert hat. Sie berichten nicht von inhaltlichen Problemstellungen oder Ergebnissen, sondern vom großen Eindruck, den das Konzil mit seinem überdimensioniert fürstlichen Zeremoniell damals auf die Öffentlichkeit machte. Es lässt die ungelösten Streitfragen vergessen, mit denen man sich innerhalb der Kirche seit Jahrzehnten herumschlägt, kocht die dramatischen Ereignisse stattdessen zu einem nostalgischen Elixier zusammen. Das führt zur Frage, ob dieses Konzil dem römischen Weltkatholizismus zur Inspiration oder als Opium dienen soll.

Es lässt sich nicht leugnen, das damalige Echo war gewaltig, durch intensive Presseinformationen und das neue Medium Fernsehen unterstützt. Als ein Wunder galt, dass dieser Uralt-Apparat, der als hoffnungslos verknöchert galt, sich überhaupt bewegte, dass diese alten Männer unter ihren seltsamen Hüten noch menschliche Regungen zeigten, man im geheiligten Petersdom eine weltliche Cafeteria einrichten konnte, dass in den Debatten überhaupt unterschiedliche Meinungen aufeinander prallten und sich – wenn auch höchst mühsam und unter Widerständen – das Bemühen um eine Erneuerung laut wurde. Wie konnten diese Figuren aus einer Überwelt überhaupt die Welt zum Thema machen? Hinzu kamen die archaischen Riten mit Tragsessel (von Fürstensöhnen getragen) und ägyptisch stilisierten Palmwedeln, mit Schulterkragen aus Hermelin und Gewändern aus Moiré-Seide. Man fühlte sich dabei vielleicht unwohl, aber sie erhöhten den Glanz, der nur noch mit dem englischen oder dem Äthiopischen Kronzeremoniell vergleichbar war (es gab noch Kaiser Haile Selassie, den „König der Könige“).

Dabei loben deutsche Medien noch immer die deutschen Leistungen, denn unser Land soll beim Gesamtgeschehen eine prägende Rolle gespielt haben. Karl Rahner, der Verteidiger päpstlicher Unfehlbarkeit, wird als geistiger Inspirator gefeiert und der Jesuit Mario von Galli darf noch immer mit seiner goldenen Zunge brillieren. Nahezu Übermenschliches leisteten unsere Bischöfe, die sich zu Konzilsbeginn gegen die kuriale Übermacht durchsetzten, Glaubensfragen offen thematisierten und das Verhältnis der Kirche zur Welt in den Blick nahmen. Dabei fällt auf, dass man die zahllosen Miterneuerer aus allen Ländern verschweigt und die Galerie von Vorkämpfern auf ganz wenige reduziert, als ob es keine Franzosen, Italiener oder Bischöfe aus Lateinamerika gegeben hätte. Schlussendlich ist man davon überzeugt, dass man in den bewegten drei Jahren das Wirken des Hl. Geistes geradezu verspüren konnte.

Wirklich? Warum verpuffte dann die gepriesene Erneuerung, bevor sie überhaupt richtig zur Wirkung kam? Warum wurde sie so schnell in einem unerbittlichen Erneuerungs- und Bewahrungsstreit pulverisiert? Wie konnte der Stimmungsumschwung von 1968 passieren und was hatte die früheren Begeisterungsstürme ausgelöst, an die man sich bis heute so gerne erinnert? Verdienstvoll war nicht die Leistung des Konzils, sondern schlicht die Tatsache, dass auf dem Konzil und anlässlich des Konzils jetzt tabuisierte Positionen vertreten wurden, an die große Öffentlichkeit gelangten und so eine unkontrollierbare Erwartungsdynamik erhielten. Die Geister und ihre Ideen kamen aus der Flasche, doch teilweise explodierten sie unkontrolliert, nachdem die Hierarchie sie erschrocken wieder zurückzwingen wollte. Schub- und richtungslos machten sie sich breit, statt ein gemeinsames, konziliares, gesamtkirchlich inspiriertes Momentum in Gang zu setzen. Bis heute hält dieses unkontrollierbare Phänomen die Parteiungen im Griff. Niemand stellt die Frage, ob nicht vielleicht das Konzil selbst diese Misere verursacht hat.

Überforderung und Unkenntnis

Neuerdings spricht Michael Seewald in der Herder-Korrespondenz vom „überforderten Konzil“. Er gibt sich viel Mühe, die oft unausgegorenen Pro- und Kontrapositionen auf eine akzeptable Linie zu bringen, doch ungewollt beschreibt er ein in seinen Zielen zutiefst unversöhntes Projekt, das kirchlichen Unfrieden geradezu erzeugen musste. Vielleicht war das Konzil wirklich überfordert, vielleicht fehlte ihm die Zeit, um die fundamentalen Gegensätze wirklich auszudiskutieren. Unbestritten fehlte es ihm an wissenschaftlich gestählter Schrift- und Geschichtskenntnis, warum nahm man von der evangelischen Theologie keine Kenntnis? Das Hauptproblem der innerkatholischen Superwertungen liegt wohl darin, dass sich auf dem Konzil nie ein unabhängiger übergeordneter Standpunkt durchsetzen konnte. Weit und breit vermisste man einen gemeinsamen Reformwillen, der zur eigenen Geschichte Distanz schaffen konnte. Dies ist der Grund, weshalb es seit 57 Jahren keinen Diskussionsfortschritt mehr gibt. Noch heute wird am ersten Konzilstag diskutiert über Klerikalismus, Insiderkultur der Priester, institutionelle Fixierung auf Macht und mangelnde Transparenz, die verweigerte Rolle von Frauen sowie eine hoffnungslos veraltete Sexualethik. Die Protokolle von damals wirken wie die Nachschrift einer aktuellen Diskussionsrunde. Das Konzil entfaltete keine Lösungskompetenz, sondern ließ zu, dass sich die Diskussionslage bis zum heutigen Tag vereiste. Nicht grundlos sprach man von einem Winter der katholischen Kirche.

Ich vermute: Das Konzil nahm den Geist der Schrift (insbesondere das Neue Testament und die jesuanische Botschaft) ebenso wenig ernst wie eine kritische Bestandsaufnahme ihrer vorhergehenden geschichts- und erfahrungsfreien Theologie. Dies zeigt sich in der Kirchenkonstitution Lumen Gentium besonders klar. Nie wurde unvoreingenommen die Frage gestellt, von wie viel Brüchen und machtbedingten Entscheidungen die sakrosankte „kirchliche Tradition“ belastet war, warum es zum großen katholisch-evangelischen Kirchenzerwürfnis kam, warum sie die Welt der Arbeit und der Wissenschaft verloren hat. Über die legitimen Anliegen Martin Luthers oder der Religionskritik hat man nie ernst nachgedacht. Die Eingabe von Doris Müller und Ida Raming zur Ordination von Frauen ist wohl ungelesen in einer Schublade verschwunden. Wenn in der Konzilsaula ein Bischof auf den Zölibat zu sprechen kam, wurde ihm kraft päpstlicher Anordnung das Mikrofon abgeschaltet. Die Kardinäle Felici und Ottaviani sowie der Jesuit Sebastian Tromp (unter Pius XII. notorischer Schreiber von Enzykliken) konnten bis zum Konzilsende ihre obstruktiven Umtriebe durch Tricks mit Tagesordnung, irreführenden Fragestellungen und Berufungen auf eine „höhere Autorität“ durchhalten. Niemand erhob öffentlich Protest, als Paul VI. dem Konzil ohne jede Abstimmung mit dem Konzil eine „Vorbemerkung“ (notitia praevia) über seine primatialen Rechte aufdrückte. Trotz nachhaltigen Protests wurde eine selbständige und ausführliche Verlautbarung zur Religionsfreiheit verhindert; sie wurde auf ein Minimum eingekürzt.

Ich komme noch einmal auf die Kirchenkonstitution zurück, deren zweites und drittes Kapitel (wie bekannt) nicht miteinander versöhnbar sind; gemeint sind das innovative Kapitel über das Volk Gottes und das nachfolgende, höchst traditionelle Kapitel über die kirchliche Hierarchie. Jede der Parteien begnügte sich mit dem Teilerfolg des eigenen Kapitels. Sie passen aber nicht zusammen. Was im jeweiligen Konterartikel stand, schien nicht mehr zu interessieren. Ähnliches gilt für das Dekret über den Ökumenismus, das zwar einen echten Dialog anstrebt, die eigenen Lehransprüche dennoch zum Maßstab dieser Annäherung macht. Als das mühsamste Dekret gilt in der Fachwelt das Offenbarungsdekret, für das O. H. Pesch treffende Worte findet. Er geht grundsätzlich davon aus, dass in lehramtlichen Texten mit Kompromissen zu rechnen sei; dagegen ist nichts zu sagen. Doch beim Offenbarungsdekret spricht er (im Anschluss an Max Seckler) vom „Kompromiss des kontradiktorischen Pluralismus“. Man sollte diesen überklugen Begriff auflösen und schlicht von unvereinbaren Widersprüchen sprechen, die die Lesenden im Regen stehen lassen. Wie konnte man von ihm also eine Orientierung erwarten? Ähnliches passierte beim Umgang mit dem 1870 definierten päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruch. Man will ihn in ein gesamtkirchliches Gleichgewicht bringen, indem man erklärt, auch die Gesamtheit der Gläubigen könne nicht irren. Später aber gilt die Reihenfolge umgekehrt: Wenn das Lehramt eine Lehre unfehlbar vorlegt, hat das Volk dieser Weisung in Glaubens- und Verstandesgehorsam Folge zu leisten. Folgerung: Letztendlich kann das Volk aus sich heraus nie die umfassende Zustimmung erreichen, die eine unfehlbare Aussage erfordert. Den Hierarchen bleibt immer das entscheidende Votum vorbehalten.

Das Problembewusstsein über theologische Fragen muss minimal gewesen sein, was konnte man von der damaligen katholischen Standardausbildung auch anderes erwarten? Zum Test fragte Hans Küng in der Cafeteria von St. Peter einflussreiche Bischöfe und fachkundige Kollegen, wer denn in Korinth bei Abwesenheit von Paulus die Messe gelesen habe. Er stieß auf irritiertes Schweigen und auf Verblüffung über die Entdeckung, dass es in Korinth schließlich keinen Bischof gab. Resigniert beschloss Küng, an der Kommission für Kirchenfragen nicht mitzuarbeiten, sondern ein eigenes Kirchenbuch zu schreiben, das sich bis heute sehen lassen kann und dementsprechend ignoriert wird. Der massive exegetische Kenntnis- und Interessenmangel rächt sich besonders in der Kirchenkonstitution. Skandalös war dementsprechend auch die hartnäckige Weigerung des Konzils, über das Verhältnis zum Judentum ein konstruktives Dekret zu verabschieden, wogegen der Papst Herrn Adschubej, den Schwiegersohn des sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow, gemäß offiziellem Protokoll empfing. In der letzten Sitzungsperiode unterlief der Papst schließlich die Absicht der Konzilsmehrheit, für die Zukunft einen ständigen Bischofsrat eigenen Rechts zu konstituieren. Stattdessen errichtete er die römische Bischofssynode päpstlichen Rechts, also ohne eigenes Recht zu Einberufung, Tagesordnung und Protokollierung. Mit solchen Manipulationen geriet das Konzil schließlich zur neuen Demonstration päpstlicher und kurialer Privilegien und Steuerungsrechte. Doch die Kritik an diesen Vorgängen verschwand später, wurde höchstens zur Demonstration konziliarer Vitalität missbraucht. Der Rest blieb Schweigen, schließlich wollte niemand zum Nestbeschmutzer werden.

Folgerungen

So war die spätere Polarisierung vorherzusehen, denn auch die Hardliner handelten nicht unbedingt aus psychischer Sturheit, sondern kraft ihrer offiziell formulierten Glaubensüberzeugungen, die 1870 ihr überzeitlich endgültiges Gerüst bekamen. Solange die Hierarchie nicht bereit ist, ihre konziliar verbürgten absolutistischen Lehr- und Leitungsansprüche aufzugeben, also Vatikanum I zu korrigieren (und die Ideen des Konstanzer Konzils wieder in Kraft zu setzen), – so lange ist eine fruchtbare, weil innerlich versöhnte Kirchenzukunft nur gegen bzw. ohne diese Hierarchie möglich. Werde ich damit nicht zum Häretiker und/oder Schismatiker? Nein, denn nach meinem Verständnis haben sich Häretiker- und Schismatiker spätestens seit 1870 in der Hierarchie eingenistet.

Ich ziehe daraus vier Folgerungen:
1. Das 2. Vatikanum bildet für die jüngste Geschichte der römisch-katholischen Kirche einen Markstein, weil es die Hoffnungen auf eine ursprungstreue, menschenfreundliche und zukunftsoffene Kirche unwiederbringlich ins öffentliche Bewusstsein gehoben hat. Doch dies geschah nicht kraft, sondern anlässlich des Konzils.
2. Deshalb bildet das 2. Vatikanum einen Markstein nicht der Erneuerung, sondern als Hinweis darauf, dass diese Institution zur Selbsterneuerung unfähig ist und bleiben will. Diese Folgerung wird durch die aktuellen Diskussionen über Missbrauch, Vertuschung und verschleppte Wiedergutmachung nur unterstrichen. Seit 60 Jahren werden erblühte Hoffnungen systematisch unterdrückt, weil seitdem alle richtungsweisenden Impulse schon konterkariert und zu Auslösern einer nachhaltigen inneren Spaltung geworden sind.
3. Auf dem Konzil wurden die vielfachen hoffnungsvollen Inspirationen in der Mühle der Obstruktionen zerrieben. Die Konservativen konnten lernen, dass sich die beschriebene autoritäre Obstruktion in jedem Fall lohnt, dass man mit den Erneuerungsorientierten nicht sprechen muss, weil sie ohnehin häretisch sind; ihr aktuelles Verhalten findet in den konziliaren Verweigerungen ihr Vorbild . Deshalb kann das 2. Vatikanum nicht als Berufungsinstanz für weiterführende kirchliche Verstehens- und Handlungsmodelle taugen. Wir haben unsere Grundüberzeugungen und Hoffnungen angesichts der Zeichen der Zeit direkt aus der ursprünglichen Botschaft zu begründen.
4. Leider wird die römisch-katholische Kirche noch immer zusammengehalten durch einen unkritischen Glauben an kirchliche Institutionen (an Papst, Bischöfe, Lehramt, „Weiheamt“ und Sakramente). Diese emotionale Kirchentreue ist massiv am Zerbröckeln. Es ist damit zu rechnen, dass sich (in Deutschland und anderswo) der Auszug aus der aktuellen kirchlichen Institution verstärken und ohne Bitterkeit vollzogen wird. Eine geistlich-christliche Beheimatung ist auch in anderen (christlichen und nichtchristlichen) Gemeinschaften möglich.

Wir sollten auch im aktuellen Engagement für die kirchliche Erneuerung, etwa beim Synodalen Weg, nüchtern bleiben. Solange wir diese Vorschläge zur Erneuerung mit Konzilstexten begründen, stärken wir die jeweiligen Kontertexte, die ebenfalls in den Konzilsdokumenten zu finden sind. Indirekt verstärken wir dadurch die Spaltung, statt sie aufzulösen, und die innere Spaltung wird verfestigt. Deshalb schlage ich vor, das Engagement im Namen dieses ambivalenten Konzils aufzugeben.

Anmerkungen

[1] Giuseppe Alberigo (Hg), Geschichte der Zweiten Vatikanischen Konzils, 5 Bände, Mainz 1997-2008; Bernd Jochen Hilberath und Peter Hünermann (Hgg), Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Freiburg 2009; Otto Hermann Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil, Kevelaer 32011.

Letzte Änderung: 8. November 2022