Was macht die Corona-Pandemie mit uns, der Gesellschaft und der Kirche?

 

Einleitung:

  • Bislang liefert die Corona-Krise keine speziellen Einsichten, die es ohne Corona nicht gäbe. Als Katalysator hat sie aber bestehende Versäumnisse, Spannungen und Brüche offenkundig gemacht und verschärft. Hinzu kommt, dass sie zugleich mit anderen Krisenerfahrungen (Klimakrise, Wetterkatastrophen, politische Krisen) die Öffentlichkeit und das private Leben nachdrücklich und weltweit bestimmt. Deshalb können wir dieser Konfrontation nicht ausweichen.
  • Auch sind keine spezifischen Glaubenskrisen oder theologischen Erkenntnisse erkennbar. Die Folgen der Corona-Epidemie zeigen aber: Unsere Sinnfragen bzw. religiösen Herausforderungen sind ungelöster und akuter denn je. Sie betreffen nicht nur das religiöse Leben, sondern auch den profanen Alltag nahezu aller Menschen. Religiöse und säkulare Probleme überkreuzen sich.

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Gottesdienste in Corona-Zeiten – Zur bayerischen Petition um Lockerungen an Weihnachten

Am 15.12.2020 forderten die Bayrischen Bischöfe die Staatsregierung auf, für den Heiligabend die Ausgangssperre gemäß der religiösen Praxis der katholischen Bevölkerung in Bayern zu lockern. Die Petition ist veröffentlicht und Interessenten können sich ihr anschließen. Dabei berufen sich die Bischöfe auf die religiöse Praxis der katholischen Bevölkerung, auf das Grundrecht der freien Religionsausübung (Art. GG4) und den besonderen Festcharakter des Abends. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 10: Verunsicherung und Gleichgewicht

Liebe Freundinnen und Freunde,
Wie finden wir unser Gleichgewicht?

August 2020, seit nahezu sechs Monaten hält uns die Corona-Krise im Bann. Wiederholt habe ich von verlorenen Sicherheiten gesprochen und an das Grundvertrauen appelliert, ohne das niemand von uns ausgewogen leben kann. Ich verwies auf die Alternative von Leben und Tod, die vor allem die Älteren unter uns herausfordert. Natürlich habe ich die Frage gestellt, ob wir uns wirklich in den Händen Gottes oder einer letzten Instanz wissen. Jetzt komme ich noch einmal zurück auf dieses Grundthema, denn inzwischen hat uns die tiefe Verunsicherung nicht nur als einzelne Personen erreicht, sondern auch zu kollektiven Auswirkungen geführt. Es geschah etwas mit unserer Gemeinschaft. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 9: Unsere Zukunftsträume

Liebe Freundinnen und Freunde
In der Erwartung besserer Zeiten

Das Corona-Virus hat seine Wirkung getan und wirkt noch weiter. Der Luftverkehr ist zusammengebrochen, die meisten Jets stehen eingemottet auf Abstellplätzen, die Düsenmotoren mit einem Wetterschutz abgedeckt, die Eingangsluken verschlossen und die Blinklichter erloschen. Die Rümpfe und Flügel wirken wie ein eng verzahntes und unbewegliches Linienkonstrukt. Nahezu fünf Monate dauerte der Lockdown mit seinen blockierten Gaststätten, geschlossenen Kaufläden und stillgelegten Betrieben. Beinahe vergessen blieben die zu Hause eingeschlossenen Kinder und Jugendlichen. Wir wissen jetzt, wie sich ein Homeschooling anfühlt, das täglich mit dem Homeoffice der Eltern kollidierte, noch immer kollidiert und sie an den Rand ihrer Kräfte brachte Weiterlesen

Wie gehen wir mit Verschwörungstheorien um? Zur Angstmache vor einer drohenden Weltregierung

Zu Recht hat das Manifest „Die Wahrheit wird euch freimachen“ in Kirche und Gesellschaft zu einer breiten moralischen Empörung geführt. Die Reihe seiner Verdächtigungen ist absurd, die Angst vor einer Weltregierung unbegründet, das kirchliche Anspruchsdenken überheblich, der Aufruf zum Widerstand gefährlich und dazu angetan, die Menschen noch mehr zu verunsichern, als sie es in der gegenwärtigen Krise ohnehin schon sind. Eine christlich motivierte Reaktion sollte sich jedoch mit den Endzeitvorstellungen beschäftigen, die in vielen Menschen noch tief verankert sind, von Kirchen, christlichen Gemeinden und Theologie aber seit lange vernachlässigt werden. Wir brauchen eine jesuanisch inspirierte und für die Gegenwart erneuerte Erzählung über das Ziel von Menschheit und Welt. So gesehen ist eine Auseinandersetzung mit diesem Manifest selbst nicht der Mühe wert. Es braucht aber eine weiterführende Antwort. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 8: Gedenken und Danken in schwieriger Zeit

Liebe Freundinnen und Freunde aus Kämpfelbach,
In Besinnung auf unsere Gebrechlichkeit!

Noch leben wir in einer Phase der Hilflosigkeit und Angst. Endlose Fragen nach unserer persönlichen und gemeinsamen Zukunft bleiben ohne Antwort. Bislang mussten wir etwa 7000 Väter, Mütter, Geliebte, Geschwister und Freund/innen für immer aus unserer Obhut geben und niemand kann richtig abschätzen, wie viele Abschiede uns noch bevorstehen, ab wann wir auf einen medizinischen Schutz hoffen können. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 7: „Hast Dein Volk gezüchtigt sehr“

Liebe Freundinnen und Freunde aus Kämpfelbach,
In Erinnerung an eine neu gewordene Geschichte!

An jedem 7. September, dem Vortag der Feier von Mariä Geburt, erinnert Ihr Euch an ein dramatisches Geschehen, das in Ersingen und Bilfingen vor 663 Jahren wütete, rund 180 Jahre, bevor die Bevölkerung von Oberammergau dieses Schicksal erlebte. Von schätzungsweise 500 Einwohnern starben in kürzester Frist 232. Der Schwarze Tod hatte Ersingen und Bilfingen erreicht, Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 6: In Gottes Händen?

Freundinnen und Freunde,
Auf der Suche nach einem letzten Geheimnis!

Noch immer liefern uns Religionen umfassende und sehr wirksame Lebens- und Weltmodelle. Sie können – so jedenfalls ihre eigene Überzeugung – uns anleiten zu einem sinnvollen Umgang mit Unrecht, Katastrophen, Elend und Tod. Sie beeinflussen und prägen die übergroße Mehrheit der Menschen, gleich ob Frauen oder Männer, Jugendliche oder Kinder. Darunter sind Christen (2,25 Mrd.), Muslime (1,6 Mrd.), Hindus (1,1 Mrd.), Buddhisten (468 Mio.), Juden (17 Mio.) und andere Religionen (857 Mio.). Die mir vorliegende Statistik fügt 792 Mio. Menschen hinzu, die sich religionslos nennen. Natürlich sind solche Globalstatistiken immer umstritten, doch ihrer großen Linie ist zu trauen. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 5: Im Griff der Natur

Liebe Freundinnen und Freunde,
Hilflose vor den Gesetzen des organischen Lebens!

In diesen Tagen entwickelt die Natur in Deutschland eine strahlende Pacht. Innerhalb weniger Tage legen sich die Büsche ein grünes Gewand zu und umgeben uns blau und rosa schimmernde Blumen. In den Gärten blühen Osterglocken und Tulpen auf, am Grab Hölderlins (Tübingen) etwa 900 an der Zahl.

Jetzt wäre die Zeit zu singen: „Geh‘ aus, mein Herz, und suche Freud …!“ Natürlich können wir zu zweit oder im Familienverband die Wohnung verlassen, doch rechte Freude kommt nicht auf, denn diese Natur, die unser Herz erfreut, hält uns zugleich im tödlichen Griff Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 4: Verschwörung auf Leben und Tod

Liebe Freundinnen und Freunde,
Hoffende in unabwendbarer Angst!

Das passt nicht zusammen: In der Natur meldet sich der Frühling mit seinem sprießenden Leben, genießen wir eine strahlende Sonne und hell aufleuchtende Tage. Der Gang ins Freie lässt sich nicht aufhalten, auch wenn sich die Beschränkungen überall bemerkbar machen. Doch ausgerechnet in dieser Jahreszeit ist unsere Gesellschaft in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Opfer gelten als unvermeidlich. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 3: Blockierte Gemeinschaft

Liebe Freundinnen und Freunde,
Verbundene in erzwungener Distanz!

In den vorhergehenden Texten habe ich über zwei Schlüsselerfahrungen nachgedacht, die in der Corona-Krise scharf zutage treten, den schwindelerregenden Verlust aller Sicherheit und den verzweifelten Versuch, unsere Zeiträume zum Stillstand zu bringen. Was aber soll dieses tatenlose Nachdenken? Die Infektion wartet nicht, bis wir sie begriffen haben. Inzwischen hat sie alle Kontinente im Griff und zwingt alle Menschen in dieselbe globale Drohkulisse: Globalisierung ist zum Fluch geworden. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 2: Entfesselte Zeiten

Liebe Freundinnen und Freunde,
Mitgefangene in einer entfesselten Zeit!

Wer kennt nicht das berühmte Wort von Shakespeare: „Die Zeit ist aus den Fugen!“, und wer erinnert sich nicht an die Angstphantasien der apokalyptischen Literatur, da sich die Sonne schwarz, der Mond blutrot färbt, das Himmelszelt zusammenbricht und die Sterne auf die Erde fallen? Auch wir wissen noch nicht, was genau auf uns zukommt und wie lange es andauert. Weiterlesen

Worte zur Corona-Krise 1: Verlorene Sicherheiten

Liebe Freundinnen und Freunde,
Schwestern und Brüder unseres irdischen Lebens!

Schon freute ich mich auf die Predigt, die ich in einer Stuttgarter Kirchengemeinde hätte halten sollen. Jetzt macht uns der Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung, denn das Unmögliche ist eingetreten: selbst für die Fastenzeit, die Karwoche und für Ostern sind die Gottesdienste gestrichen. Ist das seit 1945 je einmal passiert? Weiterlesen