Der Mensch vor dem absoluten Geheimnis, oder: Wie überzeugend beantwortet K. Rahner die Frage nach Gott?

Über den deutschen Sprachraum hinaus kann Karl Rahner als einer der einflussreichsten römisch-katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts gelten. Er versteht Gott als absolutes Geheimnis. Doch als Geheimnis sieht er ebenso den Menschen, dessen Idee sich in Jesus Christus konkretisiert hat. Der Artikel stellt die These auf: Die geniale Konzeption Rahners, die die Geschichte Jesu vernachlässigt und Kant gegen dessen Absichten interpretiert, ist einem überholten westlichen Überlegenheitsdenken verpflichtet.

Zwei Fragen:
Im Jahre 1974 richtete der bekannte Rahner-Interpret Klaus Fischer an Karl Rahner zwei Fragen gerichtet, die noch immer aktuell sind[1]. Die erste lautete: „Man hört immer wieder, es gebe eigentlich ‚zwei Rahner’: einen, der über geistlich-erbauliche Themen schreibt, und einen, der wissenschaftlich-systematische ‚Schriften zur Theologie’ verfasst. Wie erklären Sie selbst diese ‚Zweispurigkeit’ Ihrer literarischen Tätigkeit?“ In seiner zweiten Frage wollte Fischer wissen, wieso nach Rahners Überzeugung „die unterste Stufe der … Gnadenerfahrung jedem Menschen zugänglich“ ist. In seiner ersten Antwort erklärte der Befragte, letztlich können Theologie und Spiritualität nicht aufeinander verzichten können. In seiner zweiten Antwort verteidigt er seine Überzeugung, dass kraft ihres Geistes alle Menschen Gnade erfahren können; diese Erfahrung sei ein „Existential“ des Menschen. Zugleich sei diese Erfahrung nicht selbstverständlich, sondern eben Gnade. In einer solchen Gnadenerfahrung erkennt er unbedenklich die „unterste Stufe der Mystik“, denn mit Gnadenerfahrung lässt sich auch die Wesensmitte höchster Mystik umschreiben.[2]

Mit diesen Fragen befinden wir uns mitten in einer zentralen Denkbewegung dieses wichtigen Theologen, vor hundert Jahren (1904) geboren und vor 20 Jahren (1984) gestorben. Von der deutschen Theologie werden diese Gedenktage intensiv begangen. Neue Bücher über ihn sind erschienen[3] und das immens Projekt seiner „Sämtlichen Werk“ erhält einen kräftigen Impuls. Keine theologische Fakultät und keine Diözesanakademie hat ihn vergessen; Vorlesungen und Symposien sorgen für die nötige Aufmerksamkeit. Ob die Zuhörerschaft die Themen bis ins Detail begreift, wage ich zu bezweifeln. Manche möchten Karl Rahner auf einen erbaulichen Frömmigkeitslehrer reduzieren. Doch Karl Rahner ist mehr und seinen Leserinnen und Lesern verlangte er schon immer die Mühe des Mit-Denkens ab. Seine Artikel zu lesen war nie einfach und mehr denn je entsteht der Eindruck, als komme er aus einer jenseitigen Sprach- und Denkwelt und als bleibe er auf der Mitte einer Brücke stehen, ohne je entschieden zu haben, nach welcher Seite hin er sie verlässt. Wer ihn verstehen will, muss diese Schwebe aushalten und ich werde ebenfalls versuchen, diese Schwebe zu halten, bis ich zu meinen eigenen Folgerungen gelange.

Rahners Grundakkord:
Dabei möchte von dem Grundakkord bleiben, der Rahners ganzes Denken durchzieht und in den mindestens drei Themen verwoben bleiben. Es geht ihm um den Menschen, um das Geheimnis und um Gott und diese drei Größen sind ineinander in paradoxer Weise verstrickt. Gott erscheint immer als Geheimnis, aber dieses Geheimnis ist nicht einfach „Gott“. Unstrittig stehen wir Menschen (zunächst) diesem Geheimnis gegenüber, zugleich sind wir dieses Geheimnis. Nur weil wir es schon in uns tragen, können wir es auch empfangen. Wir werden versuchen, diese komplexen Zusammenhänge zu entschlüsseln. K. Rahner ist ein Denker von und in Gegensätzen.

Hüten wir uns also vor einfachen Lösungen, obwohl manche seiner Aussagen so simpel klingt. Wer wollte aus religiöser Perspektive etwa die Behauptung leugnen, dass Gott das Geheimnis von Mensch und Welt ist? Ebenso schlicht liest sich der Hinweis, dass wir Menschen ein Geheimnis in uns tragen; um das zu wissen, haben wir keinen K. Rahner nötig. Wie aber hängen diese Grundaussagen zusammen? Auf diese Zusammenhänge kommt es bei Rahner ebenso an wie in der gegenwärtigen Theologie.

Gliederung in vier Schritten:
Ich möchte die Thematik angerissene Thematik in vier Schritten behandeln.
– Im ersten Schritt stelle ich die Frage nach dem Menschen in den Mittelpunkt. K. Rahner definiert ihn als das hörende Wesen.
– Im zweiten Schritt setze ich mich mit der Frage nach Heil und Erlösung auseinander. K. Rahner definiert Gnade (ebenso wie Jesus Christus) als die Selbstmitteilung Gottes. – Im dritten Schritt dann frage ich nach „Gott selbst“, den Rahner in geradezu glühender Leidenschaft als die Verborgenheit des Geheimnisses versteht.
– In einem vierten Schritt stelle ich an K. Rahners Denken einige grundsätzliche Fragen; sie haben nicht die Funktion einer simplen Kritik, sondern sollen ein Gesprächsprofil herausarbeiten, das den Weg zu wichtigen Differenzierungen und Erweiterungen öffnet.

I. Der Mensch: „Hörer des Wortes“

Der Mensch ist die absolute Offenheit für Sein überhaupt, oder, um dieses in einem Wort zu sagen, der Mensch ist Geist. Die Transzendenz auf Sein überhaupt ist die Grundverfassung des Menschen. (Hörer des Wortes, S. 70)

Diese Aussage aus dem Jahr 1941 gehört zu den unumstößlichen Basis-Sätzen von Rahners Anthropologie: Der Mensch ist Geist, d.h. Offenheit für das Sein, auf dieses ausgerichtet und für es empfänglich. Deshalb ist er in der Sprache christlicher Tradition: „Hörer des Wortes“. Wie wir sehen werden, hat Rahner damit sein Denken tief im Urgestein des westlichen metaphysischen Denkens verankert. Zugleich hat er versucht, diese altehrwürdige Tradition gemäß den Fragestellungen des 20. Jahrhunderts interpretieren, bevor es die Schwelle zum Postmoderne überschritt. Dieser Spagat, der alle intellektuellen Kräfte und die Leistungsfähigkeit unserer Glaubenssprache eigentlich übersteigt, ist von der (für Rahner urkatholischen) Überzeugung getragen, dass die scholastische, mit Thomas von Aquin repräsentierte Tradition von überzeitlicher Geltung ist und bleiben kann. Dass er dafür ein hochinteressantes Konzept vorlegt, darin liegt wohl Rahners spätere Bedeutung.

1.1 Zum Wesen der Dinge

Verunsicherung durch Kant:
Damals war die Zeit für ein solches Unternehmen günstig und nach 1945 konnte es eine große Anhängerschaft gewinnen. Die Erfahrungen mit dem Faschismus und dem 2. Weltkrieg verstärkten diesen Ruf nach der alten Tradition. Man muss dazu nur die zutiefst konservativen Aufsätze seines Bruders Hugo Rahner (1900-1968) lesen[4]. Zugleich war mit der Moderne war „der Mensch“ (so die damalige Redeweise) unabweisbar als handelndes und als ein machtvolles Wesen ins Zentrum gerückt. Er verstand sich als ein Subjekt, das sich und die Welt mehr und mehr begreift und immer ungehemmter zugreift. Wo die Grenzen dieses Begreifens und Zugreigens liegen, war aber auch schon zum Problem geworden. Denn seit Kant hatte sich auch ein intensiver Diskurs über die Grenzen und dieses Subjekts entwickelt. Doch im Grunde brachte diese Auseinandersetzung keine stabilen Lösungen. Vor allem die katholische Theologie positionierte sich immer mehr in Distanz. Mit ihrem programmatischen Antimodernismus und der Unfehlbarkeitsdefinition von 1870 hatte sie schließlich ein konstruktives Gespräch verweigert.

Vom Erkennen zum Verstehen:
Ein nachhaltiger Ausweg eröffnete sich erst, als sich seit dem 19. Jahrhundert der Horizont weitete. Jetzt ging es um das Verstehen der Welt, das zugleich ein wahrnehmend passiver und ein freiheitlich aktiver Akt ist. Wir Mensch, das „geschichtliche“ Wesen (Heidegger). Wir lassen uns von Mitmenschen und Umwelt prägen, ohne unsere Identität aufzugeben. Wir eigenen uns die Wirklichkeit an und verwandeln uns in sie hinein. Martin Heidegger (1889-1976) wird zur Schlüsselfigur dieses existentialen Ansatzes.

Mit Heidegger ist manche Theologie gegangen. Man hat sie existential, existentialistisch und hermeneutisch weiter entwickelt. Doch Karl Rahner, der sich intensiv mit Heidegger beschäftigt und 1934-1936 bei ihm studiert[5], begnügt sich damit nicht. Im katholischen Raum waren damals Maurice Blondel[6], und vor allem der belgische Jesuit Joseph Maréchal[7] einflussreich[8]. Das menschliche Erkenntnisvermögen, so dieser Ansatz, wirkt nicht wie ein Mechanismus, der Kants Kategorien die in sich unerkennbaren Dinge überstülpt, ohne in deren Wesen einzudringen. Jetzt wird das menschliche Erkenntnisvermögen als ein dynamischer Prozess begriffen. Von seiner innersten Natur her ist er fähig und bestrebt, in das Wesen der Dinge einzudringen. Es geht (so die Intuition von Blondel) um eine innere Dynamik, um einen Erkenntnisdrang, und (so das Erbe von Thomas) um eine innere Konnaturalität zwischen Subjekt und Objekt.

Maréchal weitergedacht:
Konnten Maréchal und K. Rahner einen Durchbruch erzielen, also die engen Grenzen ihrer mittelalterlichen Ausgangspunkte sprengen? Für K. Rahner war der neue Ansatz Maréchals interessant genug, um ihn voranzutreiben. Er tat es in seiner frühen Veröffentlichung mit dem etwas kryptischen Titel „Geist in Welt“ (1939)[9], die er während seiner Freiburger Heidegger-Zeit schreibt. Der zentrale Gesprächspunkt dieser Auseinandersetzung lautet: Wie ist es möglich, dass wir Menschen – gemäß dem aristotelischen Ansatz von Thomas – zur Wahrheit der Dinge über die Sinne vorstoßen müssen und dennoch zu allgemeinen Aussagen über das Wesen der Dinge kommen?[10] In einem solchen Erkenntnisprozess der (sinnenhaften) Dinge sind ein Erkennen und eine Setzung des Seins eingeschlossen. Allerdings verbindet sich damit auch ein Rückgang zur eigenen Identität, denn dieses Erkennen vollzieht sich in mir; es ist ein Prozess meines Bewusstseins. Das Erkennen ist also nicht nur auf die Sache, sondern zugleich auf mein Inneres gerichtet. Ich komme dabei zu mir selbst und trete in einen Horizont des Selbstverständlichen ein, in dem das Sein selbst gegenwärtig ist.

Versöhnung von Tradition und Moderne:
Mit diesem Dreieck von „Selbst“, „Dinge“ und „Sein“, also von Subjektivität, Welthaftigkeit und umfassendem Grund hat sich Rahner mit seinen gut 30 Jahren eine Grundstruktur festgelegt, die ein Leben lang stabil bleiben wird. Aus dem konstanten Versuch, die Spannung (also den Zusammenhang und die Unterscheidung) zwischen diesen drei Polen aufrechtzuerhalten, erkläre ich mir die Faszination und die Grenzen seines Werkes bis heute. Faszination und Grenzen ergeben sich natürlich auch aus konkreteren anderen Gründen. Von Anfang an hat Rahner Sprachelemente und Intuitionen von M. Heidegger übernommen und damit einen äußerst fruchtbaren Zugang zur Moderne gefunden. Zugleich hat er seine Neuformulierungen als legitime Auslegung von Thomas von Aquin präsentiert und das Kant’sche Problem in reine Positivität gewendet. Mit dieser Kombination konnte er Anhänger der klassischen Metaphysik, der klassischen katholischen Theologie, eines von Kant beeinflussten Denkens und die Anfänge der modernen Hermeneutik in gleicher Weise ins Gespräch ziehen. Diese Konstellation von Tradition, Modernität und philosophischem Problembewusstsein hat ihn im Grunde unangreifbar gemacht, weil sich verschiedenste Denkelemente in flexibler Weise miteinander vermischen ließen.

1.2 Hörer des Wortes

Ein bahnbrechendes Buch:
Mit diesen Grundlagen ausgerüstet hielt K. Rahner 1937 bei den Salzburger Hochschulwochen religionsphilosophische Vorlesungen hielt und veröffentlichte später diese Texte unter dem Titel Hörer des Wortes[11]. Titel und Buch verschafften seinem Autor über Nacht Gehör, denn an Hand dieser Religionsphilosophie zog Rahner jetzt die Konsequenzen für die Frage nach Gott. Jetzt spricht der Theologe, – jedenfalls der Philosoph, der sich auf eine streng theologische Frage konzentriert[12]. Er postuliert zwei Festlegungen, die aus theologischer Perspektive jedenfalls einleuchten.
(1) Von Thomas her lässt sich sagen: Das Sein in sich, das Sein als es selbst, sozusagen in sich zu einer eigenen Identität versammelt, ist GOTT. Wenn jede menschliche Erkenntnis im Grund auf eine Erkenntnis des Seins zielt, ist in jeder Wahrheitserkenntnis Gott selbst implizit gegenwärtig.
(2) Mit Heideggers Sprache und Seinsanalytik her lässt sich sagen: Es gehört zur existentialen Struktur des Menschen, dass GOTT wenigstens als Frage, als Schweigen, als GEHEIMNIS gegenwärtig ist[13]. Im Blick darauf wird Rahner später nicht aufhören, vom „unaussprechlichen Geheimnis“ zu reden. Sein Wort ist nicht erzwingbar, aber möglich. Geist als die Offenheit zum Sein besagt deshalb das Vermögen, GOTT in seinem Geheimnis und als Geheimnis zu hören. Religion im klassischen Wortsinn und Offenbarung im theologischen Verständnis sind möglich.

Die damit gegebene Spannung zwischen Selbst (Glaubendem), Dingen (konkretes Leben) und Sein (Unaussprechliches Geheimnis) hat Rahner später immer wieder in eine lebendige und erfahrungsgesättigte Sprache überführt. Was am Anfang seines Denkens als in Granit gehauene, auf Erkennen gegründete, als säkular vermittelbare Grundüberzeugung entwickelt ist, wird später in die Sprache konkreter Erfahrung, des glühenden Glaubens oder gar des Gebetes umgesetzt. So kippt auch die spätere Sprache bei aller Frömmigkeit nie in peinliche Erbaulichkeit um. Auch der Kritiker wird später immer erkennen, dass sein frommes Wort von einem Gerüst der Argumente getragen wird. 1972 umschreibt das der damals 68-Jährige so[14]:

Ein Schlüsseltext:
„Ich möchte ein Mensch sein, der frei ist und hoffen kann, der begreift und vollzieht, dass er selbst seiner Freiheit anvertraut ist, die durch sein Leben hindurch sich selbst vollzieht und endgültig das aus sich macht, was als der Entwurf eines Menschen ihm vorgegeben ist: ein Mensch der Treue, der Liebe, der Verantwortung. Ich bin davon überzeugt, dass eine solche Freiheitsgeschichte der wirklichen Selbstbestimmung sich mitten durch alle die undurchsichtigen Einzelheiten, Fragwürdigkeiten, Ratlosigkeiten, Unsachgemäßheiten, Anläufe ohne greifbares Ziel hindurch ereignet, die unser Leben anfüllen, dass das geschichtliche Leben des Menschen in Freiheit also auf einen absoluten Entscheidungspunkt hinsteuert, eine solche Entscheidung in sich birgt, dass das Leben als eines und ganzes verantwortet werden muss und nicht einfach durch diese Einzelheiten hindurch zerrinnt ins Leere. Natürlich können die Philosophen und andere Theoretiker des menschlichen Lebens über solche Begriffe wie Freiheit, Verantwortung, Liebe, Selbstlosigkeit und so fort endlos nachdenken, und auch mir sind solche Begriffe nicht einfach klar und durchschaubar. Aber sie haben einen Sinn und geben eine Richtung der Entscheidung in den tausend Lappalien des Lebens an. Es kann den Anschein erwecken, als könne man solche Worte psychoanalytisch, biologisch, soziologisch auflösen und als vermeidbaren oder unvermeidbaren Überbau viel primitiverer Dinge entlarven, die dann allein als die wahre Wirklichkeit zu gelten haben. Aber da in all solchen Versuchen selbst nochmals dasselbe Subjekt mit seiner Verantwortung am Werke ist, sind für mich solche Destruktionsversuche falsch. Ich entrinne nicht und will nicht dieser meiner verantwortlichen Freiheit eines wahren Subjekts entrinnen. Ich nehme mich an. Ich nehme mich an ohne Protest mit allen den Bedingtheiten und Zufälligkeiten meiner biologischen und geschichtlichen Existenz, auch wenn ich das Recht und die Pflicht habe, daran zu ändern und zu verbessern, was mir daran belastend zu sein scheint. …“

 1.3 Vom Wesen zum Geheimnis

Hören können:
Rahner hat seine Virtuosität und seine Überzeugungskraft genau zwischen, auf der Schwelle von Philosophie und Theologie, auf der Brücke von der einen zur anderen entwickelt. Weil „Gott“ sich frei zum Menschen verhält, wird dieser Übergang nie in ein zwingendes Argumentationsgehäuse gesteckt. Geist wird zugleich zum Begriff für Hören und Selbstvollzug, notwendige Orientierung und Freiheit. Das Geheimnis selbst wird in der Metapher des Wortes, also im Widerspiel von Reden und Hören beschrieben. Für Rahner ist das Hören- und Vernehmen-Können das vornehmste Vermögen der Menschen. Deshalb ist der Mensch zutiefst „Hörer des Wortes“. Rahner spricht in lateinischer Tradition von der potentia oboedientialis[15]. Es ist eine Perspektive, die später in großer intellektueller Geschlossenheit durchgehalten wird. Es geht, wie gesagt, um den Übergang von der menschlich offenen und hörbereiten Grundsituation zur Situation des religiösen Glaubens, in der das gehörte Wort faktisch „ankommt“. Der zitierte Text macht das folgendermaßen deutlich:

Das dunkle Wort „Gott“:
„Der freie Grundakt des Daseins geht … auf das oder besser den, den wir Gott nennen.
* Ich weiß, dass dieses Wort dunkel ist.
* Ich weiß, dass, was damit gemeint ist, im Leben eines Menschen auch vorkommen kann, wenn die Vokabel selbst bei ihm nicht vorkommt.
* Ich weiß, dass mit diesem Wort ungeheuerlicher Unfug getrieben wurde, weil mit diesem Namen Grässliches und Törichtes genug gerechtfertigt wurde.
* Ich sage: der letzte Grund meiner Hoffnung im Akt der bedingungslosen Annahme meiner Existenz als sinnvoll wird von mir Gott genannte. Er wird damit nicht die Projektion meiner Hoffnung ins Leere hinein.
* Denn einerseits wird im selben Augenblick, da ich Gott als meine Projektion denke, ‚Gott’ für mich sinnlos und unwirksam im Leben, und andererseits kann ich den Grund meiner Hoffnung so wenig wie diese selbst aufgeben.
* Gott muss der Wirklichste und alles tragend Umfassende sein, damit er Grund und Ziel in einem für die Hoffnung sein könne, die in der vertrauenden Grundannahme des Daseins gesetzt wird.
* Dieser Gott ist aber ein einem das unbegreifliche Geheimnis. Denn diese Hoffnung (in der Vernunft und Freiheit noch eins sind) geht über alles Angebbare hinaus, weil alles Einzelne, das begriffen, umgriffen gedacht und als Einzelposten in das Kalkül des Lebens eingesetzt werden kann, immer durch anderes mitbestimmt und bedroht ist und bleibt.
* Der Akt der Annahme des Daseins in Vertrauen und Hoffnung ist darum, wenn er sich selbst nicht missverstehen soll, der Akt eines Sichloslassens in das unbegreifliche Geheimnis hinein.[16]

II. Gnade: Selbstmitteilung Gottes

„Die Selbstmitteilung Gottes ist nicht nur der Ursprung der Gotteserkenntnis durch die Kreatur. Sie ist ein dynamisches Prinzip, ‚der eigentliche Grund der Hoffnung der Welt’, sie ist ‚die Realisierung der Liebe Gottes zur Welt und das Prinzip der Liebe der Welt zu ihm’. Und so ist sie ‚der Ursprung der Welt, der tragende Grund ihrer Geschichte und (in ihrer Vollendung) das Ziel dieser Geschichte und der Inhalt ihrer Endgültigkeit“[17]

 Im ersten Schritt versuchte ich zu erklären, dass und wie nach Rahner jeder Mensch – wenigstens implizit ‑ vor dem unaussprechlichen Geheimnis steht, gleich ob er es als solches erkennt oder nicht. Aber das genügt dem Theologen Rahner nicht. Technisch gesprochen geht es im diesem zweiten Teil um Gnadenlehre und Christologie. Inhaltlich gesprochen geht es um die Frage: Wie stehen Menschen – konkret und vielleicht sogar ausdrücklich – vor diesem Geheimnis? Auch hier überrascht die Dichte und Konsistenz, mit der Rahner die Frage analysiert und beantwortet.

2.1 Die unüberholbare Antwort

Wer ist Jesus?
Wir beginnen mit einem recht konventionellen Text, der nicht von K. Rahner stammen müsste, aber er hat ihn geschrieben. Er handelt von Jesus von Nazareth:

Da ist einer …, der liebt, der getreu ist bis in den Tod, bei dem das ganze Menschsein, das Leben, das Reden, Handeln offen ist auf das Geheimnis hin, das er seinen Vater nennt, dem er sich auch dann noch vertrauend übergibt, wenn alles scheitert. Für ihn ist der unauslotbare Abgrund seines Lebens die bergenden Hände des Vaters. Und so hält er an der Liebe zu den Menschen auch noch fest und an der Hoffnung schlechthin, wo alles im Tod unterzugehen scheint.“

Rahner akzeptiert also diese geschichtlich und narrativ vermittelnde Aussage, doch unvermittelt stößt er – aus dieser erzählenden Atmosphäre heraus und vor zu streng metaphysisch-theologischen Aussagen über Jesus:

ER ist der von Gott angenommene … hier ist das Menschsein endgültig selig geglückt“.
ER ist die Frage und die Antwort in einem …
ER ist die letzte unüberholbare Antwort…
ER ist das Wort Gottes an uns, die Antwort auf die eine Frage, die wir sind“

Und später:

„Hier bei Jesus hat man das absolutum concretum. Man braucht sich nur auf diesen konkreten Menschen liebend und unbedingt einlassen. Dann hat man alles.“

Erst dann bricht die Kontingenz der Welt wieder durch:

„Freilich muss man mit ihm zusammen sterben. Aber diesem Schicksal entrinnt keiner …
Hier wird erst alle Metaphysik vom Menschen konkret“

Gnadenverständnis personalisiert:
Auf das Problem dieser hohen Christologie komme ich später zurück. Hier ist zu fragen: In welchem Zusammenhang entwickelt er sie?[18] Rahner bewegt sich hier von Anfang an, zumal in seinen frühen Innsbrucker Vorlesungen[19], auf eine entscheidende Neuerung zu. Wie bekannt, verwendete die traditionelle Scholastik – in Reaktion auf den personalisierten Ansatz M. Luthers – auf die Fragen der Gnade große Mühen der Distinktionen. Meist ging es – traditionell gesprochen – um die „geschaffene Gnade“, also um die Gnadenwirkungen verschiedenster Couleur. Rahner durchstößt diese Vielfalt auf deren Ursprung und Kern hin: Gott teilt uns Menschen in der Gnade nicht „etwas“ mit, vielmehr teilt es sich uns selbst mit. Es gibt nichts, das sich zwischen Gott und uns schieben könne. Mehr noch: für den Christen gibt es nichts, das sich zwischen uns und Christus schieben kann. Schon sehr früh taucht der Schlüsselbegriff der „Selbstmitteilung“ Gottes auf[20] und die Gnade wird – ineins damit – sehr früh zur Gnade Christi.

Gott wirkt in allem:
Aus heutiger Sicht kann diese Entwicklung nicht überraschen. Es wiederholt sich nämlich die Struktur aus „Hörer des Wortes“. Zwar ist im Menschen alles auf die Selbstmitteilung Gottes hin angelegt, und doch bleibt der Vollzug dieser Selbstmitteilung ganz der Freiheit Gottes anheimgestellt. Rahner will keinem Pantheismus verfallen. Aber diese Selbstmitteilung wird nun auch für die Gnade zum eigentlich belebenden, wirksamen, alles durchdringenden Kernprinzip von Rahners Theologie. Gott ist gegenwärtig, Gott wirkt in uns allen, Gott hat sich uns allen überliefert. Gottes in uns gegenwärtiges Geheimnis ist kein philosophisches Postulat, sondern – das ist christliche Überzeugung – reale Wirklichkeit. Bei aller Ehrfurcht vor dem Unaussprechlichen kann Rahner diese Selbstmitteilung und diese Gegenwart nicht real und nicht massiv genug formulieren. Selbstmitteilung erschöpft sich nach Rahner nicht in Informationen, vielmehr „gibt [Er] sich selbst in seinem göttlichen Leben in wirklicher Selbstmitteilung zu eigen. Er selbst ist die Gnade unseres Daseins“[21]

2.2 Die Idee des Menschen

Vom Geheimnis behütet:
So wohnt Gott dieser Welt, der Geschichte, uns Menschen also in einer Weise inne, die sich konkreter und wirklicher nicht denken lässt. Gott selbst wird „in seiner innersten Herrlichkeit die absolute Zukunft des Menschen“[22]; er wird Geschichte. Der Mensch tritt dem absoluten Geheimnis also nicht nur gegenüber, indem er das Geheimnis implizit mitsetzt und mitvollzieht. In seiner Gnade tritt Gott dem Menschen – als Gott, nicht nur als transzendentale Voraussetzung des Menschseins – gegenüber und wird ihm schließlich im Tode endgültig gegenübertreten[23]. Aber auch dann wird Gott, der Gegenwärtige, Geheimnis bleiben: Der Mensch ist nicht „der Hirte des Seins, sondern der von dem Geheimnis Behütete.… Er ist angerufen von dem, was keinen Namen mehr hat“. Er wird überwältigt von „dem Verstummen, das notwendig ist, um das Schweigen zu hören und Gott liebend anzubeten.“

Eine irreversible Zusage:
Karl Rahner ist von diesem Grundgedanken so erfüllt, dass er auch sein Christusbild von dort her weitertreibt. Was nämlich für alle Menschen in ihrer Begnadung gilt, das gilt exemplarisch für Jesus Christus; der Mensch ist die „Idee Christi“[24]. Umgekehrt ist Christus deshalb „das entscheidendste und wichtigste zugleich und zudem dasjenige, das am deutlichsten auf den Menschen … hin bezogen ist“[25]. Gottes Gegenwart ist in ihm endgültig Gegenwart geworden; die klassische Christologie erhält ihre vorbehaltlose Bestätigung. Rahner nennt diese Gegenwart beseligend, unüberholbar, irreversibel, siegreich, in definitiver, in Geschichte und Natur gewordener Weise. In Christus hat die Zusage Gottes ihren höchsten Gipfel, eine siegreiche Selbstzusage, einen substantiell gewordenen Dialog, ein definitiv angebotenes und angenommenes Ja, erreicht, das absolute Ja, das der Menschheit gesagt ist. Er ist die Gnade, die verborgene Gegenwart Gottes, er ist Gottes Selbstmitteilung an diese Welt und in ihr. Er ist der Andere Gottes, in dem und durch den der „göttliche Gott“ seine Treue und Macht im Tod erwiesen hat.

Christus als absolutes Geheimnis:
„Die Selbstmitteilung Gottes hat … eine Geschichte, d.h. eine Dynamik, in Raum und Zeit zu erscheinen, sich auszulegen und zu vollziehen. Wir nennen das Heils- und Offenbarungsgeschichte. Wo aber diese Erscheinung der göttlichen Selbstmitteilung … ihren höchsten Gipfel und ihre irreversible Phase erreicht, wo der Dialog zwischen Gott und Mensch, der der Mensch «substantiell» ist, … in ein absolutes Ja von beiden Seiten tritt und als solches erscheint, der Mensch also erscheint als das absolut gesagte und absolut angenommene Ja Gottes an die Menschheit, da ist genau das gegeben, was der christliche Glaube an die Menschwerdung des göttlichen Logos meint. … Freilich bleibt es irreduzible Faktizität der wirklich erfahrenen Geschichte, daß dieses gerade in Jesus von Nazareth geschieht und erfahren wird. Was wir «Kirche» als eschatologische Präsenz der Wahrheit und Liebe Gottes in ihr durch Wort und Sakrament nennen, ist nichts anderes als die bleibende Gültigkeit der geschichtlichen Faktizität, daß in Jesus von Nazareth die Geschichte der Selbstmitteilung Gottes sich unwiderruflich zur Erscheinung gebracht hat, so gegenwärtig und geglaubt bleibt.“

Dieser Text zeigt, in prägnanter Weise, wie konsequent und unnachgiebig Rahner in seinem Denken von Jesus Christus zwei Pole zusammenbindet. Einerseits hält er unverbrüchlich an der traditionellen Christuslehre fest, die Christus zum einen, universalen, für die gesamte Menschheit unverzichtbaren Bringer und Garanten des Heils macht. Andererseits gibt er dieser Glaubensüberzeugung eine universale Weite. Für Jesus Christus gilt „nur“, was im Grund für alle Menschen gilt, denn er ist die Selbstmitteilung Gottes; er ist Gottes unaussprechliches Geheimnis. Deshalb steht jeder Mensch vor Christus; dieser Christus selbst allen Menschen als absolutes Geheimnis gegenwärtig.

Eine Frage:
Die tiefe Frömmigkeit dieses Konzepts sei unbestritten, dennoch lassen sich hier Fragen stellen. Ich kann sie hier nicht im Detail ausführen und greife deshalb nur eine heraus[26]: Können wir wirklich sagen, dass alle Menschen dem Geheimnis Gottes in dem Christus begegnen, der der Jesus von Nazareth ist? Lassen sich Tatsachenbehauptungen, die Rahner unvermittelt einführt, überhaupt mit Rahners transzendentalem Ansatz vereinigen? Zu Recht fordert K. Rahner, dass christliche Theologie als Anthropologie beginnen, also einen anthropologisch zentrierten Bezugsrahmen schaffen muss. Zugleich aber müsste sie die historischen Grenzen respektieren. Faktisch erfahren zahllose Menschenmassen aller Jahrhunderte das unaussprechliche Geheimnis in Jesu Christus eben nicht, zumindest lässt kaum behaupten, dass für die gesamte Menschheit gilt, was sich unter Einschränkung vielleicht von allen Christen sagen lässt, dass sie nämlich ihre Gotteserfahrung an Jesus Christus verifizieren? Faktisch ist der Heilsuniversalismus K. Rahners das Erbe eine Eurozentrismus, der zahllose Jahrhunderte die Existenz von Menschen außerhalb des christlichen Europe und vor seiner Zeit ignoriert.

III. Gott: unaussprechliches Geheimnis

In einem dritten Schritt stelle ich die Frage nach Gott selbst in den Mittelpunkt. Wir kommen zum Kern der Sache und für einen Theologen ist wohl nichts schwieriger, als über die Gegenwart Gottes gegenüber den Menschen zu reden. Allzu schnell sind Leerformeln und Allgemeinplätze die Folge. Karl Rahner ist gegen diesen Verdacht zu schützen. Denn sein Verdienst besteht nicht darin, dass er einfach Gottes Gegenwart in und gegenüber allen Menschen herausgestellt hat. Er hat diese Überzeugung in differenzierter Weis aus der christlichen Tradition begründet und unlöslich ins seiner Anthropologie und Christologie verankert.

Vor diesen Hintergründen erst lässt sich zeigen, warum und in welchem Sinn er Gott so nachdrücklich ein „Geheimnis“ nennen kann. Der Ausdruck „Geheimnis“ ist für Rahner gerade kein Zeichen einer liberalen Geisteshaltung, die Heinrich Böll in „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ eindrucksvoll und mit Sarkasmus beschrieb. Nein, der spricht von kleinem verflachten, sondern von einem herausfordernden Geheimnischarakter. K. Rahner macht ihn zu einem starken Thema. Es geht ihm um den Aufweis, dass Gott verborgen ist und sein muss. In dieser Verborgenheit will Rahner – paradox mit seinen Worten formuliert – die Göttlichkeit Gottes durchbuchstabieren.

3.1 Das Geheimnis verstehen

Kein Geheimnis enthüllten:
Wir Theologen waren lange der Meinung, das Geheimnis Gottes sei im Grunde ein Mangel und werde spätestens mit der Anschauung Gottes gelöst. Dann ergäbe sich ein Geheimnis durch Nichtwissen, durch Mangel an Information. Es ist nun spannend zu sehen, wie K. Rahner dieses rationalistische Erkenntnismodell unterminiert. Ziel der Gotteserkenntnis ist es nach Rahner gerade nicht, dem Gott auf die Dauer seine Geheimnisse zu entlocken. Ziel ist es, dass wir uns – mit Erkennen und in Liebe – in das Umgreifende und Ungreifbare hineinbegeben, das sich bei wachsender Annäherung eher vertieft. Es geht um Hoffen und Verzweifeln, um Wagnisse der Liebe, um Leiden und Tod. Auch dort, wo wir Güte und unser Angenommensein erfahren, aber auch dort, wo uns ein guter Tod erwartet, geht es in jedem Fall um das Umfassende, das jeweils Überschreitende. Es geht um die unauslotbare „Herkunft“ auch des Guten und Beglückenden, alles Göttlichen, das uns vorangeht und umfängt.

Das Geheimnis vollziehen:
Der Durchbruch zu diesem neuen Wahrheitsverständnis hat seine Wurzeln in der transzendentalen Reflexion der frühen K. Rahner. In hohem Maße gewinnt er seine Sprachfähigkeit, wie wir schon sahen, aus seiner Beschäftigung mit Heidegger. Personale Beziehungen und existentielle Verhältnisse spielen die entscheidende Rolle[27]. Leider hat K. Rahner nur selten ausdrücklich auf Perspektiven und Kategorien der klassischen Hermeneutik zurückgegriffen[28]. Dabei geht es Rahner doch schon lange nicht mehr um Erkennen oder Erklären, sondern um eine „Verstehen“, auch im kritischen Wortsinn. Ihn geht es um kein objektives Konstatieren, sondern um einen engagierten Mit- und Nachvollzug, nicht um fertige Informationsresultate, sondern um ein ständig neues Auslegen, Interpretieren, um das In-Beziehung-Setzen und die akzeptierende Einordnung seines eigenen Selbst. So können wir schließlich sagen: Wir Menschen kommen nur zu uns, wenn und indem wir uns in das letzte Geheimnis einfügen, weil dies zugleich unser Geheimnis ist[29].

3.2 Das Geheimnis, das wir selbst sind

Zur eigenen Freiheit finden:
Der Gott Rahners, so in einer etwas pauschalen Zusammenfassung, verdrängt menschliche Freiheit nicht, sondern ermöglicht, schafft sie. Gottesbegegnung erdrückt den Menschen nicht, sondern erhöht ihn. Der Mensch ist (um eine bekannte Argumentationsfigur von Rahner zu zitieren) das- oder derjenige, das oder den Gott schaffen muss, wenn er sich ins Nichts hineingeben will; er ist die „Chiffre Gottes“[30]. Das absolute Geheimnis des Seins ist also nicht deshalb im Menschen, weil Gott eben überall ist. Er ist deshalb im Menschen, weil der Mensch eben nur von Gott her und auf ihn hin definiert werden kann: „Geist in Welt“, als ein freies und liebendes Geschöpf. „Der Mensch vor dem absoluten Geheimnis“, das ist keine zufällige Konstellation, die den Frommen interessiert. Das ist für K. Rahner des Menschen allgemeine, anthropologisch zwingende und einsichtige Definition. Letztlich kann sich kein Mensch der wenigstens impliziten, wenn auch asymptotisch fernen Erfahrung Gottes entziehen. Deshalb kommt es hier darauf an, dass sich die Begegnung mit Gott eine Begegnung im Raum des Selbst, der Identität, des konkreten individuellen Menschen wird, die uns Menschen in unser Inneres zurückführt. Gerade der Tod, dieser Fall ins Nichts, kann deshalb zum endgültigen Eingang in das Leben Gottes werden. Dieses sich Loslassen im Tod wird zur höchsten Form menschlicher Identität, die „Aktualität des Geheimnisses“ selbst zur „radikalsten Form der Selbstverwirklichung des Menschen“[31]. Eine radikalere Selbstermutigung des Menschen lässt sich nicht denken.

Gott bleibt dennoch entzogen:
Allerdings kehrt sich an diesem Punkt die Frage unversehens um. Wenn Gottes Gegenwart nämlich immer schon transzendental vollzogen ist, wenn diese Gegenwart dem gegenständlichen und benennbaren Erkennen und Handeln immer schon vorausgeht, dann kommen wir Menschen mit unserem Erkennen immer schon zu spät. Wir können noch so sehr in der Gegenwart des absoluten Geheimnisses leben, unserem Verstehen und unserer Wahrnehmung bleibt es dennoch entzogen, vergleichbar unserer Sinnenwelt, die die Krümmung des Weltraums selbst nicht mehr wahrnehmen kann, weil wir ein Teil von ihm sind. Ist Gott uns wirklich gegenwärtig, oder erliegen wir einer Illusion?

3.3. Das Geheimnis erfahren

Gott erfahrbar?
Sind wir ein Teil von Gott? K. Rahner würde diese Ausdrucksweise natürlich vermeiden; Gott und Mensch verhalten sich zueinander wie freie Personen, obwohl menschliche Transzendentalität und göttliche Transzendenz einander durchdringen. Zu fragen ist, ob wir Menschen auch ein Bewusstsein, ein konkretes Verstehen des transzendentalen Grundes erreichen, also Gott wirklich erfahren können. Dies ist nach Rahner durch die freie Selbstmitteilung Gottes möglich. Er, der den eigenen Charakter des Göttlichen in seinem transzendentalen Zusammenhang immer wieder einschärft, der also Gottes-Gegenwart immer der konkret sinnlichen Erfahrung vorausgehen lässt, setzt hier einen erstaunlichen Schritt: Aus seiner eigenen spirituellen Haltung heraus ist er davon überzeugt (und lebt er intellektuell als Theologe davon), dass wir „Gott“ als unendliches Geheimnis erfahren, ja: wirklich erfahren können, sei im täglichen Leben, in Gottes Wort, in den Sakramenten. Die Selbstverständlichkeit dieser seine Überzeugung ist für mich ein starkes Indiz für seine ungebrochene vorkritisch-katholische Überzeugung

Ein Paradox:
Doch stellen wir die Frage noch etwas genauer: Gott erfahren, das Geheimnis erfahren, Gott als Geheimnis erfahren, wie soll das im Rahmen eines transzendentalen Denkens aufweisbar sein? Rahner dehnt hier den Erfahrungsbegriff an seine äußerste Grenze und drängt ihn zugleich in eine, wie ich denke, ungelöste Paradoxie. Vielleicht bin ich in diesem Vortrag unsachgemäß vorgegangen, weil ich das Pferd von der verkehrten, nämlich der theoretisch reflexiven Seite her aufgezäumt habe. Denn wir wissen inzwischen, dass alles Erkennen von einem Vorverständnis, genauer: von vielfachen Vorverständnissen, Prägungen, Erfüllungen und Verletzungen her geprägt ist. Wäre es verwegen, bei ihm eine Grundprägung zu vermuten, die von höchst intensiven Erfahrungen bestimmt sind? Auch Rahner müsste sich dieser Frage stellen, denn gemäß seinen thomistischen Überzeugungen sind Erkenntnis und Erfahrung nur durch die Vermittlung der Sinne denkbar. Das gilt für alle, selbst für die abstrakteste Erkenntnis, Überzeugung oder subjektiv konstituierter Wahrheit. Sie müsste in kritischer Überprüfung gegen jeden Illusionsverdacht abgeschützt werden.

Ungegenständlich, was heißt das?
Offensichtlich war für ihn, den Gefolgsmann des Ignatius von Loyola, der durch die Schule der ignatianischen Exerzitien ging, eine intensive direkte Erfahrung des unaussprechlichen Geheimnisses gegeben. Zwar blieb Rahner immer dabei, dass eine solche Erfahrung „unthematisch“, „ungegenständlich“ ist, so wir das ununterschiedene Strahlen eines Lichts erfahren, identifizierbar vielleicht als ein Überwältigtsein, als Ekstase oder als die reine Ruhe eines ungegenständlichen Lichts. Dabei bezieht K. Rahner seine Inspiration aus den Geistlichen Übungen. Diese unthematische und ungegenständliche Erfahrung, sozusagen eine Erfahrung des Umfassenden, das sich als Nichts zeigt, vergleichbar dem leuchtenden Blau eines unbewegten Himmels. Rahner hat diese Grunderfahrung durch andere vertieft oder angereichert: durch Freude und Verantwortung, Liebe und tiefe Einsamkeit, eine letzte Verzweiflung oder Trauer. Ich vermute, dass er diese Gegenständlichkeit des Transzendenten[32] auch mit den nicht-religiösen, säkularisierten, vielleicht ungläubigen Menschen teilen wollte.

[Gotteserfahrung] ereignet sich als sehr konkrete, wenn auch als das Unsagbare der konkreten Alltagserfahrung. Gibt es sie anonym, unausdrücklich auch in jedem geistigen Vollzug, so wird sie doch deutlicher und in etwa thematisch in jenen Ereignissen, in denen der Mensch, der gewöhnlich verloren an die einzelnen Dinge und Aufgaben des Alltags lebt, gewissermaßen auf sich selbst zurückgeworfen wird und sich nicht mehr über dem übersehen kann, mit dem er gewöhnlich umgeht.
So, wenn der Mensch plötzlich einsam wird, wenn alles einzelne wie in eine schweigende Ferne hinein sich zurückzieht und darin sich auflöst, wenn alles „fraglich“ wird, wie wir zu sagen pflegen, wenn die Stille dröhnt, eindringlicher als der übliche Alltagslärm.
So, wenn man plötzlich unerbittlich sich seiner Freiheit und Verantwortung überantwortet erfährt, ihr als einer und ganzer, die das ganze Leben umgreift, keine Ausflucht mehr zuläßt, keine Entschuldigung, dort, wo kein Beifall mehr unterstützt, keine Anerkennung und kein Dank mehr erhofft werden kann wo man eben vor der schweigenden, unendlichen, von uns nicht manipulierten Verantwortung steht, die ist und uns nicht untertan ist, das Innerste und das Unterschiedenste von uns zugleich.
Wenn man erfährt, wie sie sich gleichsam schweigend ausbreitet durch das ganze Dasein, alles durchdringt, alles eint, selber unbegreiflich, wie diese Verantwortung ursprünglich nicht das ist, was ist und gilt, weil wir sie frei leisten, sondern das inappellabel unsere Freiheit Anfordernde, das als Gericht dann noch da ist, wenn wir diese Verantwortung leugnen und ihr davonlaufen.
So, wenn man plötzlich die Erfahrung personaler Liebe und Begegnung macht, plötzlich selig erschreckt merkt, wie man in Liebe absolut, bedingungslos angenommen wird, obwohl man für sich allein in seiner Endlichkeit und Brüchigkeit dieser Bedingungslosigkeit der Liebe von der anderen Seite gar keinen Grund und keine zureichende Begründung geben kann, wie man selbst ebenso liebt, in unbegreiflicher Kühnheit die gewußte Fragwürdigkeit des anderen überspringend, wie diese Liebe in ihrer Absolutheit einem Grund vertraut, der ihr selbst nicht mehr untertan ist, ihr in seiner Unbegreiflichkeit zuinnerst und von ihr unterschieden zugleich ist.
So, wenn der Tod schweigend einen anblickt, der alles in seine Nichtigkeit fallen läßt und so gerade, wenn er nur willig angenommen wird – so und nur so – nicht tötet, sondern selbst verwandelt, befreit in die Freiheit, die sich auf nichts mehr beruft und stützt, so aber unbedingt wird.
So könnte und müßte man fortfahren, um in tausend Abwandlungen das eine Urerlebnis des Menschen anzudeuten, in dem die Offenheit seines Daseins in das unbegreifliche Geheimnis hinein aufgeht, in dem er merkt, daß er nur dann der Gefangene seiner erschreckenden Endlichkeit ist (die es gibt, die grausam quält), wenn er an der unendlichen Unbegreiflichkeit vorbeisieht, die ihn überall umgibt, oder wenn er sich vor ihr fürchtet, weil sie schweigend und unverfügbar alles durchwaltet.
Man müßte so von der Freude, der Treue, der letzten Angst, der Sehnsucht, die alles einzelne überfordert, von der Erschütterung über die Unerbittlichkeit der Wahrheit sprechen, die als geleugnete und belächelte nochmals da ist, sprechen vom Frieden der Gelassenheit, die nichts einzelnes absolut verteidigt und so alles gewinnt, von der Erfahrung des Schönheit, die lautere Verheißung dessen ist, was noch künftig ist, von der Erfahrung der radikalen, ausweglosen Schuld, der plötzlich dennoch unbegreiflich vergeben ist, von der Erfahrung der heilig strengen Gültigkeit dessen, das scheinbar einfach vergangen ist, aber in Wahrheit – geworden – ist, von der Erfahrung der unendlichen Offenheit der Zukunft, die unverbrauchte Verheißung ist.
So könnte man noch lange fortfahren, und man müßte noch viel konkreter werden, konkret nicht in einem Sich-Verlieren in die Einzelheiten der äußeren Welt, sondern in jener einfachen Dichte letzter und doch überall im Alltag gegebener Erfahrung, in dem der Mensch immer, mit den Sandkörnern des Strandes beschäftigt, am Rand des unendlichen Meeres des Geheimnisses wohnt.

Biographischer Hintergrund:
Aus jeder Zeile dieses Textes, spricht die Tiefe, die Intensität und Kompromisslosigkeit, sozusagen die Unbedingtheit einer solchen Erfahrung, die wir mit Respekt zur Kenntnis zu nehmen haben. Die Kenner sind sich inzwischen darüber einig: Von Anfang an war K. Rahner von solchen intensiven Erfahrungen von sich und dem umgreifend Transzendenten, vom „Göttlichen Gott“ angerührt und getrieben. Je älter er wurde, umso dichter und poetischer wurden Worte, die er dafür fand, als rührten sie einen Strom heißer Lava. In vielen Gedenkartikeln der letzten Tage wurde betont, dass Rahner der Erfahrung Gottes im Alltag wieder einen Raum zugewiesen hat. Es mag so gewesen sein, auch wenn er diese Erfahrung immer auf die Innerlichkeit, allenfalls auf ein interpersonales Kraftfeld beschränkte. „Es waltet in jedem Leben ein Unsagbares“, sagt K. Rahner einmal. „Es ist also Aufgabe gerade des Christentums selbst, immer neu auf diese ursprüngliche Gotteserfahrung hinzuweisen, den Menschen anzuleiten, sie in sich zu entdecken, sie anzunehmen und zu ihr sich auch zu bekennen.“[33]

 IV. Ansätze zu einem Gespräch

Gründe für Rahners Wirkung:
Wir stehen auch 20 Jahre nach Karl Rahners Tod, unter dem Eindruck der Erfahrungsdichte, mit der Rahner vom absoluten Geheimnis sprechen kann. Aber mit wachsendem Abstand von seinem Werk, wie könnte es anders sein, werden auch Perspektiven möglich, die ein einordnendes Weiterdenken ermöglichen. Seinen großen Einfluss auf die gegenwärtige Theologie verdankt Rahner, wie sich zeigte, vier Faktoren:
* seiner tiefen Verankerung in der traditionellen scholastischen Theologie,
* seiner Versiertheit in philosophischen Ansätzen seines Jahrhundert,
* seinem pastoralen Engagement, das sorgsam auf die Erfahrungen der Menschen achtete,
* dies alles durchtränkt von einem tiefen spirituellen Anliegen, von dem soeben die Rede war.

Unkritische Rahnerverehrung:
Aus diesen Gründen gehöre ich – wie viele andere – zu denen, die K. Rahner bewundern. Allerdings breitet sich bisweilen auch eine unkritisch Rahner-Verehrung aus, die kritische Gegenpositionen im Grunde ignoriert. Der Mythos Rahner hat sich verselbständig. Wer K. Rahner zu kritisieren wagt ist inzwischen nicht mehr gegen Häme oder gegen Vorwürfe der Bösartigkeit und der Ignoranz gefeit[34]. Und wer Rahner den „Vater unseres Glaubens“ nennt, vergisst, dass ein solcher Ehrentitel seit Römer 4 Abraham vorbehalten ist[35]. Dagegen schlage ich vor, dass wir einige einvernehmliche Diskussionspunkte, ein verständnisvollen Gesprächsprofil entwickeln, das zentrale Fragen und solche Aspekte aufnimmt, in denen Rahners Denken heute – mit oder ohne seine Zustimmung – ausschließend wirkt. Im Rahmen meiner Ausführungen beschränke ich mich auf drei Stichworte: Erkenntnis, Geschichte und Erfahrung.

4.1 Erkenntnis, Verstehen, Partizipation

Handeln statt Erkennen:
Rahner baut sein theologisches Denken auf einer sogenannten Transzendentaltheologie auf, für deren Sinnspitze K. Rahners Aussage zeugt: Wer als „Geist in Welt“ Erkenntnisprozesse vollzieht, vollzieht implizit immer schon Gottes Gegenwart mit. Bei den damit angedeuteten, höchst komplexen Denkoperationen wäre es wohl unangemessen, abstrakt über ein „wahr“ oder „falsch“ nachzudenken. Aber von Anfang an hatte der Denkansatz seine Grenzen. Ein Vergleich etwa mit E. Schillebeeckx kann zeigen, welchen Preis K. Rahner bezahlt. Angesichts seiner Fragestellung entschied sich E. Schillebeeckx, auch er Kenner (und Kritiker) Maréchals, für den konkurrierenden Denkansatz des flämischen Dominikaners D.M. de Petter[36], der im Lexikon für Theologie und Kirche (das fest in transzendentaltheologischer Hand ist) nicht einmal genannt wird. D.M. de Petter sieht in Maréchal und dessen transzendentalem Ansatz eine intellektualistische Verengung des Problems. Wenn ich schon im Gefolge von M. Blondel eine Dynamik des Erkennens anerkenne und versuche zu analysieren, warum schwäche ich mich dann selbst, indem ich die Dynamik nicht dort belasse, wo sie nach Blondel hingehört, nämlich im umfassenden Handeln des Menschen, das immer weiter geht, immer mehr will, immer auf eine neue Zukunft ausgerichtet ist und damit ein – im Grund unendliches – Ziel anzustreben scheint. Das Handeln insgesamt, nicht die Insel abstrahierender Reflexion und der Urteilssetzung als solcher, macht die Gesamtdynamik deutlich, die uns immer weitertreibt und immer neue Grenzen überschreiten lässt. Mit seiner Grundoption für Maréchal hat Rahner seine Argumentation nicht verfälscht, aber stark verengt[37]. Deshalb geht E. Schillebeeckx eben nicht vom Akt der abstrahierenden Reflexion und des intellektuellen Erkennens aus, sondern von einer umfassenden Grunderfahrung, die alle Dimensionen auch des menschlichen Handelns einschließt und sich im intuitiv anschaulichen Charakter eines praxisorientierten Erkennens spiegelt.

Partizipation statt Geheimnis:
Es ist schwer verständlich, warum die deutsche Rahner-Rezeption Schillebeeckx kaum zur Kenntnis nimmt oder auf andere Gesichtspunkte beschränkt. Elfenbeintürme haben der Theologie noch nie zum Fortschritt verholfen. Verstehen und Kommunikation sind keine Aspekte von bloß intellektueller, sondern von handelnder Partizipation. Sie könnten die Fragen von Gottes Gegenwart angemessener lösen, führen unsere Frömmigkeit überzeugender aus ihren angestammten bürgerlich europäischen Milieus heraus. Wir sollten darauf achten, dass wir das absolute Geheimnis nicht in Denk- und Freiheitserfahrungen des Subjekts einschließen. Die in ihrer Zeit vielleicht geniale Lösung von Karl Rahner müsste heute neu und vor dem Hintergrund sozialer, ideologiekritischer und kontextueller Theologien durchdekliniert werden. Nicht in erster Linie die einzelnen, sondern Gruppen, Gemeinschaften, die Menschheit, ach andere Kulturen und Religionen erfahren Gottes absolutes Geheimnis in ihrer Weise. Wenn wir diesen Schritt vollziehen, so vermute ich, können wir das Geschwisterpaar von Transzendentalität und Kategorialität, das sich zueinander wie Feuer und Wasser verhält, besser miteinander versöhnen als es Karl Rahner gelungen ist.

4.2 Geschichte, Historie, Erinnerung

Das Recht historischer Faktizität:
Ich konnte viel vonder Faszination, aber auch etwas von der Spannung berichten, die Rahners Reden von Christus und Heil mit sich bringt. Zwar verweist Rahner immer wieder auf die Notwendigkeit des Kategorialen, auch auf die historische Faktizität Jesu von Nazaret. Doch gleichzeitig hält er – in pathetischer und geradezu paradoxer Weise – daran fest, dass der in Jesus menschgewordene Gottmensch Jesus Christus, der Gottessohn, der präexistente Logos kraft unserer transzendentalen (also vor-kategorialen) Erfahrung in allen Menschen gegenwärtig ist. Nach Rahner ist die Erfahrung von Gottes Gegenwart immer mit der Gegenwart Jesu Christi realidentisch. Letzteres ist eine Folgerung transzendentalen Denkens, gewiss höchst brillant, faszinierend und herausfordernd, tausendfach ein den subjektiven spirituellen Erfahrungen von Christen bestätigt. Aber Transzendentalität und „Kategorialität“, also das Metaphysische und die historische Faktizität sind höchstens paradox identisch. D. h. sie lassen sich nicht eine feste und vorgefertigte Beziehung pressen, da sie ja ihrerseits von bestimmten Situationen, Bedingungen, Perspektiven abhängt.

Anonyme Christen?
Die bei K. Rahner ungelöste Frage ist und bleibt eben, wie Jesus von Nazareth und das Ewige Wort aufeinander zu beziehen sind. Aus christlicher Innenperspektive (d.h. auf Grund christlicher Glaubenstradition kann ich Jesus von Nazareth und das Ewige Wort vielleicht zur Deckung bringen. Faktisch ist auch nach meiner Überzeugung in Jesu Lebenspraxis die Wahrheit der Welt erschienen. Aber ich kann diese Perspektive (als erfahrene[!] Wirklichkeit) eben keinem Buddhisten oder Muslimen aufdrängen. Mit welchem Recht könnte die bedingungslose Identifikation von Jesus und Logos also eine universal gültige Aussprache sein? Sind alle Glaubenden der Welt wirklich anonyme Christen, warum nicht mit demselben Recht alle Juden, Christen und Muslime anonyme Buddhisten? Ich akzeptiere, was K. Rahner dazu sagt, gerne als ein herausforderndes Denkmodell, aber gerade als Christ kann ich dem Satz als einer universalen Aussage nicht folgen. Die Erfahrungen von Buddhisten, Juden oder Muslimen lassen sich dem Christentum nicht einfach unterordnen. Ich weiße nicht, ob – universal gesehen – Jesus Christus wirklich Höhe- und Zielpunkt der menschlichen Geschichte ist. Die Gegenfragen lassen sich nicht ausräumen. K. Rahner fühlt das Problem, weshalb er sich auf eine „indirekte Methode“ beruft, die den bestehenden Formen von christlichen Glaubens-, Interpretations- und Verhaltensregeln ohne Weiteres einen Vorrang einräumt[38].

Harmonisierende Auslegung:
In diesem Zusammenhang verweist K. Rahner immer wieder auf die klassische Christologie, deren Kontinuität nicht aufgegeben werden dürfe. Nun behaupte ich nicht, Rahner nehme Schrift und Theologiegeschichte nicht ernst. Ich will auch sein christologisches Denken nicht illegitim nennen. Im Gegenteil, sein Geschichtsverständnis und seine dogmengeschichtlichen Leistungen und Kenntnisse sind unbestritten. Aber er bewegt sich bis ins hohe Alter im Rahmen einer harmonisierenden Auslegungsgeschichte, wie sie in der katholischen Dogmatik und Fundamentaltheologie vorherrschend blieb. Das ist schade. Die Art und Weise, wie verschiedenste Dokumente des Neuen Testaments und wie die ersten drei Jahrhunderte von Jesus von Nazareth reden, wurde in der späteren Christologie verdrängt. K. Rahner ist auf die narrativen Entwürfe der siebziger Jahre (ich nenne nur E. Schillebeeckx, H. Küng, L. Boff, J. Sobrino) nie eingegangen. Sie können aber zeigen, dass sich die Gegenwart Jesu als des Messias nur in der Erinnerung an ihn, also nur kategorial vermitteln lässt. K. Rahner, der 1970 H. Küng öffentlich einen „liberalen Protestanten“ nannte, hat damit Weichen gestellt, die das systematisch theologische Denken noch heute bestimmen, dies zum Nachteil eines verantwortlichen Umgangs mit unserer Geschichte

4.3 Erfahrung und sozialer Prozess

Heil nur im Innern des Menschen?
Nach Ausweis verfügbarer Indices verwendet K. Rahner in seinen Schriften nur wenige Begriffe so oft wie den der „Erfahrung“. Dieser Begriff enthält eine Bedeutungsstreuung vom intellektuellen Gewahrwerden über existentielle Gestimmtheiten bis hin zur konkreten Anschauung, von der empfangsbereiten, nur asymptotisch erfüllbaren Erwartungshaltung über das Hintergrundwissen eines unthematischen, aber umfassenden Horizonts, bis hin zu konkreten Wahrnehmungen innerer oder äußerer Art. Dabei wird Rahner nie ungenau, da seine Verwendungszusammenhänge in der Regel präzise sind. Aber die stete Verfügbarkeit der Bedeutungsskala führt doch zu einem verwirrenden Effekt: Gottes Gegenwart, das unaussprechliche Geheimnis, die transzendentale Verbindlichkeit siedeln sich immer im Innern menschlichen Erkennens an. So wird der Glaube im letzten unreflektierbar und eben doch vage. Dadurch entsteht ein harmonisierendes Gefälle. Rahner wird die Frommen trösten und bestärken. Nicht ohne Grund erstreckt sich seine überwältigende Wirkung auf den aktiven Innenraum der römisch-katholischen Kirche. Er bestärkt auch die pastoral Gesinnten, wenn sie die Zweifelnden und Fragenden zu ermutigen. Ich weiß aber nicht, ob er die Außenseite der Erfahrung wirklich zur Kenntnis genommen hat. Ich meine im strengen Sinn des Wortes öffentliche, soziale, kulturelle, die Praxis stimulierende Erfahrungen. Verglichen mit der praxisbezogenen Theorie der Heilsuniversalität eines E. Schillebeeckx wirkt das Erfahrungskonzept von Rahner – trotz seiner Leidenschaft – abstrakt.[39] Verglichen mit der konsequent geschichtlichen Verantwortung, aus der heraus H. Küng sein Verständnis von Christsein entwickelte, zeigen sich für mich die schwersten Probleme und Aporien des Rahnerschen Denkens.

Vom wahren Sinn der Mystik:
Eines der gegenwärtig meist zitierten Worte von K. Rahner lautet

Der Christ von heute muss ein Mystiker sein“.[40]

An anderer Stelle schreibt er:

Der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer, der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird nicht mehr sein, weil die Frömmigkeit von morgen nicht mehr durch die im Voraus zu einer personalen Erfahrung und Entscheidung einstimmige, selbstverständliche öffentliche Überzeugung und religiöse Sitte aller mitgetragen wird, die bisher übliche religiöse Erziehung also nur noch eine sehr sekundäre Dressur für das religiöse Institutionelle sein kann. Die Mystagogie muß von der angenommenen Erfahrung der Verwiesenheit des Menschen auf Gott hin das richtige ‚Gottesbild‘ vermitteln, die Erfahrung, daß des Menschen Grund der Abgrund ist: daß Gott wesentlich der Unbegreifliche ist; daß seine Unbegreiflichkeit wächst und nicht abnimmt, je richtiger Gott verstanden wird, je näher uns seine ihn selbst mitteilende Liebe kommt.“[41]

Öffnung zu Welt und Menschen:
Diese beiden Worte verschleiern das signalisierte Problem, statt es klar zu benennen. Wenn Religionen (die christliche eingeschlossen) ihre Vitalität und Gestaltungskraft behalten wollen, dürfen sie den Kontakt zum Geheimnis des Göttlichen nicht aufgeben; in diesem Sinn brauchen wir Mystiker. Es muss aber eine Mystik sein, die sich nicht auf die Innerlichkeit einer individuellen Gotteserfahrung konzentriert, sondern sich erneut ihrer sozialen und weltlichen Dimension bewusst wird. Das richtige Gottesbild darf nicht auf der eingeschränkten Erfahrung leben, dass „der Mensch“ auf Gott verweisen ist. Vielmehr muss ein zukunftsfähiges Gottesbild davon leben, dass Gesellschaft und Welt in unableitbarer Weise der Gottesfrage bedürfen. Individuelle Mystiker können darin ihren Raum finden, nicht umgekehrt. K. Rahner hatte eine wichtige Funktion im dem Zeitraum, in dem sich das gewohnheitsorientiert Christentum auflöste. Jetzt haben wir uns neu auf die jesuanische Erfahrung des Reiches Gottes zu besinnen.

Schluss

Karl Rahner definiert das Christentum einmal wie folgt:

„Christentum ist das ausdrückliche und gesellschaftlich («kirchlich») verfaßte Bekenntnis dazu, daß das absolute Geheimnis, das in und über unserem Dasein unausweichlich waltet und Gott genannt wird, als vergebend und vergöttlichend sich uns in der Geschichte des freien Geistes mitteilt und daß diese Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus geschichtlich und irreversibel siegreich in Erscheinung tritt.“[42]

Gesellschaftliche Verfasstheit:
Wir bräuchten nur die Akzente ernstzunehmen, die in dieser Definition gesetzt sind. Es geht um ein öffentliches Bekenntnis, um die gesellschaftliche Verfasstheit und um die Geschichte eines umfassenden Prozesses, der destruktive Kräfte zähmt und produktive Möglichkeiten eröffnet. In unserer Epoche hat das Christentum Europas seine selbstverständliche Geltung nur verloren, weil es die Suche nach seiner universalen (kulturellen, religiösen und sozialen) Globalität schon längst angetreten hat und deshalb die partikulare Begrenztheit unserer geschichtlich überholten Antworten spürt.

Überholte Eurozentrik:
Der christliche Universalitätsanspruch im Sinne K. Rahners lebt noch aus eurozentrischen, im Grunde überheblichen Voraussetzungen. Sonst hätte ihm auffallen müssen, dass seine Transzendentaltheologie aus einem tiefen Missverständnis von Kants transzendentaler Fragestellung geboren ist. Kant hat den transzendentalen Ansatz aus tiefsten Zweifeln an der Selbstverständlichkeit des Gottesglaubens entwickelt. Deshalb traten Postulate an die Stelle von Beweisen. Rahner ingegen interpretiert die Kantschen Bedingungen der Möglichkeit zu dynamischen Signalen der Wirklichkeit um. Das mag ein genialer Schritt gewesen sein, aber dem Ernst der spätneuzeitlichen Gottesfrage ist sein Erfinder damit ausgewichen. Wer der Zukunftsgestalt des christlichen Glaubens auf den Grund gehen will, sollte diese Vermutung sehr ernst nehmen


Appendix:

Aus K. Rahner, Intellektuelle Redlichkeit und christlicher Glaube

Die Glaubwürdigkeit des Dogmas der Inkarnation Was nun aber die intellektuelle Redlichkeit vor Jesus Christus, also vor dem Ereignis der letzten radikalen Vermittlung der göttlichen Selbstmitteilung an den geschaffenen Geist überhaupt, also vor der letzten kategorialen Bestimmung des Christentums angeht, so ist ein Doppeltes zu sagen.
Was zunächst die «Idee» des Gottmenschen, die Inhaltlichkeit der Lehre von der Inkarnation des Logos in unserem menschlichen Dasein angeht, so ist diese «Idee» für das intellektuell redliche Wahrheitsgewissen glaubwürdig. Voraussetzungen dafür sind nur: einmal, daß der Mensch sich selbst als das Wesen begreift, das stets schon sich selbst transzendierend ist in das Geheimnis Gottes, das sich selbst dem Menschen zuschickt; daß verstanden wird (wie vorhin wenigstens kurz angedeutet wurde), daß die Idee des Gott-menschen als eschatologischer Höhepunkt geschichtlicher Vermittlung und Erscheinung der transzendentalen Selbstmitteilung Gottes – wenigstens als deren asymptotisch denkbares Ziel – impliziert ist. Sodann muß natürlich von dieser Idee jedes mythologische Mißverständnis ferngehalten werden: Der Mensch, der der Gottmensch ist, ist keine passive Gliederpuppe, keine Livree, durch die sich Gott verlautbart, kein neuer Anlauf, in dem Gott nochmals als Erlöser versucht, was ihm als Schöpfer in der Welt mißlungen ist. Der Gottmensch ist wahrhaft Mensch, in anbetender Distanz zu Gott, in Freiheit, in Gehorsam, in geschichtlicher Bedingtheit und Entwicklung seines menschlichen Wesens (selbst in seiner religiösen Erfahrung, weil Nähe zu Gott, Eigenständigkeit und echte Kreatürlichkeit im gleichen und nicht im umgekehrten Verhältnis wachsen). Und der Gottmensch ist nicht eine zweite, jetzt kategoriale Intervention Gottes des Schöpfers, sondern der Höhepunkt einer Welt-, Geistes- und Heilsgeschichte, auf den diese ganze Geschichte durch ihr Existential der transzendentalen, alle Momente der Geschichte mitbestimmenden Selbstmitteilung Gottes vom Ursprung her angelegt ist und der so die Schuld der Freiheit erlösend schon immer überholt hat. Die Inkarnation bleibt ein Geheimnis der göttlichen Selbstmitteilung. Wird sie von dieser her verstanden. haftet ihr keine Zumutung eines Mytholo-/74/gems an, erzwingt sie auch für den intellektuell Redlichen zwar nicht seine Zustimmung, aber sie ist glaubhaft und glaubwürdig. Es ist dann auch keine Enttäuschung für den Glaubenden und historisch Nüchternen, sondern von vornherein zu erwarten, daß sie ebenso unscheinbar und unauffällig sich ereignet und so auch im Neuen Testament, wenn wir richtig lesen, bezeugt wird, wie die gnadenhafte Vergöttlichung des Menschen überhaupt in der nüchternen Erbärmlichkeit des menschlichen Alltags sich vollzieht und darin doch sich wunderbar bezeugt, so wir dieses Dasein mit den Augen des Glauben-wollenden betrachten.
Außerdem ist wesentlich, daß diese «Idee» des Gottmenschen gerade in Jesus von Nazareth, an diesem Raum-Zeitpunkt in sich und für uns Wirklichkeit ist. Das freilich ist Botschaft von einer geschichtlichen Tatsache, die für den transzendentalen Stolz des Menschen immer Ärgernis ist, der versucht ist, von vornherein zu meinen, daß eine «Geschichtswahrheit» für die Begründung seiner eigentlichen Existenz nicht in Frage komme. Aber gerade intellektuelle Redlichkeit kann selbstkritisch verstehen, daß echte Geschichte nicht durch Theorie über Geschichtlichkeit ersetzt werden kann und daß die konkrete, nie adäquat reflektierte Geschichte die notwendige Vermittlung für die geistig-transzendentale Geistigkeit und Freiheit des Menschen ist, daß man also dem endlichen Raumzeitlichen sich anvertrauen muß, um das Ewige nicht nur mit abstrakten Begriff, sondern in ihm selbst zu haben. Der Mut, sich an dieses Konkrete wegzugehen, ist freilich unersetzlich. Es ist unbefangen zuzugeben, daß schon der wissenschaftlich exegetische Nachweis, daß Jesus selbst sich als der metaphysische Sohn Gottes im Sinn des christlichen Dogmas verstanden hat, nicht leicht ist. Aber er ist grundsätzlich für den, der lesen, interpretieren und übersetzen kann und darum nicht erwarten muß, Jesus selbst habe in den Formeln der theologischen Metaphysik reden müssen, um zu sagen, was sie eigentlich meinen – für den ist ein solcher Nachweis nicht grundsätzlich unmöglich. Wenn das für den konkreten Einzelnen bei den ihm gegebenen Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten schwer bleibt, nun, es ist auch nicht das einzige, worauf sich hinsichtlich der Selbstinterpretation Jesu und deren Legitimation intellektuelle Redlichkeit berufen kann. Wenn die /75/ Idee des Gottmenschen glaubwürdig ist, wenn die faktische Geistesgeschichte eben doch nur vor Jesus den Mut hatte, an die leibhaftige Realität dieser «Idee» zu glauben, wenn man seine Existenzsituation nicht in der Retorte zum ersten Mal aufbaut, sondern sie vorfindet und ihr vertrauensvoll die Chance gibt, gültig und tragend zu sein, wenn man sich daher vorfindet als in der Gemeinde der an Jesus Glaubenden und darin Gott findet, welchen Grund sollte man haben, sich zu solcher Tat für nicht berechtigt zu halten?


Anmerkungen

[1] Die Fragen wurden gestellt angesichts des wichtigen Buchs von Klaus Fischer, Der Mensch als Geheimnis. Die Anthropologie Karl Rahners. Mit einem Brief von Karl Rahner, Freiburg 1974 und sind dort auf S. 410 abgedruckt. K. Rahner hat darauf eine ausführliche Antwort geschrieben (400-410).

[2] „Wenn das Verhältnis zwischen Gnadenerfahrung und Mystik (im üblichen Sinn des Wortes) bedacht wird …, dann kann man diese Gnadenerfahrung an sich unbedenklich als unterste Stufe der Mystik verstehen, einerseits weil sie den eigentlich christlichen und gnadenhaften Kern und die Wesensmitte aller Mystik auch auf ihren höchsten Stufen darstellt, und anderseits, weil sie in jedem Fall auch immer schon ein Minimum von Reflexion bei sich hat (was nicht hießt: thematisiert ist in einer eigentlich religiösen und christlichen Terminologie).“ (a.a.O. 408f.).

[3] H. Vorgrimler, Karl Rahner: Gotteserfahrung in Leben und Denken, Darmstadt 2004 (im Augenblick die beste Einleitung); Der Denkweg Karl Rahners: Quellen – Entwicklungen – Perspektiven, von A.R. Battlog u.a., Mainz 3003. Als Einleitungen in Rahners Denken sind noch immer wichtig: B.J. Hilberath, Karl Rahner. Gottgeheimnis Mensch, Mainz 1995; K.-H. Neufeld, Die Brüder Rahner. Eine Biographie, Freiburg 1994; Karl Rahner in der Diskussion. Erster und zweite Karl-Rahner-Symposion: Themen – Referate – Ergebnisse, hg. v. R.A. Siebenrock, Innsbruck 2001: A. Raffelt/H. Verweyen, Karl Rahner, München 1997; M. Schulz, Karl Rahner begegnen, Augsburg 1999; K.-H. Weger, Karl Rahner. Eine Einführung in sein theologisches Denken, Freiburg 1978.

[4] Hugo Rahner, Abendland. Reden und Aufsätze, Freiburg 1966.

[5] K. Rahner spielt später den Einfluss von Heidegger auf sein Denken herunter (Raffelt/Verweyen, 28-31). Dabei versteht sich Rahner als Theologie und beurteilt die Einflüsse von den Inhalten, nicht von philosophischen Ausgangspunkten, Denk- und Argumentationsstilen Heideggers aus. Unverkennbar ist Rahner in seinen (unthematisch) hermeneutischen Ansätzen, in seiner Metaphorik und in seiner Ent-gegenständlichung der Ontologie Heidegger verpflichtet. Dies lässt sich noch in späten Schriften Rahners zeigen. Eine Untersuchung wert wäre zudem den Einfluss von Wilhelm Klein, der Rahner in Valkenburg 3 Jahre hörte. Klein (1889-1996) war 1913, schon als Priester, in die Gesellschaft Jesu eingetreten und war 1922 bei Josef Geyser und Edmund Husserl in Freiburg in Philosophie promoviert worden. Von 1922 bis 1929 war er Professor für Erkenntnistheorie an der Philosophischen Fakultät der deutschen Jesuiten im Valkenburger Exil. Er wurde später Rektor der Kollegien in Valkenburg und Frankfurt St. Georgen, von 1932 bis 1938 Provinzial der Niederdeutschen Provinz; von 1948 bis 1961 war er Spiritual am Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom. In dieser Zeit entfaltete er kraft seiner überragenden Persönlichkeit einen ungeheuren, wenn auch stillen und kaum dokumentierbaren Einfluss auf die Alumnen des genannten Kollegs, d.h. auf ungezählte spätere deutschsprachige Professoren und Bischöfe.

[6] 1861-1949. Grundlegend sind Blondels frühe Arbeit L’Action. Essai d’une critique de la vie et d’une science de la pratique, Paris (1893) 21950 und sein erkenntnistheoretisches Werk Le point de départ de la recherche philosophique (1906), schließlich die Arbeiten aus den dreißiger Jahren die einen zweiten Höhepunkt seiner intellektuellen Aktivität bedeuten: L’Être et les êtres (1935), L’Action (2 Bde 3e, 1936-37). Unverkennbar ist ferner der früh verstorbene P. Rousselot (1878-1915), der auf seine Weise Blondel aufgenommen und die Nouvelle théologie hat, zumal deren Überlegungen zum Verhältnis von Natur und Gnade beeinflusst hat. Im Rahmen der Nouvelle théologie ist vor allem H. de Lubac (1896-1991 ) zu erwähnen, dessen bahnbrechendes und bald indiziertes Werk Surnaturel aber erst 1946 erscheint.

[7] J.J. Maréchal (1878-1944) hat – ebenfalls von Blondel inspiriert – intensiv die Diskussion mit Kant aufgegriffen: Le point de départ de la métaphysique, v. a. Bd 5 [21949. Zu erwähnen ist jetzt schon der im deutschen Sprachraum zu Unrecht übersehene D.M. de Petter, Begrip en werkelijkheid. Aan de overzijde van het conceptualisme, Antwerpen 1964.

[8] C.-F. Geyer, Joseph Maréchal, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), Bd. V, 793-794,; J.B. Lotz, Joseph Maréchal, in: Emerich Coreth (Hg), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. II, Gegenwart, 1988; M. Pfaffenhuber, Die Kant-Rezeption bei Maréchal und ihr Fortwirken in der katholischen Religionsphilosophie

[9] K. Rahner hat die philosophiegeschichtlich-erkenntnistheoretische Monographie Geist in Welt 1936 in Freiburg bei M. Honecker zur Promotion vorgelegt. Die Frage einer Promotion in Philosophie erledigte sich später, da Rahner kurz darauf in Innsbruck in Theologie promoviert (19. 12. 1936) und habilitiert (1. 7. 1937) wurde. Die Monographie erscheint dann 1939 in der ersten, bald nicht mehr erhältlichen, und 1957 in der zweiten, von J.B. Metz überarbeiteten Auflage, auf die man später in der Regel zurückgegriffen hat, bis im Band 2 der Sämtlichen Werke (1996) dann eine kritische Herausgabe geleistet wurde.

[10] Wie kann es also sein, dass der Mensch – auf Grund einer sinnengebundenen Erkenntnis! – zum Wesen und zur Wahrheit der Dinge vorstößt? Die Reflexion orientiert sich am erkenntnistheoretischen Prozess der „Abstraktion“. Das ist für Thomas und die Scholastik kein Problem der immer stärkeren Reduktion von Verschiedenheit im sinnlichen Eindruck (ich nenne es eine „quantitative Abstraktion“), sondern der Hinweis auf eine ausdrücklich geistige Tätigkeit des Verstandes, der die tragenden universalen Wesenselemente herausarbeitet und sie in ihrer Allgemeinheit erkennt („qualitative Abstraktion“). Die Leistung K. Rahners – der hier auf den Schultern von J. Maréchal steht – besteht darin, dass er das erkenntnistheoretische Problem Kants von dieser Grundposition her beleuchtet und Thomas auf diese Lösung hin interpretiert. Ein wesentlicher Vermittlungspunkt von Rahners an Thomas orientierten Analyse: In dieser Abstraktion kehrt das erkennende Subjekt nicht nur zu sich selbst zurück (das ist für Thomas wesentlich), sondern rückt das Wesen der Dinge auch in den umfassenden Horizont des Seins selbst ein. Dieses Einrücken in den Horizont des Seins kehrt auch bei verwandten Denkern (etwa beim Metaphysiker und Studienfreund Rahners J. Lotz) als Kernpunkt der Urteilsanalyse wieder. Vgl. G. Haeffner,  Johannes B. Lotz als Mensch und Philosoph, in: Stimmen der Zeit 129 (2004) 171-182.

[11] Das Buch erschien 1941 und erfuhr 1963 in eine zweite, von J.B. Metz überarbeitete Auflage. Heute ist es textkritisch im 4. Band der Sämtlichen Werke (1997) veröffentlicht.

[12] Raffelt/Verweyen machen auf kürzestem Raum die komplizierte Verhältnisbestimmung klar, die Rahner an diesem Punkt zu lösen hat. Er hatte – einerseits im Rahmen der katholischen Verhältnisbestimmung von Natur und Gnade einerseits und andererseits der neuen Bestimmungsversuche, die bald zum Konflikt mit Rom führten – eine Lösung zu finden, die Gottes vorausgehenden Gnadenanruf an alle Menschen (gratia praeveniens) unumwunden bejahte und zugleich verdeutlichte, dass Gottes heiligmachende Gnade von Gott ungeschuldet ergeht und die positive „Antwort“ des Menschen, also eine doppelte Bedingung voraussetzt. Die Lösung ist nicht von Anfang an eindeutig und hat bei der zweiten Auflage auch eine Änderung erfahren. Dabei ist der Rückgriff auf ein „übernatürliches Existential“ von Anfang an und in jedem Fall zu finden. Diese – für die Neuscholastik unerwartet neue – Argumentation hat Rahner vermutlich vor einer positiven Verurteilung gerettet, wie sie de Lubac widerfahren ist.

[13] In diesem Vorbehalt ist die Kritik Heideggers an der „Onto-Theologie“ aufgenommen, die im Hinweis auf die „ontologischen Differenz“ vorbereitet ist: Wir können Gott nicht als Ding oder als Objekt zu fassen suchen, denn zwischen dem Seienden und dem „Logos“ seiner Seins ist eine unaufhebbare Differenz. Diese zu missachten bedeutet den Tod aller Metaphysik (und der Theologe fügt hinzu: den Tod aller Theologie).

[14] Der sprachlich gut durchgearbeitete, mehrfach variierte, öfters vorgetragene und an verschiedenen Orten erschienene Text ist in seiner m. E. ersten Form erschienen in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon V, Mannheim 1972, 672-677. Textkritisch abgedruckt in: Sämtliche Werke …

[15]Der Ausdruck geht zurück auf Thomas von Aquin (‚potentia oboedientiae‘, in: De veritate, I, q. 8 a. 4 ad 13) und wird später in der Scholastiker ein geläufiger Begriff. E. Przywara (1889-1972) übernimmt ihn später al einen zentralen anthropologischen Term. Ich bespreche hier nicht auf den unabgegoltenen theologischen Vorschuss und das unbewusste Lenkungsmanöver, die der Begriff mit sich bringt. Einerseits täuscht er zuviel Kontinuität mit der katholisch theologischen Scholastik vor (das Denken in Existentialien ist ihr zutiefst fremd), andererseits macht er sich einer semantischen Unschärfe schuldig. Rahner wollte ja vom Hören (also eine potentia audiendi), nicht vom Gehorchen (dem oboedire) reden. Ich glaube, dass sich diese katholisierende Unschärfe später rächt: die Fähigkeit, auf ein Schweigen zu hören, wird in kritisch kirchensensiblen Situationen auf eines Logos nicht des Denkens, sondern des Gehorsams umgebogen (vgl. die Unfehlbarkeitsdebatte sowie viele Bemerkungen zu Dogma und Christologie).

[16] K. Rahner, Warum ich ein Christ bin, a.a.O. 673.

[17] Aus „Selbstmitteilung Gottes, in: Sacramentum IV (1969), jetzt: Sämtl. Werke 17/2 (2002), 1283 (Übernommen von und erklärt bei Vorgrimler, 170)

[18] Auf die frühen theologischen Ansätze, eingeschlossen sein frühes Interesses für (ignatianische) Spiritualität und Mystik, gehe ich hier nicht ein.

[19] Rahner lehrt 1945 bis 1949 Dogmatik in Pullach/Isartal, von 1949 bis 1964 dann in Innsbruck. Es war die große Zeit des theologischen Lehrers in der Auseinandersetzung mit der klassischen Schultheologie, die er zwar immer kritisch kommentierte aber eben auch erneuerte. S. dazu Vorgrimler, 167

[20] „Die Selbstmitteilung Gottes ist nicht nur der Ursprung der Gotteserkenntnis durch die Kreatur. Sie ist ein dynamisches Prinzip, der eigentliche Grund der Hoffnung der Welt“ … „der tragende Grund ihrer Geschichte und (in ihrer Vollendung) das Ziel dieser Geschichte und der Inhalt ihrer Endgültigkeit: Selbstmitteilung Gottes, in: Sacramentum mundi IV (Freiburg usw. 1969), aufgenommen in: Sämtl Werke 17/2 (2002), 1283 (übernommen und interpretiert von Vorgrimler, a.a.O, [Anm. 3], 170)

[21] Schriften VII, 68. Von hier aus lässt sich auch ableiten, dass und inwiefern K. Rahner von einem sakramental geprägten Heilsverständnis sowie vom patristischen Gedanken der Teilhabe geleitet ist. H. Küngs Frage in Christ Sein: „Will denn ein Mensch noch Gott werden?“ nannte er (im völligen Missverständnis des Kontextes) den „fatalsten Satz“ des ganzen Buches. Damit zeigt sich auch schon die innere Grenze dieses faszinierenden Konzepts.

[22] Schriften VII, 69.

[23] Von diesem Gedanken ist auch Rahner Theologie des Todes geprägt: Zur Theologie des Todes (Freiburg 1958).

[24] In: Probleme der Christologie von heute, Schriften I, 169-222; zit. 207; ursprünglich erschienen in den aufsehenerregenden Sammelbänden, hg. von A. Grillmeier, H. Bacht, Das Konzil von Chalkedon, Band III (Würzburg  1954

[25] ebd. 206

[26] Zum Aspekt von Gnade und Christologie ist damit nicht alles gesagt. Einige kritische Hinweise seien erlaubt. Vorweg dies: Rahner ist hier nicht im Stile von „wahr“ oder „falsch“, „richtig“ oder „unrichtig“ zu kritisieren. Die Häresie-Trompeten von H.U. von Balthasar oder J. Ratzinger glauben blasen zu müssen, widerlegen sich selbst. Doch ist in Rahners christologischem und soteriologischem Denken doch eine offene und – wie ich meine – unentschiedene Schwebe, die umgekehrt oft genug zu Ketzerschelte gegenüber Dritten missbraucht wurde und wird. Einerseits wird Rahners Christusverständnis so offen und so transparent gegenüber dem absoluten Geheimnis selbst (und Jesus Christus wird so nachdrücklich als Höhepunkt der Weltgeschichte, also als Sinnziel der ganzen Schöpfung begriffen), dass seine historische Konkretheit kaum mehr zu fassen, im Grunde irrelevant ist. Nur sofern Jesus Christus diese innere Sinnmitte der Schöpfung selbst ist, kann er doch der Träger des göttlichen Geheimnisses für alle Menschen sein. Es scheint also, dass Jesus Christus seiner historischen Konkretheit entkleidet wird. Andererseits verweist K. Rahner immer wieder auf diese Konkretheit, um sich in der traditionellen Lehre von Jesus Christus zu verankern: dieser historische Jesus von Nazareth ist der ewige Logos. Damit unterläuft er seine eigene radikale Kritik am traditionellen Christus-Dogma. Mit anderen Worten: er relativiert die Frage, die sich aus seinem Ansatz ergibt. Ich weiß um die Grenzen dieser Frage, aber ich bin nicht der erste, der sie formuliert (Endean). Es ist die Frage, ob sich Gotteserfahrung für Christen nicht (auch) historisch, narrativ sowie in der Praxis gelebten Glaubens vermittelt.

Im Konflikt zwischen einem leidenschaftlich durchdringenden transzendentalen Denken und dem Willen zu geschichtlicher Konkretheit. Die Problematik ließe sich etwa am ungeklärten Begriff „geschichtlich“ aufrollen. Wie bekannt haben hermeneutische Überlegungen bei R. Bultmann zur einer strikten Unterscheidung zwischen „historisch“ und „geschichtlich“ geführt. Die amerikanische Rahner-Interpretin E. Carr hat das Problem scharsichtig formuliert: „Seine These über das übernatürliche Existential … führt Rahner letztlich dazu, auf der Universalität der transzendentalen Offenbarung zu bestehen; das fundamentale Geheimnis der menschlichen Existenz ist das christliche Geheimnis, und es ist anonym gegenwärtig, wo immer ein Mensch authentisch lebt, unabhängig davon, mit welchen Worten es beschrieben und definiert wird …“ Deshalb ist es für Rahner wichtig, „daß die Theologie nicht aus der Erfahrung deduziert wird; Dogma und Erfahrung müssen vielmehr unterschieden werden … Die christliche Offenbarung gibt eine normative Interpretation der Erfahrung. Auf der anderen Seite: … Wo immer die menschliche Erfahrung authentisch ist, ist sie stets anonym[!] christlich.6

[27] Gewiss betont Rahner schon um seines Kirchenverständnisses willen auch die öffentliche Relevanz religiöser Erfahrung, aber diese bleibt doch abgeleitet und – jedenfalls in unserer Zeit – in existentiell individuellen Erfahrungen verankert (Schriften IX, 171-174).

[28] Im Blick auf die Christologie wird nach dem hermeneutischen Prinzip als dem „transzendentalen Verstehenshorizont“ gefragt: Schriften VIII, 225 in der Abhandlung „Der eine Mittler und die Vielfalt der Vermittlungen“.

[29] S. K. Rahner, Über die Verborgenheit Gottes, Schriften zur Theologie XII, Zürich … 1975, 285-305

[30] „Man könnte daher den Menschen – ihn in sein höchstes und finsterstes Geheimnis hineinstoßend – definieren als das, was entsteht, wenn die Selbstaussage Gottes, sein Wort, in das Leere des gott-losen Nichts liebend hinausgesagt wird. Man hat ja auch deswegen den menschgewordenen Logos das abgekürzte Wort Gottes genannt. Dies Abkürzung, die Chiffre Gottes selbst ist der Mensch, d.h. der Menschensohn und die Menschen, die letztlich sind, weil es den Menschensohn geben sollte“. (Grundkurs des Glaubens, 222)

[31] Klaus Fischer, Der Mensch als Geheimnis. Die Anthropologie Karl Rahners, Freiburg 1974, 374.

[32] Gegen die eigenen Sprachregelungen nennt Rahner dies dann „transzendentale Erfahrung“, wobei „transzendental im vor-Kantischen Sinne verwendet wird. Wahrscheinlich hat Rahner dabei einfach eine bestehende Terminologie – etwa die seines Freundes J. B. Lotz – übernommen.

[33] Gotteserfahrung heute, in: Schriften 9, 161-176; zit. 167; 176.

[34] So etwa bei Vorgrimler und bei Raffelt/Verweyen

[35] „Also ist er [Abraham] Vater aller, die als Unbeschnittene glauben und denen daher Gerechtigkeit angerechnet wird, und er ist der Vater jener Beschnittenen, die nicht nur beschnitten sind, sondern auch den Weg des Glaubens gehen, des Glaubens, den unser Vater Abraham schon vor seiner Beschneidung hatte“. (Rom 4, 11f.) Die Vaterschaft im Glauben sollte also einer Glaubensebene vorbehalten bleiben, die Juden und Christen an ihre gemeinsamen Wurzeln erinnert und zudem die Brücke zum Hanifen Abraham in der muslimischen Tradition wieder tragfähig macht.

[36] D. M. de Petter, Begrip en werkelijkheid. Aan de overzijde van het conceptualisme, Antwerpen 1964

[37] Rahner interpretiert in den Texten von Thomas eine Finalität, die dort wohl nicht gemeint ist.

[38] Vgl. dazu die anspruchsvolle und umfangreiche Abhandlung K. Rahner, Überlegungen zur Methode der Theologie, in: Schriften IX, 79-126. Von der „indirekten“ Methode sagt hier Rahner in einem ersten Schritt, „daß jeder Christ bis zum Beweis des Gegenteils das Recht hat, die Gültigkeit seines eigenen Christentums und seiner konkreten Kirchlichkeit aufgrund der in ihm erfahrenen Kraft der Gnade und der Wirkungen des Geistes zu präsumieren“ (ebd. 88). In einem zweiten Schritt wird die Frage gestellt, welche Kirche „in einer deutlicheren, volleren und ungebrocheneren geschichtlich und soziologisch greibaren Kontinuität  zur Kirche des Anfangs steht“ (88f.). Dies letztere ist eine Fragestellung, die den gängigen katholischen Vorranganspruch schon impliziet präsumiert und die Frage verdrängt, welche Legitimität oder Delegitimationen einer Kirche von der Sache er Schrift her erwachen.

[39] K. Rahner, Grundkurs, …: „Das subjekthafte, unthematische und in jedwedem geistigen Erkenntnisakt mitgegebene, notwendige und unaufgebbare Mitbewusstsein des erkennenden Subjekts und seine Entschränktheit auf die unbegrenzte Weite aller möglichen Wirklichkeit nennen wir die transzendentale Erfahrung. Sie ist eine Erfahrung, weil dieses Wissen unthematischer, aber unausweichlicher Art Moment und Bedingung der Möglichkeit jedweder konkreten Erfahrung irgendeines beliebigen Gegenstandes ist. Diese Erfahrung wird transzendentale Erfahrung genannt, weil sie zu den notwendigen und unaufhebbaren Strukturen des erkennenden Subjekts selbst gehört und weil sie gerade in dem Überstieg über eine bestimmte Gruppe von möglichen Gegenständen, von Kategorien besteht“. Die Schwebe zwischen konkreter (= kategorialer) Erfahrung und (der Erfahrung von) deren Möglichkeitsbedingung (= transzendentale Erfahrung?) wird nie eindeutig bestimmt. Deshalb wird auch die Differenz zwischen (im wissenschaftstheoretischen Sinn) transzendentaler Erfahrung und Erfahrung von Transzendentem für konkrete Fälle nie deutlich unterschieden. Es bleibt also – so meine Folgerung – immer eine weitere Instanz notwendig, die zwischen legitimer und vermeintlicher transzendentaler Erfahrung unterscheidet. Im konkreten Fall Rahners sind das die Kirche und deren legitimiere Vertreter. Das verhilft vielen „Erfahrungsspezialisten“, von den Charismatikern bis hin zu Eugen Drewermann, zu einem oft zweifelhaften Erfolg.

[40] Vgl. H. Vorgrimler, Gotteserfahrung im Alltag. Der Beitrag Karl Rahners zu Spiritualität und Mystik, Vor dem Geheimnis Gottes den Menschen verstehen, hrsg. v. K. Lehmann (Zürich, 1984), 62-78 (mit Zitaten u.Lit.).

[41] K. Rahner , „Zur Theologie und Spiritualität der Pfarrseelsorge“, in: ders., Schriften zur Theologie, XIV (Zürich, 1980), 161.

[42] Vgl. ausführlicher K. Rahner, Kurzer Inbegriff des christlichen Glaubens für Ungläubige, in: Geist und Leben 38 (1965) 574-379; erweitert in: Concilium 3 (1966) 3. Heft (März).


Gliederung

 

Der Mensch vor dem absoluten Geheimnis, oder:
Wie überzeugend beantwortet K. Rahner die Frage nach Gott?

I. Der Mensch: „Hörer des Wortes“
Zwei Fragen – Rahners Grundakkord. Mensch ‑ Gliederung in vier Schritten:

1.1 Zum Wesen der Dinge
Verunsicherung durch Kant – Vom Erkennen zum Verstehen ‑ Maréchal weitergedacht – Versöhnung von Tradition und Moderne
1.2 Hörer des Wortes
Ein bahnbrechendes Buch – Ein Schlüsseltext
1.3 Vom Wesen zum Geheimnis
Hören können  ‑ Das dunkle Wort „Gott“

 II. Gnade: Selbstmitteilung Gottes

2.1 Die unüberholbare Antwort
Wer ist Jesus? – Gnadenverständnis personalisiert ‑ Gott wirkt in allem
2.2 Die Idee des Menschen
Vom Geheimnis behütet ‑ Eine irreversible Zusage ‑ Christus als absolutes Geheimnis – Eine Frage 

III. Gott: unaussprechliches Geheimnis

3.1 Das Geheimnis verstehen
Kein Geheimnis enthüllen ‑ Das Geheimnis vollziehen
3.2 Das Geheimnis, das wir selbst sind
Zur eigenen Freiheit finden ‑ Gott bleibt dennoch entzogen
3.3. Das Geheimnis erfahren
Gott erfahrbar? ‑ Ein Paradox – Ungegenständlich, was heißt das? ‑ Biographischer Hintergrund

 IV. Ansätze zu einem Gespräch
Gründe für Rahners Wirkung – Unkritische Rahnerverehrung

4.1 Erkenntnis, Verstehen, Partizipation
Handeln statt Erkennen ‑ Partizipation statt Geheimnis
4.2 Geschichte, Historie, Erinnerung
Das Recht historischer Faktizität ‑ Anonyme Christen? ‑ Harmonisierende Auslegung
4.3 Erfahrung und sozialer Prozess
Heil nur im Innern des Menschen? – Vom wahren Sinn der Mystik – Öffnung zu Welt und Menschen

Schluss
Gesellschaftliche Verfasstheit – Überholte Eurozentrik

Appendix:
Aus: K. Rahner, Intellektuelle Redlichkeit und christlicher Glaube