Unheil der Welt – Unheil der Menschen? Eine den Religionen gemeinsame Erfahrung

Das Unheil von Menschen und Welt wird in allen großen Religionen thematisiert. In diesem Artikel werden die Antworten von Hinduismus, Buddhismus, Judentum und Islam mit dem christlichen Ansatz verglichen.

Einleitung: „Eine großartige Lehre“

„Wahr ist nur, was nicht in diese Welt passt“, schrieb einmal Th. W. Adorno[1]. M. Horkheimer, einer seiner Wegbegleiter, nennt die Lehre von der Erbsünde „die großartigste Lehre in beiden Religionen, der jüdischen wie christlichen. Sie hat die bisherige Geschichte bestimmt und bestimmt heute für den Denkenden die Welt.“[2] Zwar werden die Autoren dieses Heftes diese Aussage nicht vorbehaltlos unterschreiben. Unter dem Mikroskop besehen bleibt die christliche Erbsündenlehre heute nicht ohne intensive Kritik. Diese Theorie von der „Ursünde“ ist, streng genommen, eine Entwicklung Augustins; eine erste Formulierung lässt sich bis aufs Jahr genau angeben[3]. Wer aber die Religionen ein einer ersten Annäherung von ferne, wie in einem Teleskop miteinander vergleicht, kommt zu einem anderen Ergebnis. Aus dieser Perspektive sind Schlagkraft und Faszination der Erbsündenlehre unbestritten. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, – vielleicht gerade deshalb, weil die Erbsündenlehre die gängigen Regeln sowohl der profan-analytischen als auch der religiös-symbolischen Logik durchbricht. Wie viele Artikel dieser Nummer zeigen, zwingt ein mikroskopischer Blick zu vielen Fragen: Die augustinische Erbsündenlehre hat die christliche Anthropologie verengt und in der Neuzeit zu einer Trennung von Philosophie und Theologie geführt[4]. Es hat also seine guten Gründe, dass diese Lehre von der Theologie der Ostkirchen nie rezipiert wurde. Auf der anderen Seite wurde die Erbsündenlehre zum maßgeschneiderten Kristallisationspunkt für viele anthropologische, geschichts-, gesellschafts- und ideologiekritische Problemstellungen der westlichen Kultur. Gerade weil diese Lehre uns dazu angeleitet hat, die Möglichkeiten und die Dynamik menschlicher Freiheit höchst kritisch zu betrachten, hat sie immer wieder zu einer kritischen Auseinandersetzung mit neuzeitlichen Strömungen, mit einer undialektischen Rationalität sowie mit dem Imperialismus westlichen Denkens und Handelns geführt.

Vielleicht kann ein interreligiöser Blick die Antwort vorantreiben. Aber auch hier zeigt sich eine Schwierigkeit. Der mikroskopische Blick, von dem oben die Rede war, eignet sich für einen solchen Vergleich nicht, zu sehr ist die Erbsündenlehre bis in ihre letzten Verästelungen in westliches Denken verflochten. Wie aber soll man einen teleskopischen Blick einrichten, welcher Fokus und welche Beleuchtung ist zu wählen, was für ein Gesprächsprofil ist vorauszusetzen? Wie formulieren wir die Erbsündelehre genau, wenn wir sie in den Dialog mit anderen Religionen einbringen wollen? Religionsgeschichtlich gesehen lässt sich die Erbsündenlehre mit einem Paket von Symbolen und Aussagen vergleichen. Sie sind eng miteinander verschnürt und bilden eine gemeinsame Oberfläche. Ich will deshalb versuchen, das Paket aufzuschnüren und dessen Einzelteile mit den Daten anderer Religionen zu vergleichen. Mehr als der Beginn eines Unternehmens kann dies nicht sein[5].

I. Fünf Elemente – ein Paket

Es hat seine guten Gründe, dass die Erbsündenlehre erst in der Wende zum 5. Jahrhundert ihre klassische Gestalt gefunden hat, denn sie ist aus vielfältigen Traditionen zusammengewachsen. Sie verarbeitet Elemente der Schöpfungsgeschichte und religiösen Anthropologie ebenso wie ein hellenistisches Freiheitsproblem. Elementare Erfahrungen von Bosheit und Leiden sind in ihr ebenso aufgehoben wie der institutionelle Anspruch einer Hierarchie, Heil zu vermitteln. So gleicht diese Lehre einem Puzzle verschiedenster Komponenten, die so konsistent wie möglich miteinander verknüpft sind. Ich arbeite hier in der Gesamttheorie fünf Komponenten zu heraus. Wie aber stellen sich diese Komponenten dar, wenn wir sie einmal isolieren und je in ihrer Eigendynamik betrachten? Da sie in den Artikeln dieses Heftes von verschiedener Seite beleuchtet werden, gebe ich hier nur summarische Ergebnisse wieder.

1.1 Weisheit der Welt (Wahl und Grenze)

Die Erbsündentheorie ist auf der Paradieses-Geschichte (Gen 2 und 3) aufgebaut. Adam und Eva haben der Versuchung des Paradieses nicht standgehalten und mussten es deshalb verlassen. Was genau ist aber die Botschaft dieses Berichts? E. van Wolde hat in einer immanenten Analyse des Textes deutlich gemacht, dass diese Geschichte ursprünglich keinen moralischen Skopus hat[6]; zunächst und in sich betrachtete geht es nicht um Verführung und Sünde, auch nicht um Verfehlung und Strafe. Erzählt wird eine menschliche Grunderfahrung, die uns herausfordert und der sich niemand entziehen kann. Da gibt es nämlich das Problem, dass wir wählen und unser Leben in eigener Verantwortung gestalten müssen. Wir können nie alles haben. Unser Leben ist in unsere eigenen Hände gelegt; wir können uns nicht undifferenziert auf Gottes Wille berufen. Entscheidung bedeutet immer auch Verzicht, Konfrontation mit Alternativen, mit dem Zwang zur Wahl.

Dies ist einer der Gründe, weshalb Kierkegaard diese Geschichte im 19. Jahrhundert neu entdeckt und in Adam eine gegenwärtige Figur des Menschseins gesehen hat. Da gibt es im Garten des Glücks neben den vielen Bäumen eben den einen Baum der „Erkenntnis von Gut und Böse“, der Vollendung, die Erfüllung aller Wünsche suggeriert. Aber die Vorstellung vom Paradies, das alle Wünsche erfüllt, hebt sich selbst auf, denn Sache der Glück suchenden Menschen ist es, einen mühsamen und immer gefährlichen Weg anzutreten. Auch die Erbsündenlehre hat diese Grunderfahrung in such aufgenommen: Auch im geordneten Dasein bleibt ein Rest des Chaos bestehen, das Jahwe im Schöpfungshandeln überwunden hat; das Paradies ist im Hier und jetzt nicht möglich. Dasein bedeutet immer auch Wahl und Grenze, Gefährdung. Es lockt die Illusion, das perfekte Glück, die vollkommene Einsicht und ein rundum gesichertes Leben seien hier und jetzt möglich. Genau dies bedeutet für jede menschliche Daseinserfahrung die schlimmste Gefahr, denn es gibt unausweichliche Grunderfahrungen: Entscheidungsdruck, Trennungsangst, Anstrengung und Arbeit, Konflikt zwischen den Menschen und das Risiko der Sexualität, Leiden, Schmerzen und Tod. Es ist keine Frage: Die Einübung in diese Grunderfahrungen menschlicher Existenz, diese Grundweisheit ist in jeder Religion zu finden. Sobald sie in den Hintergrund rückt, tun wir gut daran, uns ihrer ausdrücklich zu erinnern.

Allerdings bedeutet diese Weisheit mehr als zusammenfassende Theorie. Die Fallgeschichte (Gen 3) präsentiert ja keine abstrakte Weisheit oder fertige Erkenntnis, sondern erzählt eben eine – Geschichte. Wie jede Geschichte ist auch sie mit weiteren Abläufen und Erzählungen gekoppelt. Sie hat Folgen, die sich durch alle biblischen Bücher hinziehen. Mehr noch, ihre Erzählung verbindet das vergangene Geschehen von damals mit der gegenwärtigen Zeit derjenigen, die heute aufs neue erzählen und hören. So entfaltet die Fallgeschichte eine offene und elastische Semantik, die in jeder Epoche, in jedem sozialen und kulturellen Kontext neu gelesen wird, denn Welt und Gesellschaft bedeuten auch heute drohendes Chaos und Neuordnung, also Wahl, Verzicht und Grenzerfahrungen, die wir als Preis unseres Daseins zu bezahlen haben. Zu bezahlen hat diesen Preis, wer sich an der Welt freuen, in ihr glücklich werden, wer an der Arbeit für eine versöhnte Menschheit teilnehmen will. Der Preis lautet: eigenes Engagement und eigene Entscheidung, Teilhabe an der Situation der Benachteiligten. Es geht um die Bereitschaft, uns in die Grenzen dieser Welt einzufügen und innerhalb ihrer zu handeln. Auch dies ist eine Grunderfahrung, die zu lernen und jede Religion einlädt. Ich spreche von einer Grunderfahrung, weil sie allen weiteren Orientierungen zwischen Gut und Böse, Freiheit und Unterdrückung, zwischen Bewährung und Fall vorausgeht.

1.2 Herausforderung (Frage und Entscheidung)

Erst vor diesem Hintergrund kommt in der Paradies-Geschichte eine weitere Dimension zum Tragen, die sich im Übergang von Gen 2 zu Genesis 3 zeigt. In Genesis 2 trat Gott als derjenige auf, der die Erzählung vorantrieb. Er hat die Welt geordnet und seine Regeln aufgestellt. In Genesis 3 geht die Handlungsinitiative auf das Menschenpaar Adam und Eva. Aber wie erstaunlich, dieser Übergang wird aber durch die Schlange vermittelt, die „schlauer als alle Tiere des Feldes“ ist und deshalb ein neues Element einzuführen weiß. Die Schlange sät Misstrauen, initiiert im Menschen eine eigene Imagination („ … Ihr werdet wie Gott“) und leere Illusion („…euch gehen die Augen auf“; „ …ihr werdet nicht sterben“). So bringt die Schlange Eva und Adam dazu, sich gemeinsam gegen Gottes Hinweis auf ihre Grenze zu entscheiden. Ins Spiel kommt (modern gesagt) der Aspekt der subjektiven Freiheit, der an die menschliche Eigenständigkeit appelliert und den Gedanken eines zurechenbaren Handelns in die Debatte wirft: Ich bin verantwortlich für mein eigenes Handeln. Ins Spiel kommt aber auch die Frage, wofür in diesem Zusammenhang nun Gott noch verantwortlich sein soll. Kann er die Grenzziehungen des Paradieses verantworten? Will er statt der Wahrheit nur seine Macht legitimieren? Will Gott den Menschen eben klein halten? Eine naiv teilnehmende Haltung gegenüber Gott ist jetzt aufgegeben. Der Mensch steht jetzt als fragender und als entscheidender Gott gegenüber; so etwas wie Religion wird jetzt erst möglich. Unbestreitbar ist, dass keine der Weltreligionen die Menschen aus ihrer Verantwortung einfach entlässt. Wie aber verhalten sich Gottes Wille und menschliche Freiheit? Auch hier zieht sich, wenn ich recht sehe, durch alle Religionen eine gemeinsame Linie. Keine der Religionen hat dafür eine eindeutige Lösung entwickelt.

Deshalb ist die Spannung zwischen der ersten und der zweiten Komponente, also zwischen Verhängnis und Verantwortung schon in der Paradies-Geschichte nicht zu übersehen. Augustinus hat in seinem Traktat über die menschliche Freiheit die Frage gestellt, wo denn die Schlange herkommt[7]. Ist Gott nicht ungerecht, wenn er ihr einen so gefährlichen und katastrophalen Freiraum zugesteht? Ist da nicht das Böse schon Gegenwart, bevor der Mensch ihm überhaupt Zugang gewährt hat? Widerspricht dieses Komplott von Schlange und Gott nicht der Aussage-Absicht der Geschichte selbst, dass nämlich der Mensch für seine Situation selbst verantwortlich sei? Diese Fragen haben in der christlichen Theologie zu vielen Spekulationen geführt. Die Fallgeschichte des Paradieses wurde zu einer Fallgeschichte der Engel prolongiert, die Sünde wird zur notwendigen Voraussetzung menschlicher Autonomie erklärt: die Rede ist von der „glücklichen Schuld“. Letztlich sind all diese Frage und Lösungen unangemessen. Sie übersehen nämlich, dass der Bericht von der Schlange eine faktische Geschichte aufdecken und deuten will. Es ist die Geschichte und die menschliche Freiheitserfahrung selbst, die diesen Widerspruch in sich trägt. Die Kategorien von Beginn und Folge, von Ursache und Wirkung versagen, wenn der Ursprung des Bösen besprochen werden soll. Dieses Unvermögen, also dieser Mangel für die Bedürfnisse einer rationalen Interpretation, ist allen Ursprungsmythen der Religionen inhärent.

1.3 Erschreckende Bilanz (Lawine der Bosheit)

Jetzt erst ist von einer dritten Komponente die Rede, die den Begriff einer Geschichte vom „Fall“ sowie deren moralischen Skopus rechtfertigt. Der moralische Untergrund der Fall-Geschichte wird ja erst von ihrem Zusammenhang mit den folgenden Geschichten gerechtfertigt, also erst in diesem Gesamtzusammenhang zu finden. Erst ab der Geschichte vom Bruder-Mord (Gen. 4), bis hin zur Geschichte von der Sintflut (Gen 6) zeigt sich, welches Maß der Bosheit und Zerstörung der Auszug aus dem Paradies mit sich gebracht hat. Wie eine Lawine verbreitet sich die Bosheit nicht nur über die Welt, sondern auch Beziehungen und Zusammenleben der Menschen, modern gesagt: hier kommt eine Element der menschlichen Geschichte zu Wort, die eine Geschichte des Unheils und der Zerstörung ist. Streng genommen spielt die Freiheit des Menschen auch in dieser Geschichte von Unheilsgeschichten noch eine untergeordnete Rolle. Die Bosheit wirkt noch wie ein Naturereignis, das – ähnlich wie später bei Paulus (R 5,12) – noch seinen schicksalhaften Gang geht. Deshalb wird die Zeitdimension auch relativiert, denn derselbe zeitliche Gang wiederholt sich immer wieder. Es geht um eine Macht der Bosheit, die alles geradezu mythisch, wenn auch in menschlicher Handlung, infiziert.

Deshalb kann diesem katastrophalen Unheil, in dem schließlich alles ertrinkt, auf dieselbe kosmische Weise noch die Segensmacht Gottes gegenüber gestellt werden. Der Regenbogen (nicht etwa ein Messias, eine bergende Stadt oder ein neues Reich) wird zum Zeichen göttlichen Segens; die Frage nach dem Unheil bleibt noch in kosmischen Symbolen befangen. Dennoch bleibt die Kernaussage auf den Menschen bezogen. Adam und Eva haben ihre Entscheidung in eigener Verantwortung getroffen. Die „Schlechtigkeit des Menschen nahm zu…, alles Sinnen und Trachten seines Herzens war immer nur böse“ (Gen 6,5) So reut es Gott, dass er den Menschen überhaupt gemacht hat. Damit ist eine Grundspannung gegeben, die sich in den prophetischen wie in den fern-östlichen Religionen bis auf den heutigen Tag gehandelt hat. Ein Gott, der mit Menschen in Beziehung steht, kann die Abgründe des Unheils und des Gerichts nicht einfach zur Seite schieben. In dieser Komponente ist die gesamte – und zudem sehr pessimistische – Deutung der Menschheitsgeschichte eingeschlossen. Die Zerstörung wird später (in der prophetischen und in der Weisheitsliteratur) zugleich als Selbstzerstörung entlarvt; vor Gott kann niemand mehr auf ein Lebensrecht pochen. Zwar beteuert Jahwe: „Ich will die Erde wegen des Menschen nicht noch einmal verfluchen“ (Gen 8,21), aber auf diese umfassende Segensverheißung, die die ganze Welt umschließt, folgt prompt wieder die folgende Strafe der endenden Kommunikation: „Keiner versteht mehr die Sprache des andern“ (Gen 11,7). Unverständnis, Unfriede und Feindschaft bleiben also bestehen.

Es gibt keine Religion, die nicht zutiefst von dieser pessimistischen Grunderfahrung geprägt ist. Sie ändert sich auch nicht durch die Propheten, die stärker denn je die Freiheit und Verantwortlichkeit, die Frage des Herzens, also die jeweils innerliche, geradezu individuelle und personale Dimensionen des Bösen betonen oder die Ankunft des Messias erwarten. Doch müssen wir auch die Kehrseite zur Kenntnis nehmen: Hier schlagen die prophetischen Religionen einen eigenen Ton an, der sich in der späteren Geschichte, in Judentum, Christentum und Islam, auswirken wird. Aus prophetischer Perspektive wird deshalb die Fallgeschichte noch einmal anders gelesen. Sie wird zum Paradigma der je persönlichen, unser Herz prägenden Verfehlung. Jetzt geht es um persönliche Abkehr von Gott, um zurechenbare Verfehlungen, um eine Frage des eigenen Herzens und intimer Sehnsucht, um Sünde im Zusammenhang von Ursache und Wirkung, um Lohn und Strafe. Jetzt wird die religiöse Erfahrungswelt zum Szenario, das die Fallgeschichte ausleuchtet. Mehr und mehr wird Adam auch zum Individuum, das sich frei gegen Gott wendet und dafür seine Strafe erhält. Aber so sehr die individuelle Verantwortlichkeit auch verschärft wird, so uneingeschränkt hält die Erbsündenlehre an deren Vorbedingungen, nämlich der umfassenden Unheilssituation der gesamten Menschheitsgeschichte fest.

1.4 Neue Perspektive (von Adam zu Christus)

Im Übergang zum christlichen Glauben tritt allerdings eine Perspektive hinzu, die quer zur bisherigen Entwicklung steht und quer zu anderen Religionen bleibt. Die palästinensische Jesusbewegung übernimmt den Adamsmythos noch mit allen beschriebenen Elementen; sie deutet ihn so aus, wie es die jüdische Tradition schon getan hat. Mit dem Übergang in den hellenistischen Kulturraum wird das Modell jedoch grundsätzlich erweitert und neu gelesen. Paulus stellt dem Adam des Beginns das Bild von Christus als dem zweiten Adam gegenüber. Jetzt tritt das irdische Leben (Adam) dem lebendigmachenden Geist (Christus) gegenüber (1 Kor 15,45); währen wir in Adam sterben, leben wir in Christus (1 Kor 15,22). Während durch einen einzigen Menschen die Sünde und durch die Sünde der Tod kam (R 5,12), werden in Jesus Christus alle, die an ihn glauben, leben (R 5,17). Jetzt wurde der adamitische Mythos selbst abgeschlossen und (sozusagen vom Ende her) und mit einem Gegen-Mythos konfrontiert. Der Lawine des Bösen, die von Adam ihren Ausgang nahm, steht jetzt die ständige Ausbreitung der Gnade in Christus gegenüber. Jetzt geht es um Bewegung und Gegenbewegung; die eine menschliche Sünde steht der einen Gnade Christi diametral gegenüber. Adam erfährt Bestätigung und Widerspruch zugleich. Es ist ein a-symmetrisches Modell, denn ursprünglich wurde „Adam“ nicht als Individuum oder als Verursacher des Bösen begriffen, sondern als Repräsentant der gesamten Menschheit. Wenn die Menschen „in ihm“ gesündigt haben (wie Augustinus später sagt), dann setzt das deren eigene Tat voraus statt diese zu ersetzen.

Wer ist in diesem Spiel von Mythos und Gegen-Mythos nun Christus? Für die Christen ist er natürlich eine fleischgewordene, also eine historische Person, die zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort gelebt hat. Verständlich wird deshalb ein unmerklicher Prozess. Je mehr das jüdische Christentum aus der späteren Kirche des Imperium verschwindet, umso mehr wird auch Adam von Jesus Christus her verstanden, das heißt: (a) nicht mehr als mythischer Repräsentant der Menschheit, sondern als der historisch erste Mensch; (b) nicht mehr als eine kollektive Figur, sondern als ein Individuum, dessen Handeln für die Geschichte des Menschen kausale Folgen hat, (c) nicht mehr als Repräsentant eines immer gegenwärtigen Geschehens, sondern einer schon überholten Geschichte, die mit einer wirksameren Gegengeschichte konfrontiert wird, (d) nicht mehr als die Kurzformel für die Stammeltern, in deren Grundentscheidungen Eva ebenso verwoben ist, sondern als machtvoller Mann, der für die gesamte Menschheit entschied, so wie auch Christus als der eine Mittler eine Gegengeschichte eingeleitet hat.

Es gehört zur Tragik des christlichen Adamsmythos, dass dieser immer mehr von den genannten Grenzen her verstanden wurde. So wurde auch die Erbsündenlehre immer weniger in Parallele zur Bosheitserfahrung anderer Religionen ausgelegt, sondern immer mehr als Beendigung menschlicher Freiheit verstanden. Die Zeit verderblicher Menschenfreiheit war jetzt abgelaufen und die Zeit eines heilbringenden Gehorsams, also einer Gegengeschichte begann, in der das Irdische im Grunde schon zu Ende gekommen ist. Die „christliche“ Fallgeschichte erhielt so ihre spezifischen Konturen.

1.5 Tragik und Ende der Freiheit (Augustinus)

In der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert wandelte sich die Gemeinschaft der Christen endgültig zur Reichskirche. Diese Wende hat nicht nur gute Gefühle ausgelöst. In Nordafrika erfahren wir einen starken Pessimismus; der Manichäismus erlebt einen Aufschwung. Das Mönchtum erstarkt und ein Paulinismus wird entdeckt, demzufolge das Heil allein von Gottes Gnade abhängt. Das Bewusstsein verdichtet sich, dass die Menschheit seit Adams Verfehlung in einen Strudel des Verderbens und des Unheils ohne Ausweg geraten ist. Die Sünde Adams wird immer mehr als ein unglückliches Erbe gesehen, das uns mit in den Strudel reißt. In diesem Sinn sind wir Adams Erben, aus dem uns allein Christus retten kann. Lang hat man noch daran fest, dass dieses allgegenwärtige Unheil uns auch von innen her angreift, also die Identität eines ganzen Menschen in den Abgrund ziehen kann. Das ist der Augenblick, an dem Augustinus einen umstrittenen Durchbruch erreichte. Nach Ihm treffen uns nicht nur die Folgen von Adams Schuld, sie führt uns auch nicht nur zu einer inneren Verderbnis, sondern sie wird uns selbst zur Schuld. Für sie müssen wir vor Gott gerade stehen. Für ihn gilt jetzt: wir haben unser Heils nicht nur verloren, sondern wollen es auch mehr erreichen; das ist unsere Schuld vor Gott.

Was ist geschehen? Augustinus, der ausführlich über die Schöpfung und den Fall im Paradies, über das menschliche Herz und die gesellschaftlichen Verhältnisse nachdenkt, der schließlich intensiv über Gottes Gnade in Christus geschrieben hat, schnürt diese Einzelelemente jetzt in einem rational schlüssigen Paket zusammen, das den Menschen in unübertroffener Weise mit sich selbst konfrontiert[8]. Die Innerlichkeit und Ausweglosigkeit eines existentiellen Schuldbewusstseins wird mit einer historisierenden Erklärung gekoppelt. Zugleich wird der Weg der Erlösung aus dieser Situation institutionalisiert und monopolisiert. Durch diese Überspitzung hat Augustinus ein doppeltes erreicht. Er hat eine Unheilserfahrung aufgegriffen, von der alle Religionen durchdrungen sind. Zugleich hat er die christliche Tradition durch das Band der Erbsündentheorie von allen anderen Religionen weggerückt. Wer dies positiv interpretieren will, wird die theoretische Kompaktheit und Wirkungsmacht der augustinischen Theorie preisen. Wer damit Schwierigkeiten hat, wird darauf hinweisen: In dieser Theorie behandelt Augustinus einen höchst komplexen Mythos wie eine rational zwingende Einzelaussage. Durch die kolossale Simplifizierung eines komplizierten Modells wird Adams Schuld zugleich als unser aller Schuld interpretiert. Er zwingt die komplizierte Versöhnung von individueller Verantwortung und geschichtlichem Zusammenhang in einem gewaltsamen Denkakt zusammen.

II. Fünf Religionen – ein Vergleich?

Ein Vergleich mit anderen Religionen kann nur behutsam und sehr vorläufig geschehen. Wen sollen wir miteinander vergleichen? Es gibt weder den Hinduismus noch den Buddhismus oder Islam. Was sollen wir miteinander vergleichen? Wir können Einzelaussagen zu Mensch, Geschichte oder Gesellschaft nicht miteinander zu vergleichen, ohne auf die verschiedenen Bezugsrahmen oder Epochen der Religionen und ihrer Kulturen zu achten. Ebenso wenig können wir neben einer Gesamtinterpretation Einzelaussagen einfach vernachlässigen, zu auffallend sind Überschneidungen im Detail. Deshalb versuchen wir einen dritten Weg. Er zielt auf die Frage: Wie können wir Details und Gesamtkonzeptionen im Blick auf unsere gegenwärtige Situation verstehen und interpretieren? Ziel kann also nicht die Analyse oder Beurteilung anderer Religionen sein, wohl aber dienen sie uns zur Illustration. Wir beschränken wir uns auf repräsentative Teile des Judentums und Islam, des Hinduismus und Buddhismus[9].

G. Mensching hat schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass jede Religion eine „essentielle Sünde“ kennt[10]. Dieser Terminologie kann sicher nicht jede Religion zustimmen, aber jede Religion versucht, diese Tatsache zum Ausdruck zu bringen: das Böse, das Unheil hat neben einer individuellen und zurechenbaren auch kosmische, eine soziale und eine naturale Dimension. Menschen sind zugleich[!] frei und unfrei, in einer Gesellschaft aktiv und von ihr geprägt, zugleich Opfer und Täter, oder wie J. Laube sagt: Kein selektiver Blick ist erlaubt; es geht weder um eine „Achse des Bösen“, auch um keine „Schurkenstaaten“. Für keine der großen Religionen haust das Böse in einer anderen Religion oder bei einer besonderen Klasse von Menschen, denn je „gründlicher eine Religion über das Böse nachdenkt, desto klarer kommt ihr zu Bewusstsein, dass das Böse letztlich mit dem Geheimnis des Seins, Tuns und Sich-Deutens des Menschen selbst verbunden ist.“ Deshalb ist das Böse immer „unser“ Böses“; wir müssen uns mit uns selbst auseinander setzen. Damit ist das Böse aber nicht auf den Bereich des moralischen Handelns eingeschränkt. „Im Gegenteil: Die ganze menschliche Existenz mit allen ihren diachronischen und synchronischen Weltperspektiven steht zur Debatte.“[11]

Es kann keine Frage sein: Mit dieser komplexen Intention der Weltreligionen ist zugleich auch die Intention der Erbsündenlehre umschrieben. Dabei werden innerhalb des Menschen zwei Ebenen werden zusammengedacht. Es ist die Ebene des existentiellen Selbst, die uns in keinem Augenblick aus unserer Verantwortung entlässt. Es ist zugleich die Ebene unseres Selbstwiderspruchs, der – wenn man so will – unseren täglichen Selbstwidersprüchen zugrunde liegt. In diesen Knoten von Selbst und Wirklichkeit ragen dann alle anderen Dimensionen des Böen hinein. Ich möchte dies an vier Beispielen illustrieren

2.1 Hinduismus – die Dramatik des Bösen

Die räumliche und kulturelle Ferne zu den äußerst vielfältigen, für westliche Augen oft unübersichtlichen Traditionen indischen Glaubens[12] machen einen Vergleich mit westlichem Denken schwierig, in der gebotenen Kürze geradezu unmöglich. Es gibt keinen Adamsmythos, der den Ursprung des Bösen in eine menschliche Urfreiheit legt, die sich von Anfang an selbst verfehlt. Deshalb spielt die Frage nach einem menschlichen Unheil, das Menschen selbst verursachen, eine viel geringere Rolle. Aber der Ursprung des Bösen[13] und des Unheils, des Leidens, von Krankheit und Tod, menschlicher Gier und Illusion, wird in vielen Schöpfungsmythen und dramatischen Geschichten thematisiert. Es sind oft die Götter selbst, die das Böse aus sich heraussetzen, oft indem sie sich selbst zerstückeln. Die Schreckensbilder von Dämonen, von Unglück und Zerstörung sind in Texten und Darstellungen reich ausgebildet und vermischen sich für Außenstehende zu chaotischen Szenarios. So ist das Böse – hauptsächlich – nicht dasjenige, das Menschen tun, sondern dasjenige, was an ihnen geschieht; Scham tritt zwar nicht an die Stelle von Schuld[14], spielt aber als Zeichen des Passivität gegenüber Versagen und Scheitern eine wichtige Rolle. Erlösung bleibt in keinem Fall überflüssig. Zugespitzt formuliert: Statt um Sünde geht es häufig um Leiden, statt um Schuld und um auferlegtes Schicksal, ja auferlegte Schicksalsketten. Die Gesamtfrage bleibt aber komplex, denn genauer besehen bleibt die Bosheit in der Regel auf Götter und Menschen verteilt, kann bisweilen sogar durch vielfältige Kooperationen bewältigt werden. Dabei schließt diese hochkomplizierte (und uneinheitliche) Systematik nicht aus, dass es immer wieder Hochgötter sind, die das Böse insgesamt überwinden oder vernichten können. Diese Vorstellungen kommen der Erlösungsidee der prophetischen Religionen nahe.

Aus westlicher Perspektive fällt die unterscheidende Aufmerksamkeit auf die Lehre vom Karma[15]: „Die guten oder bösen Taten, die wir in einem früheren Leben begangen haben, sind unser Schicksal; und dies allein entscheidet, wie wir wiedergeboren werden, ob beispielsweise in einer vornehmen oder in einer elenden Familie; aber schon von frühester Kindheit an sind Bildung, Tüchtigkeit und Würde eines Menschen wie auch die Ernte eines Bauern zugleich von seinem Tun wie vom Schicksal abhängig; darum lasse man es nicht an Bemühungen fehlen.“[16]. Wie Michaels ausführt, kann das Böse etwa durch die Betroffenen selbst oder durch andere Menschen verursacht und verschuldet, es kann aber auch als gottgewollt gelten oder unvermeidbar durch Zeit oder Sterne bedingt sein. Dementsprechend vielfältig sind die Lösungsversuche: spirituell-asketische Praktiken zur Überwindung von Taten, rituelle Reinheitsstrategien, der vertrauende Glaube an die Gnade eines Hochgottes oder die Vermeidung von ungünstigen Zeiten bzw. Konstellationen.“[17]. Zwei strenge Grundregeln scheinen die Systeme also zu durchziehen, die christlichem Denken durchaus nachvollziehbar sind, nämlich (1) der Glaube an eine fundamentale Gerechtigkeit, die alle Leben über deren Tode hinaus durchzieht, (2) der Versuch, aus dieser Grundregel befreit, aus dem irdischen Elend also erlöst zu werden. Allen Systemen zugrunde liegt eine Erfahrung der leidenden, durch Schmerzen, Armut und Tod geschlagenen Kreatur.

Die Erfahrungen dieses Bösen selbst, in welcher Form auch immer, liegen aber bloß. Seine konkret erfahrbare Vielfalt wird – ohne Systemzwänge – zur Kenntnis genommen und zum Ausdruck gebracht. Es gibt Schicksale, Zufälle, auferlegtes und selbstverursachtes Geschick, bizarre Biographien von Göttinnen und Göttern. Gegen jedes dieser Geschicke ist auf eigene Weise zu reagieren. Zugleich legt sich im Verlaufe der Jahrhunderte über diese vielfältigen Erfahrungen immer stärker die Karma-Lehre als Leitregel für Handeln und Welterklärung. Sie verbindet sich mit dem Gedanken der Wiedergeburt. Der Antriebsmotor dieses Geschehens, der ihm zugleich eine religiöse Plausibilität verleiht, ist der Gerechtigkeitsgedanke. In gewissem Sinn lässt sich sogar von einer Säkularisierung des Kosmos sprechen, denn in den Prozess, in dem sich das Karma abarbeitet, ist kein jenseitiger Eingriff mehr möglich.

Also doch keine Erlösung? Doch, am Ende wird sie für alle erhofft. Es ist jedoch keine Frage: Die Anteile menschlicher Bosheit, die beschrieben werden, sind das Resultat einer tiefen und zutiefst religiösen Menschenbeobachtung. Es geht nicht nur im Einzeltaten, sondern um Grundhaltungen, die den Gang der Wiedergeburt notwendig machen: Unwissenheit, Ichsucht, Wünsche, Leidenschaften, sexuelle Lust, Befleckungen, Fehler, Begierde, Triebe und Hass. Sie alle führen zu einer Verblendung, die am Schein (maya) der Dinge scheitert. Vor diesem Hintergrund führt der Gedanke des Karma zur Idee der Erlösung. Natürlich provoziert der narrative Charakter dieser Traditionen die Frage nach der menschlichen, zugleich gefangenen Freiheit nicht. Dies ist ja eine Frage, die erst nach dem Scheitern gestellt wird. In der Erzählung werden Menschen jedoch zum Handeln provoziert. Zudem gibt das System vieler Götter immer die Möglichkeit, die göttliche Allkompetenz in Einzelverantwortungen aufzuteilen. Das Problem der Prädestination stellt sich so nicht. So bleiben die Standardfragen der prophetischen Religionen letztlich offen. Das gibt umso mehr Anlass, über die kontextuellen Grenzen des westlichen Verständnisses von Schuld nachzudenken als auch Anlass zur Frage, ob die Dramatik von Unheil und Erlösung in den Hindu-Religonen – bis in die zutiefst mystischen Strömungen hinein – nicht weit ausgeprägter ist als in den christlichen, auf Jesu Leiden und Tod konzentrierten Traditionen.

2.2 Judentum – ein gegenwärtiger Schrei

Die Lehre von der Erbsünde wird hier als ein komplexes Paket präsentiert, in das verschiedene Dimensionen verwoben sind[18]. Es überrascht nicht, dass die jüdische Tradition zur christlichen die meisten Parallelen zeigt. Beginnen wir mit der Paradiesesgeschichte, die dieselben Auslegungsprobleme mit sich bringt. Auch hier spielt die anthropologische Deutung eine große Rolle: Der Auszug aus dem Paradies erscheint als innere Folge einer Fehlhaltung des Menschen, nennen wir sie Hochmut oder Stolz, Unfähigkeit zur Selbstbescheidung oder Selbstbegrenzung, und diese Fehlhaltung charakterisiert die Menschen durch alle Zeiten. „Das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an“ (Gen 8,21). Ähnlich wie im Christentum erscheint die Frau oft als Einfallstor des Bösen, aber konsequenter als im Christentum wird die Doppelgeschlechtlichkeit als Grundgesetz der Wirklichkeit akzeptiert. Sintflut und prophetische Strafgerichte bestimmen diese Tradition mit hoher Intensität.

Es ist unmöglich, hier den narrativen Reichtum der Interpretationen von mehr als 2000 Jahren wiederzugeben. Zwar kennt die jüdische Tradition gemeinsame kanonische Schriften, aber auch sie kennt kein Auslegungsmonopol, sondern traditionsorientierte und zugleich erfahrungsnahe Interpretationen, aber sie zeigen erstaunlich homogene Linien. Vom ersten Tag der Schöpfung an bleiben Chaos und Unordnung bedrohlich, bleiben die Menschen von außen und von innen gefährdet. Es sind die psychologischen, die soziologischen und gesellschaftskritischen Elemente, die auch von der jüdischen Tradition her getragen werden können. Dass Menschen sündigen, das gehört ebenso zur selbstverständlichen Erfahrung wie die Tatsache, dass sie alle dem Leiden und der Vernichtung unterworfen sind. Immer wieder schreien die Menschen „aus der Tiefe zu Gott“. In den Psalmen wird geschrieen und geklagt[19] und das Buch Ijob wurde zum großen Trostbuch auch des christlichen Glaubens[20]. Dabei haben sich die Menschen dieses Elend natürlich durch ihre eigene Sünde verdient, aber zugleich ist es auch die schiere Bosheit der Welt, die die Unschuldigen und die von Gott Erwählten trifft. Mehr als jedes andere Ereignis hat die Schoah diese Erfahrung des Verderbens wieder ins höchst aktuelle Zentrum jüdischer Gotteserfahrung gerückt[21]. Die Unheilsgeschichte Adams geht ungemindert weiter, von „Höhepunkt“ zu „Höhepunkt“.

Es ist genau diese aktuelle Unheilserfahrung der historisierenden Unheilserfahrung der Erbsündentheorie entgegensteht und die den Gedanken der Erbsünde bereichern sollte. Natürlich könnte die jüdische Tradition den Satz von Paulus akzeptieren, dass durch Adam die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod (Rm 5, 12). Allerdings ist dieser Adam eben auch der Mensch von hier und jetzt. Nur in diesem Sinne wird dann Adams Übertretung unsere Übertretung, – nicht weil wir seinen Sündenfolgen erbten, sondern weil wir in seine Nachfolge eingetreten sind. Der Vergleich mit der jüdischen Tradition kann also zeigen, wie die messianische Interpretation, die in der Erlösungstat Jesu Christi kulminiert, die Erbsündenlehre zu einem historisierenden Konstrukt werden ließ, als wäre diese Geschichte – wenigstens für die Erlösten und kraft der Taufe – schon vergangen. Sind wir wirklich schon erlöst? Hier ist aus jüdischer Perspektive Widerspruch angesagt, denn wenn die Erbsündentheorie einen Sinn hat, dann als Hinweis auf den aktuellen Schrei all derjenigen, die immer noch nach Errettung rufen[22].

2.3 Islam – Freiheit und Prädestination

Das Böse ist „das Widerwärtige, das Ordnung und Existenz Bedrohende, darum Gefürchtete und Gemiedene“. Es ist „ein Aspekt des Unverfügbaren, des verborgen Mächtigen, dem sich der Mensch ausgeliefert fühlt und von dem er dennoch zehrt. Das Unverfügbare ist ambivalent; es fördert das Leben und bedrängt es auch“[23]. Diese für die Hindu-Religionen formulierte Definition könnte für alle Religionen gelten. Wie Juden, so weisen auch Muslime darauf hin, dass ihnen eine Theorie von der Erbsünde fremd ist. Doch sind auch bei ihnen wichtige Elemente des Gesamtpakets „Erbsünde“ zu finden[24]. Auf weite Strecken, wie kann es anders sein, finden Christen in der muslimischen Tradition ihre eigenen Gedanken wieder. Auch hier bildet der adamitische Mythos den narrativen, die Anschauung bestimmenden Kern[25]. Die Entstehung des Bösen wird also in die Vorzeit zurückverlagert. Auch hier folgt die unbestrittene Überzeugung, dass alle Bosheit durch Menschen selbst verschuldet ist, auch wenn sie bisweilen die Konnotationen des Dämonischen hat. Das Böse tritt nie als „Kontinuum“ auf, hat also keine sozialen oder geschichtlichen Züge[26], obwohl es intensiv mit dem Teufel und den Dämonen in Verbindung gebracht wird. Darauf ist nicht näher einzugehen.

Wichtiger und kennzeichnend für islamisches Denken ist jedoch ein entschiedener Optimismus, der dessen Welt- und Menschenbild durchzieht. So wird der Auszug (oder sagen wir: die Verbannung) aus dem Paradies bald weniger als Strafe für eine Sünde sondern als Vorbedingung dafür gesehen, dass Adam eine höhere Stufe seines Glücks erreichen kann; sie ist nämlich nur durch Tränen erreichbar[27]. Allah lässt die Übertretung des Adams also zu dessen Vorteil zu. Hier nun zeigt sich ein zentraler Diskussionspunkt muslimischer Theologie überhaupt; es ist das Verhältnis der göttlichen Vorherbestimmung zu menschlicher Freiheit[28]. Diese Diskussion wird in der Regeln von tief verwurzelten Vertrauensgrundsatz aus geführt, da uns von Gott, dem Allbarmherzigen, nur Gutes kommen kann, er aber seine Macht unbedingt behält.

So blieb über viele Jahrhunderte hin für die menschliche Freiheit wenig Raum; zu einer neuzeitlichen Freiheitsdiskussion, wie der Westen sie kennt, bestand kein Anlass. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Diskussionslage vielerorts komplexer und verwirrend[29], wenn auch immer wieder von pessimistischen Zeugnissen über die Zeit unterlegt und von einem pessimistischen Koranvers begleitet, der auch bei Augustinus stehen könnte: „Was dich an Gutem befällt, ist von Gott; und was dich an Bösem befällt, ist von dir selbst.“ (Sure 4,79). Während – wie in christlicher Tradition – das Sein prinzipiell gut ist, das Böse also nur dessen Mangel sein kann, kann das Ich auf sich bezogen sein, in sich verfangen, Quelle des Egoismus, denn „die Seele verlangt nun einmal gebieterisch nach dem Bösen“. (Sure 12,53). So wird – eine weitere Parallele zu einem christlichen Gedanken – die Erfahrung von Bösem immer mehr der verdorbenen Wahrnehmung und dem bösen Verlangen der Menschen selbst angelastet. In der Mystik kann die Seele (d.h. das Ego, das Selbst) geradezu zum „Ort des Bösen“ werden[30].

Die Nähe der prophetischen Religionen ist unverkennbar, umso genauer sind drei Unterschiede im Kontext zu beachten. Der erste ist wiederum die Stellung Figur Jesu Christi, die der Islam nicht als erlösende Gestalt kennt; deshalb erhält in ihr auch der Adam-Mythos keinen Konterpart. Die Erlösung war nie ein Frage der schon geschehenen, sakramental vermittelten Erlösung,; deshalb geht die Geschichte der Unheils als adamitische Sündengeschichte unverändert weiter. Der zweite Unterschied liegt im wesentlich geringeren Organisationsgrad muslimischer Gemeinschaft und Theologie. Auch hier stehen wie in anderen nicht-christlichen Religionen Interpretationen neben Interpretationen, was oft zu einer (auch für die Spezialisten) unübersichtlichen Situation führt. Dies ist aber nur die Rückseite der Tatsache, dass die theologischen Diskussionen ungleich reicher, vielfältiger, viel weniger monopolisiert waren als in der christlichen Theologie. So wird die große und unlösbare Spannung zwischen Vorherbestimmung und menschlicher Freiheit bis heute kontroverser, aber auch unmittelbarer besprochen[31]. Eine „Erbsündentheorie“ also solche kann es deshalb nicht geben, wohl aber die brennenden Frage, ob und wie intensiv Menschen ins Böse verstrickt sind. Auch die Frage des Leidens wird in der muslimischen Mystik intensiv besprochen.

Dies führt zu einem dritten Unterschied. Obwohl der Islam über Jahrhunderte hin zu Fragen menschlicher Freiheit und göttlicher Vorherbestimmung höchst scholastische Diskussionen führte, in denen sich die christliche Tradition wiedererkennt, ist diese Ähnlichkeit verschwunden. Dafür gibt es einen einleuchtenden Grund: Die Theologie des Islam war bislang nur schwach mit einer säkularisierten Gesellschaft, mit Fragen der Technik und Wissenschaft, mit den komplizierten Fragen moderner Religionskritik konfrontiert, obwohl er für eine solche Situation das theologische Rüstzeug hätte. Dadurch steht eine intensive Diskussion noch aus, die im westlichen Kulturraum seit gut 100 Jahren geführt wird. Erst wenn islamisches Denken durch dieses Feuer hindurchgeht, kann sich dessen Stärke auf einem Gebiet zeigen, das bei uns „Theodizee“ genannt wird. Dann könnte noch einmal deutlich werden, dass diese spezifische Funktion der Erbsüdenlehre auch im Islam umfassend verhandelt wurde[32].

2.4 Buddhismus

Zwar wird dem Buddhismus oft der Charakter einer Religion bestritten, aber in seiner Reflexivität, also in seiner Konzentration auf die Innenseite menschlicher Selbsterkenntnis zeigt er zum Denkstil der Erbsündentheorie eine erstaunliche Nähe[33]. J. Laube definiert das Böse im Buddhismus „als apriorisch angeborene Verkehrung der Selbstsicht und der Selbstverwirklichung, innerhalb deren sich alles Handeln notwendigerweise als verkehrtes Handeln abspielt“. Gewiss, auch die Vielfalt des Mahayana-Buddhismus kann hier nicht zur Geltung kommen. Aber in wichtigen und repräsentativen Texten[34] geht es um die Entfremdung von Mensch und Welt. Sie handeln von der „Nicht-Selbstheit“ ( = Entfremdung?) der Menschen und „Nicht-Selbstheit“ aller Phänomene. Alles, was ist und wird, ist (dies in westlicher Übersetzung – absolut relational, gerade ohne einen absoluten Mittelpunkt. Sie kann das Selbst zum Böse schlechthin werden, weil es die Erleuchtung schlechthin behindert. Diese Abweisung von Zentrum, Mittelpunkt, von Identität und Widerspruchsfreiheit gehört wohl zu dem Schwierigsten, das sich einem westlichen Denken entgegenstellt[35]. Auch im Buddhismus gilt, die bösen Taten seien zu lassen, die guten zu vollbringen. Aber ein klassischer Text fügt einen entscheidende dritte Forderung hinzu: „reinige dein eigenes Herz.“[36] Aus dieser Perspektive der Reflexion ist das Gute im entscheidenden nämlich Reinheit, „so wie ein Spiegel immer wieder vom Staub zu befreien ist. Es ist der Geist, der durch sein Reflektieren den Staub nicht anziehen darf“, sonst lassen wir uns vom Schein der Dinge und vom Schein unserer selbst fangen und täuschen. Dieser Aspekt von Reinheit und Schein (maya) ist wichtig, denn sie führt zum Grundproblem buddhistisch interpretierter Existenz. Unsere Grunderfahrung ist eine Erfahrung des Leidens, weil wir dem Schein der Dinge erliegen und ihm nach dem Tode erst recht erliegen werden[37].

Hier wird ein Ton angeschlagen, der stark an neuzeitliche Interpretationen der Erbsünde erinnert. Es geht um ein verkehrtes Wissen und um eine Erfahrung von Leid und Trauer, die sich ihrer Ausweglosigkeit bewusst, denn in diese Erfahrung wird die eigene Verantwortlichkeit mit aufgenommen: „Das eigentlich Böse wird … als die dynamische Subjektivität des Menschen beschrieben, als Begehren, aber nicht so sehr als das bloße Ausgerichtetsein (Intendieren), sondern als das Ausgeliefertsein an die eigene Begierde wie beim rasenden Kaninchen im Netz“. Der ausgelieferte Mensch weiß aber zugleich, dass er sich dieser Dynamik selbst ausgeliefert hat. „Der Mensch, der an seiner Gier festhält, folgt dem Strom, den er selbst verursacht hat …“[38]. Zwar sind Menschen ihrem Schicksal ausgeliefert (ihrer Zeit, Katastrophen in Natur und in Gesellschaft, ihrer eigenen Verblendung …), aber in dieser ihrer Leidenserfahrung und trotz ihrer ziehen sie sich in Selbstgenügsamkeit zurück. Sie sind wie spielende Kinder in einem Haus, ohne zu merken, dass es brennt.

Es ist die Figur der Selbsttäuschung und der selbstverschuldeten Unfreiheit, die auch das Erbsündemodell einzufangen sucht. Es sind – frappante Parallelen – die Teufelszirkel, in die wir Menschen verloren sind und die auch im Buddhismus den Ruf nach Erlösung unausweichlich machen. So verwundert es nicht, wenn – im Rahmen der Symbolwelt von Verblendung und Schein – diese Erlösung in der „Erleuchtung“ erwartet wird. Diese Erlösung bedeutet, wie Nishida[39] schreibt, die Entdeckung eines Absoluten, das absolut widersprüchlich ist und eine Selbsterkenntnis, die das Selbst voll aufzugeben weiß, also eine Befreiung vom absoluten Bösen. So verwundert es auch nicht, dass andere Philosophen wie Tanabe[40] einen Schritt weitergehen. Sie finden das „radikal Böse“, das die Erleuchtung verhindert, nicht nur im Inneren des Selbst, sondern auch in der Gesellschaft und ihren Institutionen. So verbindet Tanabe die radikale Selbstkritik buddhistischer Denker mit Gesellschaftskritik. Genau diese Verbindung ist, wenn ich recht sehen, der spannende Punkt, mit dem sich eine radikale Theorie der Erbsünde verbinden könnten.

Schluss: Suche nach einer neuen Freiheit

Ich breche hier ab und weise noch einmal daraufhin: Diese über alle Maßen kurzen Hinweise geben über die genannten se Religionen keinerlei Aufschluss und sollten so auch nicht verstanden werden. Sie wollten nur zeigen, dass die wichtigen Teilelemente des Theoriepakets „Erbsünde“ im Übermaß auch in anderen Religionen zu finden sind. Offensichtlich hat sich aber auch dies gezeigt: Die gestellte Frage könnte zu einer höchst fruchtbaren, höchst spannenden aber auch höchst umfassenden Studie führen. Wir könnten Gesprächsprofile für einen gegenseitigen Dialog aufzustellen, zu denen uns die Erbsündentheorie inspiriert. Dabei könnte sich die christliche Theologie in die Schule gehen, um zu lernen.

  • Von den Hindu-Religionen könnten wir Antworten auf die Frage lernen: Wie gelingt es uns, die Abgründe unseres Lebens – mit all ihrer Begrenztheit, Bosheit, Zerstörung, Illusion und Selbsttäuschung – so in ihrer Vielfalt ernst zu nehmen, wie wir sie täglich erfahren und wie sie von denen erfahren werden, die wirklich leiden und mit der Natur mitleiden?
  • Von den jüdischen Traditionen können wir Antworten auf die Frage lernen: Wie gelingt es uns, uns endlich von den gefährlichen (und antijüdischen) Tendenzen eines christlichen Perfektionismus zu lösen? Noch immer meinen wir ja, die messianische Erlösung sei wirklich geschehen, die Lawine der Bosheit sei gestoppt und wird würden von unserer Selbstzerstörung nicht mehr überflutet. Wann begreifen wir, dass das Gebet immer noch in einen Schrei um Hilfe münden muss, bevor wir die Erlösung in Christus preisen?
  •  Von den muslimischen Traditionen können wir Antworten auf die Frage lernen, wie sich der göttliche Weltplan und die menschliche Freiheit miteinander vertragen. Bosheit und Leiden bleiben für den Glauben an einen einzigen Gott immer ein Problem. Deshalb werden wir das Böse immer in der Spannung zwischen abscheulicher Tat und glücklicher Schuld begreifen und lernen müssen, dass das Theodizeeproblem nie theoretisch, sondern nur praktisch gelöst werden kann.
  •  Von den buddhistischen Traditionen können wir können wir Antworten auf die Frage lernen, wie wir Menschen aus den Paradoxen einer selbstverschuldeten Unfreiheit und einer schicksalhaften Verantwortung erlöst werden können. Hier werden Lösungen für den Grundwiderspruch der Erbsündentheorie angeboten, dass wir nämlich ein Unheil geerbt haben, für das wir Verantwortung übernehmen können.
  •  Von der christlichen Tradition könnten wir schließlich Antworten auf die Frage lernen, wie wir angemessen zwischen Tätern und Opfern unterscheiden und dann zu klären wissen, ob Gottes Allmacht nicht auch Ohnmacht beinhaltet[41] und auf welcher Seite wir wirklich stehen.

Alle Religionen, die hier zu Wort kamen, bewegen sich (wie die christliche Tradition) im Dreieck von verfügtem Leiden, eigener Verantwortung und der Frage nach einer neuen Freiheit. So verschieden ihre Antworten auch sind, so sehr gleichen sie einander in ihren grundsätzlichen Intuitionen. Eine Grundstruktur menschlichen Gutseins ist definitiv verletzt. Aus eigener Macht können wir uns aus diesem Unheil nicht befreien. Genau deshalb sind wir auf Hilfe angewiesen, auch wenn sie durch unsere eigene Kraft und Kreativität vermittelt wird.

Anmerkungen

[1] Th.W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt 1977, S 93.

[2] Zitiert in M. Knapp, „Wahr ist nur, was nicht in dieser Welt paßt““. Die Erbsündenlehre als Ansatzpunkt eines Dialoge mit Theodor W. Adorno, Würzburg 1983.

[3] Die entscheidende Stelle findet sich in Ad Simplicianum I, 2, 16 (CCL 44,42), geschrieben 397; s. H. Häring, Die Macht des Bösen, Zürich-Köln 1979,197-201.

[4] Häring a.a.O., 239-266.

[5] Auf den vorläufigen und provisorischen Charakter dieses Versuchs sei ausdrücklich hingewiesen. Es handelt sich um keine Forschungsergebnisse, sondern um eine erste globale Hypothese, die nach vielen Richtungen hin der Überprüfung und Differenzierung bedarf.

[6] E.J. van Wolde. A Semiotic Analysis of Genesis 2-3, Assen 1989.

[7] Zur Interpretation s. Häring, a.a.O. 139-161; R. J. O’Connell, De libero arbitrio I. Stoicisme revisited, in: Augustinian Studies I (1970), 49-68.

[8] G.R. Evans, Augustine on Evil, Cambridge 1982; K. Flasch, Augustin, Einführung in sein Denken, Stuttgart, 21994.

[9] In der Gesamtlinie lasse ich mich leiten von: J. Laube (Hg), Das Böse in den Weltreligionen, Darmstadt 2003 mit Beiträgen zu D. Krochmalnik (Das Böse in der jüdischen Tradition, 13-62), H. Häring (Das Böse in der christlichen Tradition, 63-130), R. Schulze (Das Böse in der islamischen Tradition, 131-200), A. Michaels (Das Böse in der hinduistischen Tradition, 131-200), J. Laube (Das Böse in der buddhistischen Tradition, 259-355). Die meisten Beiträge arbeiten mit einer strengen Auswahl bestimmter Traditionen, dennoch können die Darstellungen für ihre Traditionen als repräsentativ gelten.

[10] G. Mensching, Gut und Böse im Glauben der Völker, Leipzig 1941.

[11] J. Laube, a.a.O., Einleitung, 9-12; Zit. 10.

[12] A. Michaels, a.a.O. bietet in erster Linie eine Übersicht zu den Hindu-Religionen (brahmanischer Sanskrit-Hinduismus), südasiastische Volksreligionen sowie einige gestiftete Religionen, die sich als Erlösungsreligionen verstehen (vishnuitische und shivaitische Sekten, Neohinduismus sowie hindu-christliche Mischreligionen. Michaels weist zudem darauf hin, dass der sog. Hinduismus kein religiöses Zentrum und nicht einmal religiöse Schriften kennt, die für alle normativ sind. Aus diesen Gründen ist jede Gesamtdeutung notwendig mit einem hohen Maß an intuitiver Beurteilung verbunden.

[13] W.D. O’Flaherty, The Origins of Evil in Hindu Mythology, Berkeley 1967: A.L. Herman, The Problem of Evil and Indian Thought, Delhi 1993.

[14] Zwar ist die klassische Unterscheidung zwischen Scham- und Schuldkulturen ist unter Fachleuten höchst umstritten, doch bleiben die anthropologische Unterscheidung und differenzielle Analyse von Scham und Schuld von hoher Bedeutung (s. J. Assmann, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, München/ Wien 2000, 133-178.

[15] W. Halbfass, Karma und Wiedergeburt im indischen Denken, Kreuzlingen 2000.

[16] Von Michaels als „verbreiteter Spruch“ eingeführt (a.a.O. 209); R. Beer (Üb.), Indische Spruchweisheit, Leipzig und Weimar 1973, Nr. 1567.

[17] Michaels 209.

[18] D. Krochmalnik präsentiert seinen Beitrag als „Jüdische Interpretationen zu Genesis 1.11“.

[19] Ein gute Analyse solcher Zusammenhänge bietet U. Berges, Schweigen ist Silber – Klagen ist Gold, Das Drama der Gottesbeziehung aus alttestamentlicher Sicht mit einer Auslegung zu Ps 88, Münster 2003; ders., Klagelieder [Kommentar], Freiburg 2002.

[20] W.A.M. Beuken (Hg.), The Book of Job, Leuven 1994.

[21] R. Ammicht-Quinn, Von Lissabon nach Auschwitz. Zum Paradigmenwechsel der Theodizeefrage, Freiburg (Schweiz) 1992; E. Fackenheim, E., God’s Presence in History, New York 1970; R. Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, 3 Bde, Frankfurt 1990. P. Longerich, Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München 1998; L. Yahil, Die Shoah, München 1998.

[22] J.B. Metz (Hg.), „Landschaft aus Schreien“. Zur Dramatik der Theodizeefrage, Mainz 1995.

[23] Michaels, 201.

[24] R. Schulze, a.a.O., stützt sich stark auf den Koran und intendiert einen Überblick über die klassischen Strömungen bis zum 16. Jahrhundert. Gemäß ihm ist für die darauffolgende Theologie zur Frage des Bösen bis zum 19. Jahrhundert nicht aufgearbeitet.

[25] C. Schöck, Adam im Islam. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der Suna, Berlin 1993.

[26] Schulze 131.

[27] Das ist die Antwort des 1580 verstorbenen Theologen und Richters Üftade Efendi al-Burusawi (Schulze 143).

[28] M. M. Watt, Free Will and Predestination in Early Islam, London 1948;

[29] Schulze 192.

[30] So die Aussage des Sufi al-Harith al-Muhasibi im 9. Jdt (Schulze 180).

[31] L. Urban, L., N. Walton (Hg.), The Power of God: Readings on omnipotence and evil, New York 1978; J. Hick, Evil and the God of Love, London 1966.

[32] Schulze zeigt, dass es seit dem 19. Jahrhundert dafür interessante Ansätze gibt, die auch die Frage menschlicher Freiheit noch einmal zu Debatte stellen. Deren Erforschung könnte – zusammen mit der von Küng auf die Theologie übertragenen und in religionswissenschaften Untersuchungen angewendeten Methode der Paradigmenanalyse  – zu interessanten Ergebnissen führen (s. H. Küng, Paradigmenwechsel in der Theologie. Versuch einer Grundlagenerklärung, in: H. Küng / D. Tracy (Hg.), Theologie – wohin?, Auf dem Weg zu einem neuen Paradigma, Zürich-Köln/Gütersloh 1984, 37-75).

[33] J. Laube versteht seine genannte Untersuchung in erster Linie material-systematisch, indem er diese Religion „in einem idealtypischen System“ rekonstruiert. Er konzentriert sich auf den Mahayana-Buddhismus, den er gegen Standardvorwürfe wie „hybrid“, „heterodox „ oder „dekadent“ verteidigt (265).

[34] Diese Texte werden in diesem Zusammenhang nicht weiter identifiziert; sie stammen in der Regel aus dem japanischen Kulturraum(Laube ebd.).

[35] M. von Brück, Whalen Lai, Buddhismus und Christentum. Geschichte, Konfrontation, Dialog, München 1997; M. Shimizu, Das ‚Selbst’ im Mahayana-Buddhismus in japanischer Sicht und die ‚Person’ im Christentum im Licht des Neuen Testaments, Leiden 1981; Laube 266.

[36] So im Sutren-Text Dhammapada, im Buddha-Kapitel 14, Vers 183.

[37] So im selben Sutren-Text, Kapitel 1, Verse 17 und 18: „Der Mensch, der in der Erscheinungswelt leidet, leidet auch nach dem Tod, der Mensch, der Sünden begangen hat, leidet an beiden Orten, er leidet, weil es sich bewusst ist: ‚Ich habe Böses getan’, so gerät er auf die Bahn des Bösen, und leidet erst recht. Der Mensch, der in der Erscheinungswelt Freude erlebt, freut sich auch nach dem Tod, der Mensch, der Glückliches bewirkt hat, freut sich an beiden Orten; er freut sich, weil er sich bewusst ist: ‚ich habe Gutes bewirkt’, so wird er auf der Bahn des Glücklichen geboren und freut sich erst recht.“ (Laube 276).

[38] Kapitel 24, Vers 347 (Laube 278).

[39] Kitaro Nishida (1870-1945) zählt zu Japans wichtigen Philosophen.

[40] Haijme Tanabe (1885-1962), Nachfolger von Nishida auf dessen Lehrstuhl in Kyoto.

[41] H. Häring, Das Böse in der Welt. Gottes Macht oder Ohnmacht?, Darmstadt 1999; A.G. Nnamani, The Paradox of a Suffering God, Frankfurt 1985.


Veröffentlicht in: Concilium 40/1 (2004), 43-60