Vertrauensvorschuss oder Selbstbetrug? – Zum Buch DIE TÄUSCHUNG von Norbert Lüdecke

Es ist ein außergewöhnliches Buch. Außergewöhnlich sind sein Rigorismus und intellektueller Scharfsinn, außergewöhnlich die Präzision seiner historischen Recherchen, außergewöhnlich auch seine sprachliche Virtuosität, obwohl sich manche Begriffe überdrehen und zu selbstgefälligen Kunstprodukten stilisieren. Wir bewegen uns im Raum der römisch-katholischen Kirche Deutschlands, deren beispiellose Krise der Erklärungen bedarf. Lüdeckes These über die Unaufrichtigkeit bischöflicher Erneuerungsversprechen ist so überzeugend wie für die Bischöfe vernichtend: Weiterlesen

Bravo, Herr Bischof! Zu den Drohworten aus Passau

Erinnerung verpflichtet

Endlich hat ein „Kirchenfürst“ wieder den Mut, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Unverblümt will er uns zeigen, wo gemäß seiner Überzeugung die Grenzlinien reformerischer Provokation verlaufen und wo sie überschritten werden. Ist das ein neuer Ton? Im Jahr 2021 kann er schon überraschen, schließlich sind die Hierarchen in der Defensive. Wie gut, dass wenigstens einer aus der Deckung kommt. Weiterlesen

Macht über die Seelen – Kernkompetenz und Kernproblem des Katholizismus

Die aktuelle Krise der römisch-katholischen Kirche (im folgenden oft „Kirche“ genannt) ist eng verkoppelt mit ihrem inneren und äußeren Machtzerfall, der seit einigen Jahrzehnten vor allem im westeuropäischen Kulturraum offenkundig wird, und er trifft diese Kirche besonders, weil in ihr schon seit der Spätantike ein ausgeprägtes und prominentes Machtdenken herrscht. Weiterlesen

Kirchenamtliche Allergien – Ökumenischer Aufbruch beendet

Von der Inkonsequenz zur Selbstblockade

 

Kein Geringerer als Kardinal Kasper spricht neuerdings von gelähmter Ökumene, fügt aber beschwichtigend hinzu, dies gehöre zum normalen Auf und Ab. Ich habe da meine Zweifel. Viel eher sollten wir uns an die konziliaren Geburtsfehler katholischer Ökumene erinnern. In der Nacharbeit wurden sie nie behoben, jetzt führen sie zum Kollaps.

Ökumene ist ja keine konziliare Erfindung. Seit 1947 gibt es den Weltrat der Kirchen und katholischerseits war gute Vorarbeit geleistet. Das Konzil nutzt diesen Tatbestand, erhebt die Ökumene zum Kirchenprogramm und gibt hilfreiche Anweisungen. Die noch verbleibenden Widerstände, so meinten wir, ließen sich mit Studien und Gesprächen regeln. Wir wollten uns durch die Minenfelder robben, um sie in geduldiger Räumarbeit wieder begehbar zu machen. Irgendwann, so die Illusion, würden dann Grundentscheidungen fallen: Lösungen zur Anerkennung und Gastfreundschaft mit dem Ziel einer versöhnten Verschiedenheit.

Doch Kommissionen wurden mit systemkonformen Personen besetzt und kritische Geister hat man an den Rand gedrängt. Jetzt begann eine Dauerblockade, die bisherige Berührungsängste in kirchenamtliche Allergien verwandelte. DOMINUS IESUS (2000) lässt sich als Offenbarungseid dieser ernüchternden Entwicklung lesen.

Dem Konzil ist diese katastrophale Entwicklung nur indirekt anzulasten. Zweifellos initiierte das Ökumenismusdekret einen machtvollen Versöhnungsprozess, doch blieb es bei der selbstgefälligen Option, nur[!] durch die katholische Kirche könne man voll zum Heil gelangen (Nr. 3). An Dogmen und Petrusprimat wurde nicht gerüttelt. Die nachkonziliaren Kirchenleitungen hätten diese offene Flanke bereinigen und sich dem Kern der Differenzen stellen müssen. Denn zurecht bestand die Reformation auf einer verschärften Priorität der Schrift, der Relativität des katholischen Heils- und der Unhaltbarkeit des römischen Führungsmonopols. Zudem war ein neuer Denk- und Sprachtypus entstanden, der – wie bei der Rechtfertigungsfrage versucht – mit den althergebrachten Positionen nicht einfach abzugleichen ist.

Kardinal Kasper, lange Ökumenechef in Rom, spricht von einer „gelähmten“ Ökumene, flößt aber selbst den gelähmten Gliedern keine neue Bewegung ein. Sein letztes Buch zeigt das Dilemma einer sich liberal gebenden Ökumenestrategie. Sie zementiert nur die römischen Ansprüche, indem sie sich unkritisch auf das Konzil beruft und damit für lange Zeit alle Fortschritte blockiert.

Trotz dieser katastrophalen Situation wächst Ökumene auch im katholischen Raum, dies gegen die entschiedene Order von Bischöfen und Papst. Man mag über diese Lösung unglücklich sein, sie als Ungehorsam oder Revolution verurteilen. In jedem Fall muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Bei unbefangenem Blick ließ sich ja voraussehen, was jetzt geschieht, wie also die Konzilstexte durch das Handeln und den Glauben einer Kirche von unten her weitergeschrieben werden. Andere aufrechte Lösungen gibt es nicht.

50 Jahre II. Vatikanisches KonzilErgebnisse – Blockaden – Visionen

Das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) gilt noch immer als der wichtigste Bezugspunkt der Reformbemühungen in der römisch-katholischen Kirche. Was hat dieses Konzil gewollt, was hat es erreicht und wie ist es ihm ergangen?
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Volk Gottes – Vom Zeitgeist verderbt oder vom Heiligen Geist begabt?

Einleitung: Zwischen Ratlosigkeit und Ungehorsam

Zum zweiten Mal blickt die katholische Kirche Deutschlands auf ein hochdramatisches Jahr zurück. 2010 raubten uns die Fälle von Missbrauch und deren Vertuschung den Atem; die Affäre Mixa würgte ihn vollends ab. Kirchenaustritte waren die Folge. Weiterlesen

Was ist vom Konzil geblieben – wie entwickeln wir es weiter?

Eine streitlustige Rück- und Vorschau

Bei Katholiken ist das 2. Vatikanische Konzil, nahezu 40 Jahre nach seinem Abschluss, seit der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst (April 2005), erneut ins Zentrum des Interesses gerückt. Das ist erstaunlich, denn nach 40 Jahren könnte ein Reformprozess abgeschlossen sein; inzwischen haben wir neue Fragen zu bewältigen. Weiterlesen

Zwischen Hoffnungen und Enttäuschungen. Ein Blick in die nachkonziliare Zeit

Aus guten Gründen hat das 2. Vatikanische Konzil die Römisch-Katholische Kirche in eine schwere Krise geführt. Wer seine Absichten ernst nimmt,  repetiert nicht getreu seine oft unausgeglichenen Texte, sondern geht auf die Nöte und Erwartungen der Menschen ein. Weiterlesen