Kirchen in säkularisierten Kontexten

In einem Essay zu Leo XIV. versuchte ich, von den Zukunftschancen einer erneuerten Kirche ein nüchternes Bild zu entwerfen.[1] Meine These lautete: Weltweit durchzieht die römisch-katholische Kirche ein dichtes und komplexes Feld von starken, geradezu unüberwindlichen Angeboten, Motiven und Strukturen der Macht. Solange wir die Beharrungskraft dieser Vorprägungen nicht ins Visier nehmen, gar neutralisieren, gibt es keine Hoffnung auf eine erneuerte Kirche, auch nicht auf die vielfach beschworene Synodalität, welche die autoritären Verhältnisse eindämmen und eine Kultur der geschwisterlichen Teilnahme ermöglichen soll. Sie sind in diesen Dispositiven festbetoniert. Weiterlesen

Der Löwe des Vatikan

I. Prolog

Nach der Papstwahl vom 8. Mai 2025 schrieb mir ein guter Freund, wie sehr er sich über den Namen des neuen Papstes freue. Löwe, das sei doch eine kraftvolle, selbstbewusste und naturverbundene Metapher. Möge sich, gut biblisch gesehen, der neue Papst doch zu einem wahrlichen Löwen von Juda, genauer: zum wahren Löwen der römisch-katholischen Kirche entwickeln, der den Vatikan stärkt und unüberhörbar macht. Doch wenige Tage später erschreckte mich dieser Gedanke, als Netanjahu seinen Angriff auf den Iran unter das Motto des rising lion stellte: „Ein Volk wie ein Löwe, der aufsteht, wie ein Raubtier, das sich erhebt. Es legt sich nicht hin, bevor es die Beute gefressen und das Blut der Erschlagenen getrunken hat.“ (4 Mos 23,34), – ein abscheulich bluttrunkenes Bild. Wollen wir wirklich ein solches Monster als obersten Repräsentanten der römisch-katholischen Kirche? Weiterlesen