Wider das destruktive Menschenbild der römisch-katholischen Kirche. Warum eine neue Sexualmoral nicht ausreicht

„Leben in gelingenden Beziehungen“, diesen sympathischen Titel gab Forum IV des Synodalen Weges (SW) seinem Basistext zu Fragen der Sexualität (in zweiter Lesung verfügbar). Zu Beginn geht er kurz auf die skandalösen Anlässe ein, die zum SW führten, dann bemüht er sich möglichst kontextfrei um eine prinzipielle, theologisch und anthropologisch verantwortete Stellungnahme. Die klassischen römisch-katholischen Diskussionspunkte werden zurückhaltend besprochen. Es geht um das neutestamentliche Eheverständnis, die genitale Fixierung der kirchlichen Sexualfragen, aber auch um die positiven und gesamtmenschlichen Seiten der Sexualität, die verschiedenen Geschlechtsidentitäten, auch über Sinn und Grenzen des katholischen Eheverständnisses sowie um die leidige Frage nach der künstlichen Geburtenregelung. So ist dem Forum ein weit gespannter und zeitgemäßer Entwurf gelungen. Weiterlesen

Die Häresie von der heiligen Macht. Wie sich die katholische Kirche neu erfinden muss

Am 1. April 2022 verbreitete Wir sind Kirche folgende Eilmeldung: „Wie wir aus speziellen Quellen erfuhren, hat Kardinal Reinhard Marx, München-Freising, sich soeben entschlossen, seinem Ruf als Reformbischof durch deutliche Taten gerecht zu werden. Angesichts der personellen Engpässe will er die Potentiale all seiner pastoralen Mitarbeiter*innen zugunsten der Gemeinden nun nutzen. Es ist ab sofort allen in der Pastoral Mitarbeitenden erlaubt, zu taufen, Eheschließungen zu assistieren, in Eucharistiefeiern zu predigen, zu beerdigen und in besonderen Fällen, die Krankensalbung zu erteilen. Um eventuell notwendige kirchenrechtliche Änderungen wird er sich dann nachträglich in Rom bemühen.“ Es war ein Aprilscherz mit doppelt entlarvender Wirkung. Zum einen wurde genannt, was selbst gemäß strenger kirchlicher Dogmatik möglich wäre. Zum andern verschwieg selbst Wir sind Kirche die noch entscheidenderen Mängel, dass nämlich zahllose ordinierte Priester unter uns leben, denen aus Gründen der Prüderie und Misogynie die Ausübung ihres Amtes verboten ist und dass zahllose kompetente Frauen unter uns leben, die in dieses Amt berufen werden könnten. Weiterlesen

Vertrauensvorschuss oder Selbstbetrug? – Zum Buch DIE TÄUSCHUNG von Norbert Lüdecke

Es ist ein außergewöhnliches Buch. Außergewöhnlich sind sein Rigorismus und intellektueller Scharfsinn, außergewöhnlich die Präzision seiner historischen Recherchen, außergewöhnlich auch seine sprachliche Virtuosität, obwohl sich manche Begriffe überdrehen und zu selbstgefälligen Kunstprodukten stilisieren. Wir bewegen uns im Raum der römisch-katholischen Kirche Deutschlands, deren beispiellose Krise der Erklärungen bedarf. Lüdeckes These über die Unaufrichtigkeit bischöflicher Erneuerungsversprechen ist so überzeugend wie für die Bischöfe vernichtend: Weiterlesen

Was ist Klerikalismus?

Der Kampfbegriff „Klerikalismus“ wurde im 19. Jahrhundert im Streit um das Verhältnis von Staat und Kirche geprägt. Er zielte auf die öffentlichen Macht- und Rechtsansprüche kirchlicher Institutionen, die von den Klerikern vorgetragen wurden. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff auf innerkirchliche Verhältnisse ausgeweitet. In diesem Fall zielt er auf die kritisierte Vorherrschaft von Klerikern gegenüber den Nichtklerikern, die im Kirchenrecht noch immer „Laien“ genannt werden. Weiterlesen

Auf dem Weg zu einer synodalen Kirche? Eine Bestandsaufnahme zur Bischofssynode 2018

Die römische Bischofssynode vom 3. bis 28. Oktober 2018 zur Situation der Weltjugend hatte sich viel vorgenommen: Ein dynamisches, für die Kirche zentrales Thema sollte von der wohl einzigen gesamtkirchlichen Institution bearbeitet werden, die es neben einem Konzil gibt. Weiterlesen

Warum wurden Sodom und Gomorrha vernichtet?

Abschied von einem gängigen Klischee

Warum wurden Sodom und Gomorrha vernichtet? Die Antwort vieler Christen und anderer Menschen ist eindeutig: Sodom und Gomorrha waren von Gott verfluchte Nester der Homosexualität, wenn nicht gar des Sex mit Tieren. Doch die Schrift verweist dieses Gerücht in das Reich der Phantasie. Weiterlesen

Ein dialogfähiger Papst hat den richtigen Ton gefunden

Die Umweltenzyklika Laudato si‘ im Kreuzfeuer von Wirtschaft, Politik und Religion

 „In jedem Laut dieser Welt ein Geheimnis“ (Al Khawwas)

Einleitung: Eine andere Enzyklika

Was für ein Dokument! 1968 schrieb Walter Jens zu einem aufsehenerregenden Artikel von Hans Küng: „Dieser Glücksfall! … Kühn in die Lüfte steigend eine Rakete, abgefeuert in helvetischen Marken, nun über Tübingen kreisend … und die Frage auslösend: sollte der Papst kein Leser von ATTEMPTO sein – wie können wir ihm unsere Zeitschrift zugänglich machen?“ Jetzt haben sich die Zeiten geändert. Der Papst selbst feuert eine weithin leuchtende Rakete ab, die über der ganzen Welt kreist und mich fragen lässt: Sollte nicht alle Welt diese Enzyklika lesen? Wie können wir den Regierenden diesen Text zugänglich machen? Doch keine Angst, sie werden ihn lesen. Weiterlesen

Wofür steht die Bischofssynode? – Die Lineamenta

Antworten auf den Fragekatalog der Lineamenta 2015 zu Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute

I. Vergessene Dimensionen

1. Bedenken offen benennen

Wofür steht die Bischofssynode vom Oktober 2015? Für welche Anliegen und wessen Interessen wird sie eintreten? Welche Prinzipien werden sie leiten auf ihrer Suche nach einem erneuerten Familienbild und nach einem christlichen Umgang mit glücklichen, gescheiterten oder solchen Familien, die den klassischen Regeln katholischer Tradition widersprechen? Das sind Fragen, die viele Menschen interessieren und von deren Beantwortung ihr weiteres Verhältnis zur Kirche abhängen wird. Weiterlesen

Mineralwasser statt Prosecco- Synode der enttäuschten Hoffnungen

Zur Familiensynode vom 4. bis 19. Oktober 2014 in Rom

„Ehe und Familie“, wen sollte dieses Thema nicht interessieren! Die Katholikenbefragung und die Kardinalskonflikte im Vorfeld sorgten für hohe Erwartungen. Zudem war die Inszenierung des Treffens der freundlichen Herren in papstweiß, purpur- und zinnoberrot perfekt. So herrschte zu Beginn der vatikanischen Familiensynode bei der Presse, den geladenen Gästen und selbst bei vielen Teilnehmern eine euphorische Stimmung. Der neue Papst unterstützte – durchaus ehrlich gemeint ‑ mit Handschlag und Schokoladenkeksen glänzend diese Atmosphäre. Von einer historischen Stunde berichteten nach einer Woche die Medien, gegen Ende von Enttäuschung. Der Theologin Ute Eberl aus Berlin, als Gast zum Treffen geladen, war, wie sie sagte, erst nach Prosecco zumute, gegen Ende ließ ihre Stimmung nur noch Mineralwasser zu. Weiterlesen

Gefangen in der Dauerkrise

Die Kritik des belgischen Bischofs Johan Bonny an der kirchlichen Haltung zu Ehe und Familie ist richtig. Doch sie bleibt auf halbem Weg stehen

Viele reformwillige Katholiken begrüßen die detaillierte und unerschrockene Kritik des Antwerpener Bischofs Johan Bonny an den römisch-katholischen Positionen zu Ehe, Familie und Sexualität (Publik-Forum 17/2014). Am meisten scheint ihn zu beschäftigen, dass die Bischöfe der Weltkirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil alle Kraft zur gegenseitigen Kommunikation verloren haben. Damals, so Bonny, hätten sie alle noch zusammengearbeitet und mit hohem Konsens ihre Dokumente verabschiedet. Dann sei es ‑ wenigstens in Sachen Ehe- und Sexuallehre ‑ bergab gegangen. Weiterlesen