2. September 2013
Lieber Mitstreiter,
Ihnen herzlichen Dank für Ihre Zeilen und die Übermittlung des Briefes von Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst an die Mitglieder seiner Diözese vom 31. August 2013. Wie viele Reformwillige unserer Kirche verfolgte ich die Affäre in den vergangenen Monaten mit wachsender Empörung. In den vergangenen Tagen habe ich u.a. den ausführlichen, präzis recherchierten Artikel von Volker Zastrow (FAZ vom 4. August) durchgearbeitet. Und nun noch das Interview, das am 30. August vom Domradio mit dem Bischof geführt wurde; unglaublich!
Zur Amtsführung des Bischofs verfüge ich kaum über Insiderwissen, wohl aber über die Informationen, die ich seit Monaten den Medien entnehmen kann und die das öffentliche Bild der römisch-katholischen Kirche wesentlich mitbestimmen. Sie scheinen mir verlässlich, weil sie sich im Hin und Her von Behauptung und Bestreitung herausgebildet, sich in hohem Maße also erhärtet haben. Sollte ich wesentliche Aspekte übersehen, lasse ich mich gerne korrigieren.
Die Situation:
Die Diözese ist polarisiert. Bis hin zum Domkapitel sind gerade diejenigen vor den Kopf gestoßen, die für das Bistum erneuernde Schritte und vom Bischof eine angemessene Amtsführung einfordern, dies nicht nur angesichts der überbordenden Kosten der bischöflichen Residenz, des Bischofshauses also, das neuerdings als Begegnungszentrum umschrieben wird. Dazu gehören eine angemessene Transparenz bei bischöflichen Entscheidungen, die nachvollziehbare Offenlegung der Finanzen, insbesondere der Ausgabenpolitik, ein kollegialer und geschwisterlicher Umgang mit Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern des Bistums, mehr Aufrichtigkeit in der bischöflichen Informationspolitik, mehr Selbstbescheidung im liturgischen und im öffentlichen Auftreten des Bischofs sowie ein Ende bzw. die Zurücknahme autoritärer Personalentscheidungen. Wer das genannte Interview vor dem Hintergrund früherer Ereignisse liest, muss allerdings zum Schluss kommen, dass in der Amtsführung von Bischof Tebartz-van Elst keine Korrektur zu erwarten ist.
Offensichtlich gibt es kein allgemein akzeptiertes Mittel der öffentlichen Kommunikation, das den Bischof zu einem wirklich offenen, aufrichtigen und glaubwürdigen Verhalten bewegen könnte. Zu diesen Mitteln zähle ich im persönlichen und im öffentlichen Raum: Rede und Befragung, Kritik und Widerspruch, Protest und wohlkalkulierte Verweigerung, Aufruf zur Diskussion und der Druck der öffentlichen Meinung. Ich will nicht behaupten, der Bischof sage in zentralen Streitpunkten einfach die Unwahrheit (über Einzelfälle mögen die Gerichte entscheiden), aber die Ablenkungen und Verschleierungen, Ausflüchte, Vertröstungen und halbrichtige Behauptungen sind zur Routine geworden und haben ein jedes Vertrauen in das, was uns der Bischof und seine offiziellen Instanzen zur Selbstverteidigung erklären, schwinden lassen. Dieser Eindruck drängt sich mir jedenfalls bei den vielen bischöflichen Einlassungen auf, die im Laufe der Jahre öffentlich bekannt geworden sind. Dieser enorme Vertrauensverlust ist ein unhaltbarer Zustand, den ein Bistum nicht verdient, der eines Bischofs unwürdig ist und die Betroffenen im Grunde verhöhnt.
Im genannten Interview mit dem Domradio wird das besonders deutlich. Der Bischof ergeht sich ausschließlich in unpersönlichen, allgemeinen und belehrenden Floskeln. Ärger und Kritik nennt er neutral und verschleiernd „Herausforderung“. Die Frage, ob er persönlich Fehler gemacht habe, beantwortet er mit allgemeinen Plattitüden ohne jeden Aussagewert. Alle Bitten um eine persönliche Stellungnahme gleiten an ihm ab, als gingen sie ihn nichts an. Mit der Frage nach der Diskussionskultur in seinem Bistum geht er genauso um. Er tut genau das, was man schlechten, machtbesessenen und betriebsblinden, in Routine erstarrten Politikern gerne vorwirft. Er übt sich in der Kunst, mit vielen Worten nichts zu sagen.
Belehrungen:
Dabei benützt er eine jede Thematik, die angeschnitten wird, zum belehrenden Lobpreis des christlichen Glaubens und der Kirche: Er steht im Dienst an der Einheit. Statt der Hinweise auf die Kommunikationsprobleme im Bistum erklärt er, im Bistum gebe es eine wirklich gut entwickelte synodale Tradition und wir müssten das synodale Prinzip zukunftsfähig machen. Auf einen Hang zu pompöser Liturgie hingewiesen erklärt er, Christus müsse in der Mitte der Liturgie stehen, die Liturgie sei Quelle und Gipfel allen kirchlichen Tuns. Auf seinen – höchst schädlichen – Mangel an Bescheidenheit angesprochen erklärt er kühl, Papst Franziskus habe uns ganz „wichtige Impulse gegeben“. Im folgenden Satz traut man seinen Ohren kaum, wie der Papst dann grandios, wenn nicht gar zynisch relativiert wird; gemäß dem Bischof sagt Franziskus doch in der Tat: „Darüber muss jeder dann selber ins Nachdenken kommen, das ist für den einen dies, für den anderen das.“ Was es für den Bischof selbst bedeutet, kann im Dunkeln bleibt, denn der Bischof findet einen eleganten Übergang zu gekonnter Selbstverteidigung: Immer wieder betone der Papst, wie wichtig die Gastfreundschaft, die unmittelbare Begegnung sei. „Und dafür haben wir in Limburg das Bischofshaus gebaut, und diesem Zweck soll es dienen: dass hier viele Menschen aus dem Bistum zusammenkommen können.“ Auf die Frage, was in den vergangenen Jahren falsch gelaufen sei, bleibt nur ein konkretes Eingeständnis: Er dürfe sich nicht irritieren lassen, wenn seine Botschaft nicht gleich verstanden wird.
Selbstbezogenheit:
Bei diesem frustrierenden Gesprächsgang des Interviews übersieht man leicht, dass die bischöfliche Verteidigung immer wieder in ein Selbstlob mündet. Gleich zu Beginn erklärt er, er nehme die Kritik ernst und er denke nach, führe viele Gespräche, höre genau zu und gehe im Gebet mit diesen „Herausforderungen“ um. Das sei ihm „ganz wichtig“. In solchen Gesprächen könne er zeigen, dass „wir miteinander in die Zukunft gehen“. Wie ein Mantra durchzieht diese Beteuerung das ganze Gespräch. Schließlich habe er auch das Bischofshaus zum Zwecke der Begegnung gebaut. Es sei sein „Anliegen, als Bischof mit den Menschen in Begegnung zu sein. Sie bei mir zu Gast zu haben und mit ihnen gleichsam auch in Mahlzeiten Gemeinschaft zu teilen.“ Als einzigen Mangel rechnet er sich an, dass er diese Gespräche nicht noch intensiver geführt hat. So präsentiert er sich als jemand, der es im Prinzip richtig macht. Nur über die finanziellen Baubelastungen schweigt er sich aus. Dazu würden sich die Fachleute äußern. So wird ein sachgezogenes Gespräch faktisch durch eine selbstbezogene Gesprächsbeteuerung ersetzt.
Ein persönliches Problem?
Spätestens hier denke ich an die psychische Konstitution des umstrittenen Bischofs. Man muss kein ausgebildeter Psychologe sein, um hinter allem ein massives, sehr persönliches Problem zu entdecken.
Bischof Tebartz-van Elst spaltet alles, was ihn persönlich berühren müsste, perfekt von seiner Identität ab. Er müsste verärgert und verletzt sein (und ist es natürlich), doch davon gibt er nichts zu erkennen. Ist er zu stolz, das zu erkennen zu geben? Vielleicht gesteht er sich selbst diese Verletzung nicht ein.
Es ist offenkundig, dass die Beziehungen innerhalb des Bistums zutiefst gestört sind, weil man gerade nicht miteinander gesprochen, sondern von oben her dekretiert hat. Trotz aller Beredsamkeit geht er mit keiner Silbe auf solche Vorwürfe ein. Sollte er sie wirklich nicht verstanden haben oder nachvollziehen können? Möglicherweise hat man ihm (oder hat er sich) dieses Gespür in seinem kirchlichen Werdegang schon lange abtrainiert.
Er steht in Verantwortung für ein schwer kritikwürdiges und Ärgernis erregendes Finanzgebaren, für liturgischen Prunk und autoritäres Verhalten. Wie kann es sein, dass er diese Verantwortung weder übernimmt (und mit Sachargumenten verteidigt) noch sich für Fehlverhalten entschuldigt, sondern sich – wie schon besprochen – in allgemeine Floskeln flüchtet? Ich glaube nicht, dass das alles durch Bauernschläue, simple Heuchelei oder schlechte Arroganz zu erklären ist. Ganz offensichtlich ist dieser Kirchenmann überhaupt nicht fähig, sich selbst zu beobachten und in eine selbstkritische Beziehung einzutreten, seine Schwächen zu erkennen und etwas zuzugeben, vielleicht Reue zu zeigen, geschweige denn darüber zu reden und sein Verhalten konkret zu ändern. Im Gespräch anonymisiert er alle Verantwortlichkeit, nachdem er doch mehr als eine Person Sanktionen unterworfen, abgesetzt oder zum Rücktritt aufgefordert hat, also seine Vorwürfe begründen oder widerrufen müsste.
Dass er nach seinem Rombesuch erklärt, Marc Kardinal Quellet, der Chef der kurialen Bischofskongregation, habe ihn bestätigt, verwundert da schon nicht mehr. Etwas vage erklärt er im genannten Interview: „Ich habe die Situation angesprochen, wie sie bei uns im Bistum ist. Und ich habe große Unterstützung und großen Rückhalt erfahren.“ Auch diese Formulierung verbleibt im Schleier der Worte, statt deren man konkreten Aufschluss erwartet. Mit keinem Wort erklärt er, wie denn gemäß seinem Urteil die Situation im Bistum zu umschreiben ist und wie er sie in Rom dargestellt hat. Prompt müssen deshalb die Leser des Interviews vermuten, der Bischof habe die Situation eben aus seiner verengenden Sicht geschildert und die entscheidenden Kritikpunkte unterschlagen. Dann wird natürlich, wer ihm vertraut, ihn unterstützen.
Möglicherweise haben sich die Warnung vor einer egozentrischen Kirche und der Geist der neuen Geschwisterlichkeit noch nicht überall durchgesetzt. Für Tebartz-van Elst aber gilt: Subjektiv gesehen verletzt er die Gebote der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wohl nicht, denn er scheint für sie kein Gespür zu haben. Dieser Mangel ist schlimmer und für ein Bistum viel katastrophaler als eine einzelne Unaufrichtigkeit und Lüge.
Angst vor den Kritikern:
Seine Kontrahentinnen und Kontrahenten müssen diese Nicht-Beziehung als Verachtung erfahren, weil er bei ihnen dieselbe Haltung unterstellt, unterstellen muss.
Während der Bauphase war das umstrittene Objekt nicht nur mit Sichtschutzplanen vor unliebsamen Photographen, sondern auch Tag und Nacht mit einem permanenten Wachdienst vor Interessenten aller Art geschützt. Der patrouillierende Chef des Dienstes, von einem gefährlichen und hochtrainierten Hund begleitet, soll seinen Dienst so begründet haben: Der Bischof „will keine Presse. Ich muss die Leute fernhalten. In letzter Zeit gab es viele Probleme. Es gibt Leute, die den Bischof hassen.“
In diese Projektion passt auch das während einer Besuchszeit eingeschaltete Diktiergerät vor dem Porträt des Bischofs. Was sollte es anderes als Besucher – höchst unprofessionell – auszuhorchen? Man geht schon nicht mehr einer belastbaren Antwort nach, denn in dieser vergifteten Atmosphäre hält man es einfach für möglich.
Die Kontaktunfähigkeit zu anderen verhindert auch, dass er selbst den Zynismus bemerkt, mit dem er lächerliche und banalste Entschuldigungen produziert, so etwa:
– das Bischofshaus sei doch überhaupt nicht barock, sondern ganz einfach eingerichtet;
– das Bischofshaus sei ja nur mit dem Ziel gebaut, dass man dem Bischof begegnen kann; im bischöflichen Teich habe er – plötzlich wieder – nur normale Goldfische, nachdem die teuren Kois ins Gerede gekommen waren;
– über die tatsächlichen Kosten könnten nur die Fachleute Auskunft geben.
Auf die Probleme mit dem Indienflug ist hier nicht einzugehen. Insgesamt hat sich ein ganzes Konglomerat von Problemen aufgetan, die auf ein schweres psychologisches Problem hindeuten. Dieses, so meine Vermutung, macht ihn schlicht unfähig dazu, das Amt eines Bischofs auszuüben. Dies gilt unabhängig von seiner spezifisch kirchlichen oder theologischen Qualifikation. Nach meinem Urteil könnte er auch kein anderes leitendes Amt ausfüllen; als Lehrer wäre er eine Katastrophe und als Vater würde er seinen Kindern das Verhältnis zu ihm nicht einfach machen. Was dagegen zu tun ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat der Stadtdekan von Frankfurt recht, der ihm im persönlichen Gespräch empfahl, sieben Jahre lang als Pfarrer und ohne Sonderrechte die „armseligste Großpfarrei im Bistum“ zu leiten.
Bischofsamt überhöht:
Wenn andere Berichte stimmen, neigte Tebartz-van Elst schon in früheren Jahren zur Prunksucht. Man wusste also, mit wem man es zu tun hat. So kommt die Frage auf, warum ausgerechnet er zum Bischof ernannt werden konnte. Die Antwort ist m.E. nicht schwierig. Bischöfe wurden bislang nur dann berufen, wenn sie absolut obrigkeitshörig waren und sich von persönlichen Sonderproblemen der Gläubigen nicht irritieren ließen. Zu ihrer Amtsführung gehörte unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in wachsendem Maße die Überhöhung des eigenen Amtes durch Prunkentfaltung, die natürlich nie dem Liturgen, sondern Christus galt. Typisch dazu ist die Antwort des Bischofs auf die Frage der Liturgie. Da wird von der Gegenwart Christi geredet und davon, dass seine Gegenwart erfahrbar werden soll. Was Jesus selbst von solcher Prunksucht hielt, scheint keine Rolle zu spielen. Jetzt können wir hoffen, dass solche selbstherrlichen Formen der Amtsführung endgültig am Ende sind. Was aber tut dann Tebartz-van Elst? Hoffentlich werden wir nicht enttäuscht.
Rücktritt als Lösung:
Allerdings reicht es nicht aus, einfach auf mehr persönliche Bescheidenheit zu achten. Zu ändern sind die Strukturen und deren rechtliche Legitimation. In der Alten Kirche haben die Ortsgemeinden ihre Bischöfe gewählt und gegebenenfalls wieder abgesetzt. Davon ist seit dem Mittelalter keine Rede mehr. Selbst die Mitwirkung von Diözesen bei der Wahl ihres Bischofs wurde in den vergangenen Jahrzehnten systematisch geschwächt. Für mich lautet die theologische Folgerung: Keiner unserer Bischöfe hat Anspruch auf eine Autorität, die er sich nicht selbst vor und mit den Gemeinden verdient hat, denn durch seine intransparente und immer autoritär vollzogene Ernennung hat er sie nie erworben. Deshalb ist auch der Ruf nach der Absetzung eines Bischofs gegebenenfalls legitim. Bei Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst wäre sie angemessen.
Höfische Attitude:
Der deutsche katholische Durchschnittsbischof zeichnet sich durch Romgehorsam und eine Tugend aus, die mit „kirchlicher Gesinnung“ umschrieben wird. Der Begriff führt in die Irre, denn gemeint ist gemäß dem ursprünglichen Ignatiustext, wir müssten „in allem … gehorchen der wahren Braut Christi Unseres Herrn, die da ist Unsere Heilige Mutter, die Hierarchische Kirche“. Der Akzent liegt auf „hierarchisch“. Was Kirche bedeutet und darstellt, wird also in Rom bestimmt. Dazu gehört eine Mentalität, die Irrtum nicht kennt und keinesfalls zugibt. Bitten um Vergebung blieben die ganz großen Ausnahmen und bis hinein in die Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils wird die Kirche nie aufgefordert, etwas zu tun und wird kaum beklagt, dass sie etwas unterlassen hat. In höfischem Stil wird immer im Indikativ geredet. Eine jede Norm gilt von der „wahren Braut Christi Unseres Herrn“ immer schon als erfüllt.
Auch diese Perspektive bietet für die Sprache und das Verhalten des Limburger Bischofs eine Erklärung an. Er hat den höfischen Stil internalisiert, kann sich nur in ihm äußern. Deshalb gibt er statt Selbstkritik nur Normen zum Besten, statt eines persönlichen Zeugnisses nur offizielle Erklärungen.
Genau dies verleitet ihn bei seinen Ausführungen über mögliche Irrtümer zu einer geradezu grotesken Erklärung. Er sagt: „Kein Mensch ist ohne Fehler, jeder Mensch macht Fehler. Wir Christen haben eine großartige Botschaft: Dass wir Fehler machen dürfen. Dass wir sie dann einsehen müssen und wir dann immer wieder neu beginnen dürfen. Das ist das Großartige, was uns vom Evangelium her zugesagt ist.“ Dieser Satz wird nur dann akzeptabel, wenn Bischof Tebartz-van Elst seine Fehler einsieht, sie öffentlich eingesteht und nach Möglichkeit revidiert, die dadurch geschädigten Personen und das betroffene Bistum um Entschuldigung bittet und so zu einem Neubeginn fähig wird. Dann könnte der „großartige“ Fall des Evangeliums eintreten. Solange das nicht geschieht, entfaltet der Satz aber eine zynische Botschaft: Was wollt ihr denn, unter Christen sind doch Fehler erlaubt. Ich behaupte nicht, der Bischof denke zynisch, aber er erkennt nicht den Zynismus, den seine Aussage angesichts der gegenwärtigen Situation produziert. Das kann und das darf ein Bistum nicht hinnehmen.
Ausblick:
Die Doppeldeutigkeit dieser Situation erinnert mich an ein Wort, zu dem sich Bischof Cordes bei einer Buchvorstellung im Frankfurter Dom verstiegen hat. Der Bischof von Limburg sei, so Cordes, ein „unersetzlicher Gastgeber“. Doch „der Hass der Welt[!] trifft mit dem Herrn[!] auch meine bischöflichen Mitbrüder. Besonders auch diesen. So dürfen wir mit Christus das Kreuz tragen.“ Dies rührt an den Kern einer großklerikalen Perversion, die nicht selten anzutreffen ist. Wer die Purpurträger, aus welchen Gründen auch immer, zu kritisieren wagt, gilt nach Cordes automatisch als Teil der bösen Welt; dafür garantieren Bischofsstab und Mitra. Die Kritisierten selbst aber, so seine selbstverliebte Meinung, können sich des erlösenden Kreuzes Christi sicher sein.
Der Fall Tebartz-van Elst ist deshalb so wichtig, weil er eine Mentalität bloßlegt, die sich – gedämpfter vielleicht – bei vielen Bischöfen eingenistet hat. Entgegen der biblischen Botschaft meinen sie doch wirklich, die Zukunft der Kirche und der Schutz ihrer Wahrheit hingen unverzichtbar von ihnen ab. Sie täuschen sich. Der Erfolg des monomanen Kontrollsystems, das sie seit gut 100 Jahren etabliert haben, spricht eine andere Sprache. Seine Überwindung wird uns noch harte Arbeit kosten.
Am 31. August, also nach seinem Rombesuch und nach dem hier besprochenen Interview, schrieb Tebartz-van Elst einen Brief an seine Schwestern und Brüder im Bistum Limburg. In ihm herrscht ein anderer Ton vor. Endlich redet der Bischof von sich und deutet mögliche Fehler seinerseits an. Das erste Presseecho war positiv. Vielleicht ist dieser Brief ein erster Erfolg seiner Romreise, und wahrscheinlich ließ er sich bei der Abfassung dieses Briefes endlich beraten, vielleicht die Feder führen. Er muss aber wissen, dass dieser zarte, geradezu ängstliche Beginn einer Annäherung noch vieler, vieler Schritte bedarf. Der Bischof muss nämlich wissen, dass sich sein bisheriges Wirken tief in das Bewusstsein seiner Diözese eingegraben hat. Falls er sein Amt nicht zur Verfügung stellt, hat er noch einen dornigen Weg vor sich.
Wir aber lassen uns nicht davon abhalten, im Wissen um unsere Aufgabe unseren eignen Weg der Erneuerung der Kirche zu gehen.
Dazu wünsche ich Ihnen die Kraft des Geistes, ein großes Herz und die Freundschaft von Vielen, die mit Ihnen an einem Strang ziehen
Ihr
Hermann Häring
Inhalte des Briefes wurden der Öffentlichkeit durch den Beitrag in Spiegel online (11.09.2013) von Birger Menke und Peter Wensierski bekannt: Theologe über Tebartz-van Elst „Eines Bischofs unwürdig“.